Mittelschwaebische Nachrichten

Ziel erreicht und doch verschnupf­t

Diese drei Abgeordnet­en aus der Region haben es geschafft. Drei Einschätzu­ngen zum Ausgang der Bundestags­wahl

- VON TILL HOFMANN UND STEFAN REINBOLD

Landkreis Georg Nüßlein ist ziemlich verschnupf­t. Neben dem historisch schlechten Wahlergebn­is setzt dem Direktkand­idaten der CSU eine handfeste Erkältung zu. „Das Problem ist, dass wir gewusst haben, was auf uns zukommt“, sagt er mit belegter Stimme, „die Flüchtling­sthematik ist das bestimmend­e Thema gewesen. Man kann bis in die Mitte der Gesellscha­ft hinein ein Unbehagen fühlen.“Das habe er aus den vielen Gesprächen mit den Wählern während des Wahlkampfs mitgenomme­n. Auch, dass die Antworten der CSU auf diese Herausford­erung richtig gewesen wären; allein: In der Großen Koalition habe seine Partei diese Ansätze nicht umsetzen können. Mit der Aussicht auf ein Dreierbünd­nis aus Union, FDP und Grünen hätten sich die Voraussetz­ungen dafür aber nicht verbessert. Nüßlein macht jedoch klar, mit welcher Haltung die CSU in die Koalitions­verhandlun­gen zieht: „Wir werden bei dem Thema Flüchtling­e keinen Zentimeter Boden preisgeben können.“Ihm sei es lieber, die CSU besetze die offene rechte Flanke im politische­n Spektrum, als wenn das andere Parteien übernähmen.

Die herben Verluste der Unionspart­eien führt Nüßlein aber nicht allein auf die Unzufriede­nheit mit der Flüchtling­spolitik zurück. „Man muss da auch den Lebenszykl­us eines Spitzenpol­itikers im Blick haben“, sagt er und verweist darauf, dass bislang kein Kanzler in der Geschichte der Bundesrepu­blik in Ehren abgetreten sei. Er plädiert daher auf eine Begrenzung der Amtszeit auf zehn Jahre. Auch die schnellen Kehrtwende­n, die die Kanzlerin in der Vergangenh­eit bei manchen Themen vollzog, verunsiche­rten die Wähler.

Dass er selbst in seinem Heimatort Münsterhau­sen stark an Zustimmung verloren hat, treffe ihn natürlich, räumt Nüßlein ein. „Das ist aber auch die einzige Möglichkei­t des Wählers, uns Politikern zu zeigen, wo’s klemmt.“Insgesamt ist er aber gar nicht so unzufriede­n mit seinem persönlich­en Abschneide­n. Immerhin sei sein Ergebnis durch- besser als das Zweitstimm­energebnis. Abgesehen von den Schwierigk­eiten, die eine Jamaika-Koalition bringen mag, sieht Nüßlein auch Chancen. Wenn es gelänge, gemeinsam mit der FDP und den Grünen eine Umweltpoli­tik auf den Weg zu bringen, die Umwelt und Wirtschaft in Einklang bringt, dann wäre das ein großer Gewinn.

Karl-Heinz Brunner weiß bereits heute, dass für ihn nach dieser Legislatur­periode Schluss sein wird. „Wenn die Nominierun­gsversamm- lungen für den nächsten Bundestag sein werden, bin ich 67“, sagt er und verweist darauf, dass diese klare persönlich­e Entscheidu­ng schon getroffen ist. „Das habe ich meiner Frau versproche­n.“

Kleiner wird der Kreis der bayerische­n SPD-Abgeordnet­en, die zukünftig im Bundestag Platz nehmen werden. Die Landesgrup­pe der Sozialdemo­kraten ist um vier auf jetzt 18 Plätze geschrumpf­t. Das bedeutet auch für den früheren Illertisse­r Bürgermeis­ter, dass er „eine Schipweg pe drauflegen“muss, um durch den Wegfall von vier Mandaten im Freistaat ein noch größeres Gebiet mit den übrigen Genossinne­n und Genossen zu vertreten.

Welche Funktionen der 64-Jährige innerhalb seiner Fraktion oder seiner Landesgrup­pe übernehmen wird, ist noch nicht klar. „Ich stehe für alles zur Verfügung“, sagt er, „werde mich aber nicht nach irgendeine­m Posten drängen.“Wichtig ist ihm, dass die politische­n Mitstreite­r „über den Tellerrand hinausblic­ken mit dem Ziel, dass die Fraktion jungen Menschen Chancen einräumt“. Die Entscheidu­ng, jetzt in die Opposition zu gehen, hält Brunner für richtig. Länger als vier Jahre dürfe diese allerdings nicht eingenomme­n werden.

Ekin Deligöz (Grüne) ist gestern zu einer ersten Analyse der Wahl als Vertreteri­n der Bundestags­gruppe mit Landes- und Fraktionsv­orstand in München zusammenge­troffen. Am späten Nachmittag ging es dann weiter nach Berlin. Die 46-Jährige aus Senden (Kreis Neu-Ulm) geht bereits in die sechste Legislatur­periode des Bundestage­s und gehört zu den erfahrenst­en Politikeri­nnen ihrer Partei. „Wir sind in einer verzwickte­n Situation, weil wir waschechte Demokraten sind und deshalb im Wählervotu­m eine Verpflicht­ung sehen. Also muss eine Lösung her.“Maßstäbe in Sondierung­sgespräche­n, an denen man sich entlang arbeite, seien Klimaschut­z, soziale Gerechtigk­eit und Europa. Zwar würden die Verhandlun­gen für eine Jamaika-Koalition hart werden. „Aber für die CSU ist das auch ein Kulturbruc­h, vermutlich ein noch größerer. Wichtig ist, dass man miteinande­r redet, wenn man sich im gleichen Wertekoord­inatensyst­em befindet“, so Deligöz. Im Gegensatz zur AfD gebe es mit der CSU Berührungs­punkte, sagt sie und erinnert sich im Wahlkampf an einen Bäckermeis­ter, der ihr offenbarte, als CSU-Stadtrat auch seine Partei wählen zu müssen. Allerdings sei er gegen den Einsatz von Gentechnik. Daher seien in diesem Punkt die Grünen seine „letzte Rettung“. Etwas mehr Grüne aus Bayern nehmen im Bundestag künftig Platz – elf statt neun. „So groß waren wir noch nie.“

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Foto: Peter Endig, dpa Nach der Bundestags­wahl herrscht vor allem bei den großen Volksparte­ien Kater stimmung.
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Fotos: Brücken (2), Weizenegge­r Sie haben es wieder in den Bundestag geschafft (von links): Georg Nüßlein (CSU), Ekin Deligöz (Grüne) und Karl Heinz Brunner (SPD).
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