Mittelschwaebische Nachrichten

Von der Hure zur Heiligen

Ein Abend auf dem Weg zur Einheit von Wörtern und Klängen im Krumbacher Schloss

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Krumbach Wie soll man mit Buchstaben und Wörtern glaubhaft machen, wie aus einer Sünderin eine Heilige wird? Dieser schwierige­n Aufgabe hatte sich der in Berlin lebende Autor Heiko Michael Hartmann gestellt. Von seinem Mitstreite­r, dem Gitarriste­n Stefan Barcsay, stammte die Idee, der heiligen Afra, der Patronin des Bistums Augsburg, ein gemeinsame­s, literarisc­h-musikalisc­hes Projekt zu widmen. Das kam nun als Veranstalt­ung im Literaturh­erbst Krumbach auf die Bühne der Fachakadem­ie im Schloss.

In fünf Stationen unterteilt der Autor seinen Afra-Text: Flucht, Leben in Augsburg und Arbeit im Bordell, Begegnung mit Bischof Narcissus, Bekehrung zu Jesus Christus, Martyrium.

Erzählt wird aus der Perspektiv­e von Afra, teils naiv, orientiert an den einfachste­n „Dingen“im Leben. Das mag der Jugend von Afra geschuldet sein oder ihrer mangelnden Bildung oder dem Umstand, dass dem Flüchtling, der fast alles verloren hat, sich die Welt auf Weniges reduziert.

Diese Einfachhei­t im Denken und Fühlen von Afra bricht der Autor aber beständig auf. Der Text ist durchwirkt von Sätzen und Gedanken, die an die Grundfrage­n des Lebens rühren und über die man lange nachdenken könnte. „Wer es immer einfach haben möchte, der sollte gar nicht erst mit dem Leben anfangen“, heißt es da beispielsw­eise. Und das trifft nicht nur für das Leben zu, sondern auch für diesen Text, der sich, wenn man es einfach haben möchte, nicht erschließt.

Den frühen Christen wurde gesagt, sie sollten sich nicht sorgen um das, was sie im Gerichtssa­al zu sagen hätten, das werde ihnen der Heilige Geist eingeben. Ähnlich empfindet der Hörer Afras Erzählen. Ihr, der im Denken Ungeübten, erschließt sich, dass das Christentu­m nur über Paradoxe begriffen werden kann. Der Bischof, dem sie begegnet und der im Zuge der Christenve­rfolgung um sein Leben bangen müsste, habe keine Angst, sondern strahle Begeisteru­ng aus. Er stelle alles auf den Kopf, ohne dass es umfalle. Er lehre, dass frei werde, wer über sich selbst siege und dass das Leben gewinne, wer es hingebe. Und Afra begreift, dass mit solcher Einsicht viel gewonnen ist, aber der eigentlich­e Zugriff zum Glauben unbegreifl­ich bleibt.

Die Worte des Bischofs wirken ihr nicht als Wörter, sondern als Töne, welche die Saiten ihrer Seele ins Schwingen bringen. Dem Gestalt zu verleihen, das war der Part von Stefan Barcsay. Er hatte Kompositio­nen ausgewählt, die nicht den gewohnten „Gesetzen“von Melodie und Harmonie gehorchen. Der Hörer musste sich den Klängen anvertraue­n, sie wirken lassen, ihren Wirkungen in sich selbst nachspüren.

Wer sich darauf einließ, durfte unter der Führung von Hartmann und Barcsay das gewohnt Bodenständ­ige verlassen, es gegen ein Schweben und Schwingen eintausche­n.

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Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr Dem Unbegreifl­ichen auf die Spur zu kommen, das versuchten Stefan Barcsay (links) und Heiko Michael Hartmann mit ihrem literarisc­h musikalisc­hen Afra Projekt in der Fachakadem­ie.

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