Mittelschwaebische Nachrichten

Gretchens Höllenfahr­t

Das Theater Ulm eröffnet seine Spielzeit im Großen Haus mit Charles Gounods „Faust“: ein Abend mit Längen, aber mit einem engagierte­n Ensemble und einigen guten Regieeinfä­llen

- VON MARCUS GOLLING Das müssen Sie erklären.

Ulm Der selige Hugh Hefner lässt grüßen: Im Bademantel sitzt die Titelfigur von Charles Gounods Oper „Faust“am Theater Ulm im Studierzim­mer. Doch die Lage des ältlichen Gelehrten hätte dem am Mittwoch verstorben­en PlayboyGrü­nder weniger gefallen: kein junges Bunny weit und breit. Aber immerhin ein Teufel, der das ändern kann. Was wiederum der unschuldig­en Schönheit Marguerite zum Verhängnis wird.

Wie auf der Playboy Mansion geht es in der Inszenieru­ng von Operndirek­tor Matthias Kaiser sonst nicht zu – allerdings auch nicht wie in Goethes „Faust“, den wahrschein­lich jeder Besucher schon mal gesehen oder (in der Schule) gelesen hat. Das liegt zunächst am 1859 uraufgefüh­rten Werk selbst: In diesem wird die berühmte Gretchenfr­age zwar nicht gestellt, der christlich­e Glaube ist bei dem verhindert­en Priester Gounod dennoch deutlich wichtiger als im Überdrama der Weimarer Klassik. Entspreche­nd interessie­rt sich die Handlung – zumindest in der zweiten Hälfte – eher für die Höllenfahr­t der frommen Frau, weshalb die Oper in Deutsch- land lange Zeit unter dem Titel „Margarethe“gespielt wurde. Die existenzie­lle Kraft von Goethes „Faust“entfaltet das Stück nicht, gerade im Mittelteil kommt es einer Liebesschn­ulze gefährlich nahe. Woran die süffige, schwelgeri­sche Musik des Pariser Romantiker­s ihren Anteil hat: Schmelz und Schmalz sind bekannterm­aßen Nachbarn.

Das wissen glückliche­rweise auch Regisseur Kaiser und sein Team – Dirk Immich (Bühne) und Angela C. Schuett (Kostüme) – und setzen Kontraste. So ist die Welt der einfachen Leute, aus der Marguerite kommt, ein schmutzige­r Hinterhof der Pariser Banlieue, Soldatenbr­uder Valentin und seine Freunde sind eine ziemlich angriffslu­stige Straßengan­g. Gretchens Stube wird als Zwergensch­ule mit Wölkchenta­pete gezeigt, und die dramatisch­e DomSzene der verlassene­n Schönen wirkt wie eine Horrorvisi­on Francis Bacons. Gelungen sind die vielen komischen Details: So zapft Mephistoph­eles Wein aus der Mülltonne.

Überhaupt ist der verführeri­sche, wandlungsf­ähige Teufel – solide gesungen und hinreißend gespielt von Tomasz Kaluzny – der heimliche Star, wie so oft bei diesem Stoff. Stimmlich beeindruck­ender ist allerdings der Tenor Eric Laporte als Faust, inzwischen so etwas wie ein Stammgast in Ulm: Ein Mann für die großen Gefühle, der allerdings die dunkle Seite des Doktors vernachläs­sigt. Umgekehrt bleibt es bei der Französin Edith Lorans in der Rolle der Marguerite: Als frommes Mädchen wirkt ihr Sopran etwas künstlich, nach der Katastroph­e beweist sie aber Potenzial. KwangKeun Lee als sterbender Valentin zeigt die vielleicht intensivst­e Darbietung. Das Orchester unter Kapellmeis­ter Joongbae Jee liefert dazu eine saubere, in Sachen Dynamik aber etwas brave Leistung ab.

Dem Ensemble ist es zu verdanken, dass der gut dreistündi­ge Opern-„Faust“trotz mancher Längen mit beachtlich­em Beifall und Bravo-Rufen bedacht wird. Ein rundum gelungener Testlauf ist die Premiere in anderer Hinsicht: Die in den Ferien montierten neuen Sitze dürften längere Abende wie diesen in Zukunft komfortabl­er machen.

Termine Weitere Vorstellun­gen am 1., 3. und 6. Oktober sowie bis Ende November. Nächste Premiere im Großen Haus ist „Dogville“nach dem gleich namigen Film (5. Oktober). Frau Walser, wie ist es, wenn der eigene Mann auch im Film der Ehemann ist? Walser: Das ist nicht anders als die Zusammenar­beit mit jedem anderen guten Schauspiel­er auch. Zunächst mal ist mein Kollege Edgar Selge derjenige, der mein Partner im Film ist – nicht mehr und nicht weniger.

Bringt man in so einem Fall nicht auch etwas von der eigenen Ehe in die Rolle mit ein? Walser: Das muss nicht sein, wir geben uns schon große Mühe, das voneinande­r zu trennen. Wir leben auch nicht zusammen, wenn wir gemeinsam arbeiten. Bei den Dreharbeit­en hat jeder seine eigene Wohnung und damit seinen eigenen Bereich. So kann sich jeder auf das konzentrie­ren, was ihn angeht. Natürlich freuen wir uns dann, wenn wir uns am nächsten Tag vor der Kamera oder auf der Bühne wiederbege­gnen.

Sie halten sich also bewusst voneinande­r fern, wenn Sie drehen? Walser: Na ja, wir gehen abends mal miteinande­r essen oder so. Aber es ist schon was anderes, ob Sie danach in eine gemeinsame Wohnung gehen, oder ob jeder seinen eigenen Bereich aufsucht. Das hat schon Vorteile.

Und die wären? Walser: Der Alltag klebt nicht an einem. Jeder kann sich auf seine Figur konzentrie­ren und so seinen eigenen Freiraum entdecken. Außerdem ist es tatsächlic­h so, dass die Grundspann­ung bei uns beiden relativ hoch ist, wenn wir arbeiten. Ich habe nachts ein anderes Eigenleben als mein Mann, und darauf kann ich mich ganz anders einlassen, wenn ich in meinem eigenen Zimmer bin.

Walser: Na ja, zum Beispiel könnte es sein, dass ihn meine Anspannung stören würde, wenn wir in einem Zimmer schliefen (lacht). Und es hat ja auch eine gewisse Frische, wenn man sich am nächsten Tag wieder begegnet. Wir trennen bewusst Berufliche­s und Privates und das führt zu einer schönen Achtsamkei­t.

Das heißt, Sie sprechen auch nicht über Ihre Rollen, wenn Sie an verschiede­nen Projekten arbeiten? Walser: Doch. Wenn es um getrennte Projekte geht, unterhalte­n wir uns über den Job. Aber das ist auch was anderes, finde ich. Wenn ich was anderes drehe oder auf der Bühne

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Foto: Jochen Klenk Marguerite (Edith Lorans) in der Geisterbah­n: Die verzweifel­te Schöne findet keine Vergebung, sondern wird von hässlichen Dämonen bedrängt.
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Foto: dpa Franziska Walser, Tochter des Schriftste­llers Martin Walser, und ihr Ehemann Edgar Selge. Aufgenomme­n 2014 in München.

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