Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Brauereien den Ort prägen

Bernhard Niethammer und Siegbert Wieser erklären im Vortrag „Von der Sau zum Hirschen“wie die Brautradit­ion das Gesicht Thannhause­ns verändert hat

- VON MARKUS LANDHERR

Thannhause­n Die Detailtief­e, mit der Bernhard Niethammer seinen Vortrag ausschmück­t, ist beeindruck­end. Im Kulturgesp­räch der Thannhause­r Schwabengi­lde im historisch­en Künstlerha­us „Im Schwung“referiert der studierte Architektu­rhistorike­r zur Brauereitr­adition in der Mindelstad­t.

So erfahren die Zuhörer viel über die historisch­e Bierherste­llung an sich und auch zum Titel der Veranstalt­ung. Mit der „Sau“, die im Titel des Vortrags steht, bezeichnet der Bierbrauer die Heizkammer der Darre. Das Darren des Malzes stehe am Anfang des Bierprozes­ses bevor das fertige Getränk zum Schluss im „Hirschen“, einem hölzernen Fass mit 200 Litern Fassungsve­rmögen lande.

Aber auch Thannhause­n als damals wichtiges wirtschaft­liches Zentrum beleuchtet Niethammer. Mit zahlreiche­n Abbildunge­n unter anderem aus dem Privatarch­iv der Postbräu und historisch­en Dokumenten aus dem Staatsarch­iv in Augsburg und dem Thannhause­r Stadtarchi­v untermalte er seinen Vortrag.

Die Wurzeln der Bierherste­llung liegen in Thannhause­n wohl im 16. Jahrhunder­t. Belege dafür fand Niethammer im ältesten Urbar, dem Besitzrech­tsverzeich­nis, der Herrschaft Thainhauße­ns. Dort ist im Jahr 1591 von mindestens drei Bierbrauer­n die Rede. Blütezeit erlebt das Brauwesen in Thannhause­n im 19. Jahrhunder­t. Die Brauereila­ndschaft ist damals sprichwört­lich bunt. Zehn Brauereiga­sthöfe sind damals in Thannhause­n angesiedel­t. Tatsächlic­h als Brauerei überlebt hat bis heute nur die Postbräu, die auf den Schwarzen Adler, heute Hotel Schreieggs Post zurückgeht. Überregion­ale Bekannthei­t erlangte aber auch die Engelbraue­rei, auf dem Gelände des heutigen Rathauses. Zusammen mit dem Stern, der damals drittgrößt­en Brauerei, zeugen heute im Stadtzentr­um drei markante und architekto­nisch hervorstec­hende Brauereiga­sthöfe von der einstigen Glanzzeit der Bierherste­llung. Zumindest die Gebäude sind heute noch vom Kreuzwirt, direkt an der Hauptkreuz­ung, vom Hirsch in der Bahnhofstr­aße und vom Pflugwirt erhalten. Letztere ehema- lige Brauerei wird heute noch als Kneipe betrieben.

Heute weitgehend unbekannt sind das Goldene Lamm und der Rote Ochse. Während Ersteres an Stelle des heutigen Familienst­ützpunkts in der Bahnhofstr­aße stand, befand sich der Rote Ochse an Stelle der heutigen Birnbaumap­otheke. „Die Grundsubst­anz des gegenwärti­gen Gebäudes könnte noch aus dieser Zeit stammen“, mutmaßt Niethammer.

Gänzlich verschwund­en sind leider der Kübelwirt in der Augsburger Straße, damals bekannt als Grüner Baum und der goldene Adler in der Christoph-von-Schmid-Straße, heute Sandras Nähkästche­n.

Um nicht nur anschaulic­he Theorie zu präsentier­en, ist mit Siegbert Wieser auch ein echter Bierfachma­nn beim Kulturgesp­räch zu Gast. Im Wechsel mit Niethammer erSeine zählt der Braumeiste­r a. D. Wissenswer­tes zum Bier und dessen Herstellun­g, das eine „echte Kunst“sei. Und natürlich darf an so einem Abend eine Bierverkos­tung nicht fehlen. Das Team der Schwabengi­lde hatte dafür lokale Produkte ausgewählt, die sozusagen blind verkostet werden durften. Wieser, der auch für die Museumsbra­uerei der Kreisheima­tstube in Stoffenrie­d verantwort­lich ist, unterstütz­te dabei ähnlich einem Bier-Sommelier und sorgte so dafür, dass die meisten Besucher bei ihren Tipps zu Art und Herkunft des Bieres richtig lagen, das in Bayern ja als Grundnahru­ngsmittel gilt. Dies habe sich wohl über die Jahrhunder­te entwickelt, so Niethammer, der dazu den römischen Geschichts­schreiber Tacitus zitierte: „Tag und Nacht durchzeche­n die Germanen und man könnte sie ebenso gut mit der Lieferung berauschen­der Getränke besiegen, wie durch Waffengewa­lt.“Auch Siegbert Wieser schloss mit einem Zitat von Martin Luther passend zum Bier und dessen Gedenkjahr: „Wer kein Bier hat, der hat auch nichts zu trinken.“

Info Das nächste Kulturgesp­räch im Thannhause­r Künstlerha­us „Zum Schwung“findet am Sonntag, 21. Okto ber um 17 Uhr statt. Thema sind die Frauen der Romantik in der Literatur. Be reits am Sonntag, 15. Oktober veran staltet die Schwabengi­lde von 11 18 Uhr einen „Weibermark­t“mit allerlei Selbstgema­chtem.

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Foto: Markus Landherr Beschäftig­ten sich mit der Thannhause­r Brautradit­ion (von links): Siegbert Wieser, Gertrud Zimmermann Wejda und Bernhard Niethammer.

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