Mittelschwaebische Nachrichten

Vom Tuten, Blasen und guten Gedanken

Lyrikerin und „Wortdompte­use“Karin Sterner auf Entdeckung­stour im scheinbar banalen Alltag

- VON PETER BAUER

Krumbach Das Gefühl, dass einem Worte regelrecht „um die Ohren geblasen“werden: Es ist in diesen bewegten, hyperaktiv­en Zeiten eine Art gefühlter Dauerzusta­nd. Doch „die Kunst am Mundstück, die besteht aus zahlreiche­n Phrasen. Wer vom Tuten was versteht, kann noch lang nicht blasen“. Oder allenfalls „heiße Luft“möchte man hinzufügen. Es sind auch die mitunter überdrehte­n Befindlich­keiten der Gegenwart, die Karin Sterner in ihren Gedichten auf einfühlsam­e Weise ihren Zuhörern serviert.

„Ohrenbläse­r (Gedichte)“: Es ist eine doppelte Premiere. Erstmals ist die Lyrikerin beim Krumbacher Literaturh­erbst zu Gast. Und es ist die erste offizielle kulturelle Veranstalt­ung im Saal des neuen Krumbacher Bürgerhaus­es. Karin Sterner nimmt ihre Gäste mit auf einen Weg, auf dem „gedacht und gelacht“werden darf.

Sie lässt spüren, dass der Hintersinn des Lebens oft im Alltäglich­en, im scheinbar Banalen liegt. In der Lesung begegnen die Zuhörer diesem scheinbar seltsamen und doch auch so lebensecht­en „Ohrenbläse­r“, diesem Blender mit „blankem Blech“und „goldnem Glanz“. Doch „oh, wie so trügerisch“.

Es gibt Sachliches, Weltliches und auch Tierisches an diesem Abend in der „kleinen Manege“des Bürgerhaus­es. Die „Wortdompte­use“Karin Sterner wird musikalisc­h begleitet vom „Saitenbänd­iger“, dem Gitarriste­n Manfred Bootz. Gedankensp­iel, Gitarrensp­iel. Bootz spielt Eigenkompo­sitionen wie den „Roggenburg-Blues“und bekannte „Ohrwürmer“(ein Begriff, der wie eine Steilvorla­ge für Karin Sterner klingt) wie etwa „Summer Wine“.

Ja, der Wein. Vielleicht ein Pinot? „Warten auf Pinot“hat Karin Sterner ein Gedicht genannt, eine dezente Abwandlung des Theaterstü­cks „Warten auf Godot“des irischen Schriftste­llers Samuel Be- ckett. Ein Gespräch zwischen „Vitali und Rosmarie“, irgendwann landen sie bei „diesem Süd Aldi“. Da gibt’s Wein im Kanister. „Tank den Wagen voll“.

Weinkanist­er oder Flaschen mit Schraubver­schluss: Der „Korkenzieh­er Ferdinand“, von dessen Alltagsleb­en wir ebenfalls erfahren, sieht da irgendwie alt aus. Wie schnell wandeln sich die „alten Zeiten“. Auf der Lieblingss­cholle des Eisbärs Eberhard schwimmt eine Frühlingsr­olle und der Brieföffne­r Brechtwald hat auch schon bessere Zeiten erlebt. „Die Maus am Schirm zeigt Öffners Not. Denn E-Mails sind der Briefe Tod“.

Lyrik ist im hektischen Literaturb­etrieb der Gegenwart selten geworden. Doch vielleicht ist es diese konzentrie­rte, reduzierte Form der Sprache, die Dinge regelrecht freizulege­n scheint. Karin Sterner führt die Kraft dieser Sprache mit dem Zauber des Humors zusammen. Im scheinbar größten Unsinn könne ein bemerkensw­erter Tiefsinn liegen, hat dies die 49-Jährige, die mit ihrem Mann bei Neu-Ulm lebt und als Dozentin für Erwachsene­nbildung (Latein und PC-Kurse) im Kreis Neu-Ulm arbeitet, wiederholt umschriebe­n. Gelacht wird an diesem Abend kräftig im Bürgerhaus. Wohl auch eine gute Grundlage für gute Gedanken – ganz abseits von Wichtigtue­rei und Phrasendre­scherei.

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Foto: Peter Bauer Zu Gast beim Literaturh­erbst im Krumbacher Bürgerhaus: „Wortdompte­use“Karin Sterner und „Saitenbänd­iger“Manfred Bootz.

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