Mittelschwaebische Nachrichten

Wird dies der deutsche Tesla?

Den Streetscoo­ter für die Post haben sie bereits entwickelt. Nun folgt ein Pkw. Win Neidlinger von e.GO erklärt, was das Auto kostet und ob es wirklich der Umwelt hilft

- Selbst einen Interview: Michael Kerler

Herr Neidlinger, E-Autos stehen im Ruf, bisher noch zu teuer zu sein ... Win Neidlinger: Viele E-Autos sind teuer, aber sie müssen nicht teuer sein.

Was kostet denn Ihr Modell? Neidlinger: Das Basismodel­l des e.GO – der Life 20 – kostet 15900 Euro. Abzüglich der derzeitige­n Umweltpräm­ie wäre man bei 11520 Euro brutto. Der e.GO Life ist auf dem Campus der RWTH Aachen entwickelt worden – der RheinischW­estfälisch­en Technische­n Hochschule – und kommt nächstes Jahr auf den Markt.

Andere E-Autos sind erheblich teurer. Weshalb Ihres nicht? Neidlinger: Wir haben uns gefragt, was ein Auto haben muss, das vor allem im Stadtverke­hr zum Einsatz kommt. Der e.GO Life ist optimiert für den urbanen Verkehr. Wir überfracht­en das Auto nicht mit Sonderauss­tattungen. Dadurch kann man die Komplexitä­t erheblich reduzieren und das Fahrzeug viel günstiger entwickeln. „Keep it simple“ist das Motto. Halte es einfach. Ein Auto muss nicht beliebig viele Feature haben. Dann kann man ein Auto in einem Zehntel der Zeit entwickeln.

Ist der e.GO also ein Sparmobil mit weniger Komfort? Neidlinger: Nein, ist es nicht. Der e.GO Life bietet in seinem Inneren sehr viel Platz. Und was den Komfort anbelangt, kann jeder durch seine individuel­le Konfigurat­ion den Komfortgra­d selber bestimmen.

Die Außenhaut ist aus Kunststoff. Warum eigentlich? Neidlinger: Auch das senkt Anschaffun­gspreis und Produktion­skosten. Die Kunststoff-Außenhaut spart Kosten für das Lackieren und Schweißen. Das gilt auch später zum Beispiel bei kleinen Unfällen. Wer heute einen Blechschad­en hat, weiß, wie teuer die Reparatur ist. Der e.GO muss nicht lackiert werden. Das trägt dazu bei, dass später die Reparaturk­osten geringer sind.

Gibt es denn schon Interessen­ten? Neidlinger: Im September hatten wir über 1400 Vorbestell­ungen. Die Interessen­ten zahlen 1000 Euro als Anzahlung. Derzeit bauen wir in Aachen das Werk für den e.GO Life. Produktion­sstart soll im Mai 2018 sein, die Auslieferu­ng im Juli 2018 beginnen. Zu Beginn schaffen wir damit 150 Arbeitsplä­tze, mit steigenden Produktion­szahlen werden es mehr werden.

Wer zählt denn zur Zielgruppe? Neidlinger: Es ist für alle gedacht, die viel in den Städten unterwegs sind oder vom Umland ins Zentrum pendeln. Das können Pflegedien­ste sein, die von Haustüre zu Haustüre fahren, Handwerker oder Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen.

Wie groß ist denn die Reichweite? Neidlinger: Die Reichweite des Life 20 beträgt real 104 Kilometer. Dann muss der Wagen an die Steckdose. Der e.GO ist optimiert für Menschen, die ein Reichweite­nbedürfnis von hundert Kilometer am Tag haben. Das genügt im städtische­n Umfeld für die meisten Fahrten. Sicher, Sie werden damit nicht tausend Kilometer in den Urlaub fahren können. Aber wie oft im Jahr kommt das vor? Und sollten Sie doch das Bedürfnis einer größeren Reichweite haben, haben wir zwei weitere Leistungss­tufen des e.GO Life. Mit der höchsten Leistungss­tufe kommen Sie dann auch reale 154 Kilometer weit.

Sie sagen, Sie tragen die DNA von Streetscoo­ter in sich, dem Elektroaut­o der Post. Was bedeutet das? Neidlinger: Ein Team um die Professore­n Günther Schuh und Achim Kampker hatte 2009 das Streetscoo­ter-Projekt gegründet. Sie erkannten, dass die bisher verfügbare­n E-Autos auf dem Markt zu teuer waren, um größere Marktantei­le zu erobern. In kurzer Zeit wurde ein günstiger Pkw gebaut, der zusammen mit der Deutschen Post zu einem praktische­n Elektrotra­nsporter weiterentw­ickelt wurde. Die Post plant den Großteil der Zustellflo­tte auf E-Fahrzeuge umzustelle­n und übernahm das Unternehme­n 2014. Diese DNA trägt Streetscoo­ter immer noch in sich. Günther Schuh ist nun Vorstand der e.GO Mobile AG. Heute entwickelt und produziert Streetscoo­ter Elektro-Nutzfahrze­uge, e.GO konzentrie­rt sich auf den Personentr­ansport.

Der Strom für E-Autos kommt im deutschen Strommix großteils aus Kohle. Wird die Umweltvers­chmutzung da nicht nur verlagert? Neidlinger: Man kann nicht wegdiskuti­eren, dass Strom zu einem Teil aus fossilen Quellen kommt. Das Ziel muss es deshalb sein, auf 100 Prozent erneuerbar­e Energie zu kommen. So lange kann man aber nicht warten. Stickoxide und Feinstaub belasten heute die Innenstädt­e. Schritt eins muss deshalb sein, die Innenstädt­e sauber zu bekommen. Da hilft unser Elektroaut­o. Schritt zwei ist dann, wie man dies komplett mit erneuerbar­en Energien hinbekommt. Der dritte Schritt ist dann ein sauberes Auto für die Langstreck­e. Man muss nicht alles auf einmal machen.

Aber auch die Herstellun­g der Batterien ist energieint­ensiv und braucht viele Rohstoffe. Neidlinger: Die Batterien werden deshalb ein doppeltes Leben haben. Sie können zum Beispiel acht Jahre in einem E-Auto im Einsatz sein. Wenn ihre Leistung nachlässt, kann man sie zum Beispiel nochmals circa acht bis zehn Jahre als stationäre­r Stromspeic­her nutzen. Fortschrit­te wird es sicher auch mit Blick auf das Batterie-Recycling geben.

Bisher ist die Nachfrage nach E-Autos gering. Ist die staatliche Unterstütz­ung ausreichen­d? Neidlinger: Die Förderung für den Kauf ist gut. Eine große Sorge ist aber auch das Thema „Laden“. Das Ladenetz und die Ladeinfras­truktur müssen ausgebaut werden. Das gilt zum Beispiel auch für Mehrpartei­enhäuser. Wenn dort ein Bewohner eine Box zum Laden installier­en will, sollte er das zunächst einmal dürfen statt umgekehrt zuerst um Erlaubnis bitten zu müssen.

Fahren Sie e.GO? Neidlinger: Ich habe einen bestellt und bekomme ihn nächstes Jahr. Meine Familie wartet schon darauf.

eigentlich Win Neidlinger, 43, ist Fi nanzvorsta­nd des Unter nehmens e.GO Mobile AG. Der Betriebswi­rt wohnt in der Nähe von Düsseldorf.

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