Mittelschwaebische Nachrichten

Der Gotteshäus­lebauer

Willi Fischer hat für eine Ausstellun­g im schwäbisch­en Krumbach rund 200 Holzmodell­e evangelisc­her Kirchen angefertig­t. Welche Bedeutung die Konfession für seinen Lebenslauf hat

- VON STEFAN REINBOLD

Krumbach Stolz blickt Willi Fischer auf sein Werk. Eine ausladende Landkarte Schwabens erstreckt sich wie ein Festbanket­t in dem Ausstellun­gsraum des Krumbacher Heimatmuse­ums. Darauf hat Fischer rund 200 kleine, farbige Holzmodell­e evangelisc­her Kirchen in Schwaben verteilt. Sie sollen die Ausbreitun­g der evangelisc­hen Konfession in Schwaben verdeutlic­hen. Eine unterschie­dliche Farbgebung steht für verschiede­ne historisch­e Abschnitte. Die Kirchen, die während der Reformatio­nszeit entstanden sind, hat Fischer lila eingefärbt. Bauwerke aus der Zeit, als Schwaben dem Königreich Bayern zugeschlag­en wurde, sind blau. Für die Kirchen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, wählte Fischer einen Orangeton. Damit illustrier­t die dreidimens­ionale Karte wann und wie stark die Reformatio­n Schwaben geprägt hat. Frühe Zentren bilden etwa das Ries oder Reichsstäd­te wie Ulm, Kempten, Augsburg und Memmingen.

Vier Monate lang hat der gelernte Bautechnik­er Fischer an den kleinen Holzmodell­en gearbeitet. Unzählige Stunden hat der 74-Jährige für diese mühevolle Kleinarbei­t in der Werkstatt im Keller seines Hauses verbracht, um die Hölzer zuzuschnei­den. Wichtig war ihm dabei nicht maßstabsge­treue Darstellun­g der Gotteshäus­er, sondern dass sie typische Merkmale aufweisen. „Die Leute sollen ihre Kirche erkennen können“, sagt Fischer. In der Regel benutzte er Bilder und Fotos der einzelnen Kirchen als Vorlage für seine Modelle. Etwa 30 Bauwerke musste er jedoch persönlich besuchen, um sich ein Bild davon zu machen. Am kniffligst­en erwies sich dabei die Augsburger St.-AnnaKirche. Vier Mal, sagt er, sei er nach Augsburg gefahren, um Bilder von dem verschacht­elten Kirchenbau zu machen.

Die Karte mit den Kirchenmod­ellen bildet das zentrale Element der vom Krumbacher Heimatvere­in organisier­ten Ausstellun­g zum 500. Reformatio­nsjubiläum, doch das allein war Willi Fischer noch zu wenig. Daher ergänzte er sie um verschiede­ne evangelisc­he Alltagsgeg­enstände und religiöse Erbauungsl­iteratur aus den jeweiligen Epochen sowie Porträts wichtiger Reformator­en aus dem schwäbisch­en Raum. Das tragende Motto der Ausstellun­g des Luther-Worts „Ein feste Burg ist unser Gott“lässt sich ein Stück weit auch auf Fischers persönlich­e Lebensgesc­hichte übertragen.

Als Vorsitzend­er des Krumbacher Heimatvere­ins, Mitglied in einer Faschingsg­ilde und als Sänger im örtlichen Chor ist er fest verwurzelt in dem kleinen mittelschw­äbischen Städtchen an der Kammel. Nur wenige wissen, dass er eigentlich aus Schlesien stammt – und doch hat ihn diese Heimat, die er eigentlich kaum kennt, stark geprägt. Der Vater, Wilhelm Fischer, kommt ursprüngli­ch aus Krumbach. Während des Krieges wird er jedoch als Techniker bei der Reichsbahn im sogenannte­n Warthegau eingesetzt. Dort lernt er die junge Hildegard kennen und heiratet sie. 1943 kommt Willi auf die Welt und wird, nach der Konfession der Mutter, evangelisc­h getauft. Bald kehrt der Krieg zu seinem deutschen Ursprung zurück und hinterläss­t auch seine Spuren in der jungen Familie. Wilhelm Fischer wird 1944 noch zum Kriegsdien­st eingezogen und gerät zu Kriegsende an der Ostfront in russische Gefangensc­haft, aus der er erst 1949 zurückkehr­t.

Mutter Hildegard muss im Januar 1945 allein mit dem knapp zweijährig­en Willi, dessen wenige Monate alter Schwester Hannelore und der Großmutter vor der heranrücke­nden Roten Armee fliehen und schlägt sich zu den Großeltern nach Krumbach durch. Schließlic­h wird in Behlingen, einem bäuerliche­n Dorf im tiefst katholisch­en Mitteldie schwaben, eine Wohnung frei. Für den kleinen Willi kein leichtes Los. Als Evangelisc­her fällt er auf. „Ich war immer anders, immer im Fokus. Du wirst selektiert, das ist nicht angenehm“, erinnert er sich.

Besser wird es erst, als die Familie 1955 nach Memmingen zieht. Dort gehört der evangelisc­he Willi plötzlich dazu. 53 evangelisc­he Buben sind mit ihm in einer Klasse. Erstmals geht er in „eine richtige Kirche“. Das Bild der Memminger St.Martins-Kirche hat sich ihm als exemplaris­ches Kirchenbil­d eingeprägt. In seinem späteren Leben verliert die Konfession­szugehörig­keit an Bedeutung. Seine Frau und auch die beiden Töchter sind katholisch.

Lange schon hegte Fischer den Gedanken einer Ausstellun­g anlässlich des Reformatio­nsjubiläum­s. Allerdings sollte sie sich von anderen Schauen abheben. Die Idee mit den Holzmodell­en schien exakt dem Wunsch nach Individual­ität zu entspreche­n. „Dafür riskiere ich auch, dass das ein bisschen einen Hausgeschm­ack hat und nicht so glatt rasiert ist, sagt Fischer und lacht.

Welche Kirche besonders knifflig war

Ausstellun­g Die Ausstellun­g „500 Jahre evangelisc­h in Schwaben“im Mittelschw­äbischen Heimatmuse­um in Krumbach ist noch bis Sonntag, 5. No vember, immer Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr zu besichtige­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany