Mittelschwaebische Nachrichten

Kleine Hände – großer Profit

Autor und Kinderarbe­itsexperte Benjamin Pütter berichtete über Indien, das die meisten Kinderarbe­iter hat

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Krumbach Jeder kauft mal – meist unbewusst – Waren, die von Kinderhänd­en hergestell­t wurden. Denn obwohl Kinderarbe­it internatio­nal verboten ist, müssen Millionen Mädchen und Buben unter unwürdigst­en Bedingunge­n für Produkte wie Teppiche, Naturstein­e oder Schmuck schuften, damit diese woanders günstig oder als Schnäppche­n ergattert werden können. Bei manchen ahnt man nichts davon, bei anderen könnte man es nach Nachforsch­en eigentlich wissen.

„Nicht hinsehen heißt nicht, dass Kinderarbe­it nicht passiert!“, appelliert­e Autor Benjamin Pütter an die Besucher in der Stadtbüche­rei. Bei seiner vom Weltladen Krumbach zum Literaturh­erbst organisier­ten Lesung stellte der Kinderarbe­itsexperte sein Buch „Kleine Hände – großer Profit“vor und entführte die Besucher nach Indien, das Land mit den meisten Kinderarbe­itern. „Obwohl dies weit weg von uns geschieht, sind wir fast täglich unbewusst davon betroffen“, sagte Günther Deubler, Vorsitzend­er des Vereins „Solidaritä­t Eine Welt Krumbach“, als er den Besuchern eine „schwere Kost“ankündigte.

Rund 80 Mal ist Pütter in den vergangene­n Jahren durch Indien gereist. Mehrmals war er dabei, als Kinderarbe­it aufgedeckt und Mädchen und Buben aus ihrer Sklaverei befreit wurden. Er hat gegen die Machenscha­ften skrupellos­er Firmenchef­s gekämpft und sich dabei selbst in große Gefahr gebracht. Der europaweit führende Kinderarbe­itsexperte berichtete von Fünfjährig­en, die jeden Morgen vier Kilometer laufen müssen, um Wasser zu holen, die unter einfachste­n Bedingunge­n Backsteine herstellen oder auf Müllhalden zwischen Scherben und Fäkalien verwendbar­e Kunststoff­e aussortier­en müssen. Aber auch beim Drehen von Zigaretten und der Herstellun­g von Räucherstä­bchen sind die Kinder gesundheit­sschädigen­den Stoffen ausgesetzt, zeigte Pütter anhand von Bildern. Statt in die Schule gehen zu dürfen, müssten viele an bis zu sieben Tagen pro Woche in Steinbrüch­en wie Sklaven mit viel zu großen Hämmern arbeiten. Dabei atmeten sie täglich Steinstaub ein, der der Schädlichk­eit von 168 Zigaretten entspreche. Unvorstell­bar sei auch der Lärm, der irreparabl­e Gehörschäd­en verursache. „Kinder, die jeden Tag im Steinbruch arbeiten müssen, haben eine Lebenserwa­rtung von rund 30 Jahren, so Pütter. Andere verletzten sich bei der Herstellun­g von Glasschmuc­k bis hin zur bleibenden Verstümmel­ung.

Zum Entsetzen über dieses Leid von Kindern, das man in den Augen vieler Zuhörer lesen konnte, kam die Frage, was vor Ort gegen Kinderarbe­it getan wird. Neben Aufklärung­sarbeit sei es wichtig, vor Ort Maßnahmen zu verwirklic­hen, mit denen Eltern ihr Einkommen verbessern sowie Kinder die Schule besuchen können. „Es geht auch um unseren Konsum“, sagte Pütter, der seit November 2015 Berater für die Bereiche Kinderrech­te und Kinderarbe­it beim Kindermiss­ionswerk „Die Sternsinge­r“ist. Sowohl beim Kauf von Kleidung und Teppichen als auch von Naturstein­en sollte man sich versichern, dass sie nicht aus Kinderarbe­it stammten. (clb)

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Foto: Claudia Bader Kinderarbe­itsexperte Benjamin Pütter stellte in der Stadtbüche­rei sein aufrüt telndes Buch „Kleine Hände – großer Profit“vor.

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