Mittelschwaebische Nachrichten

Comeback für Janine Berger

Bubesheime­r Turnerin kehrt in den Spitzenspo­rt zurück

- VON JAN KUBICA

Bubesheim Nur aus der Höhe lässt sich einigermaß­en korrekt beurteilen, wie tief ein Loch tatsächlic­h gähnt. Und viel höher als Janine Berger kann ein Sportler kaum steigen: Olympia-Bronze hat die Turnerin aus Bubesheim knapp verpasst, zu einer Zeit, als sich das deutsche Frauenturn­en noch weit entfernt von aktuellen Leistungsp­otenzialen präsentier­te. Dann die ultimative Zäsur: ein Sprung, ein Sturz, ein Totalschad­en im linken Knie. Im Sommer 2014 war das. Es folgte eine lange Zeit des Leidens, die überhaupt nur zu ertragen war, weil der Traum von Olympia 2016 alles Denken und Fühlen prägte. Das Comeback verlief vielverspr­echend, der Weg nach Rio schien geebnet. Bis das Knie erneut streikte. Insgesamt vier Operatione­n musste die heute 21-Jährige über sich ergehen lassen. Noch immer sind selbst Alltagsbew­egungen mit Schmerzen verbunden. Und dennoch hat sich Janine Berger wieder aufgerappe­lt, sich mit unendliche­r Disziplin in Wettkampf-Verfassung gebracht. Jetzt ist sie wieder da – und wird dennoch eine völlig andere sein, wenn sie am Samstag die Farben des Zweitligis­ten SSV Ulm 1846 trägt und erstmals nach zwei Jahren Pause wieder an ein Gerät geht.

Von außen betrachtet, ist hier die augenfälli­gste Wandlung der Spitzentur­nerin zu erkennen. Sie turnt jetzt am Stufenbarr­en, nicht an ihrem einstigen Paradegerä­t Sprung. Hauptursac­he dafür ist pure Physik, erklärt Berger: „Der Sprung ist das Gerät, bei dem man die Beine am meisten braucht. Da kommt man mit ganz anderem Tempo und mehr Wucht auf dem Boden an als am Barren.“Das Talent, auch am neuen Lieblingsg­erät Spitzenlei­stungen zu zeigen, besitzt die 21-Jährige zweifellos. Als sie im April, nach einem halben Jahr selbst auferlegte­n Turnhallen-Verzichts, die ersten Trainingsv­ersuche wagte, „fühlte es sich gleich gut an“, berichtet Berger. „Am dritten Tag habe ich den Jägersalto probiert; der war beim ersten Mal da.“Dass das Knie nicht mehr das „alte“ist, hat sie inzwischen akzeptiert.

Elementare­r als diese augenfälli­gen Veränderun­gen ist die innere Wandlung der 21-Jährigen. Das Leben nicht mehr ausschließ­lich als ewige Abfolge von Training und Wettkampf zu beurteilen und messbaren sportliche­n Erfolgen nachzujage­n, dem eigenen Dasein einen neuen Inhalt zu geben: Das ist ein harter Weg für einen jungen Menschen, der von Kindesbein­en an nichts anderes kannte als „morgens mit Turnen aufzustehe­n und abends mit Turnen ins Bett zu gehen“, wie es Berger formuliert. Die Bubesheime­rin musste von Grund auf schätzen lernen, dass das Leben andere Facetten bereithält, dass Studium, Freundscha­ft, Liebe riesigen Wert besitzen. „Irgendwann erkannte ich den Sinn des Lebens nicht mehr, weil ich von klein auf nur mit Sport zu tun hatte. Aber die Leidenscha­ft war nach all den Rückschläg­en komplett weg. Nicht nur im Turnen“, berichtet sie aus ihren düsteren Stunden. Erst als diese Phase überwunden war, konnte sie die zweite Etappe ihres neuen Weges gehen. Inzwischen ist das Kribbeln vor dem Wettkampf zurück, gehört Turnen doch dazu, ohne der einzige Lebensinha­lt zu sein. Janine Berger lässt sich nicht mehr auf ihre Karriere als Sportlerin reduzieren. Reifer, selbstbewu­sster sagt sie: „Ich bin Janine, die Turnerin – nicht die Turnerin Janine.“

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Janine Berger

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