Mittelschwaebische Nachrichten
Mehrere Jahre Haft für Drogendealer
Der Prozess gegen drei Günzburger Rauschgift-Schmuggler ist zu Ende. Wie sie in die Kriminalität rutschten und warum eine Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe davonkommt
Memmingen Immer wieder lässt Ertugul B. die kleine schwarze Kette durch seine Finger gleiten. Den gesamten Prozesstag über legt er die islamische Gebetsschnur kaum einmal aus der Hand. Erhofft er sich göttlichen Beistand vor dem Urteil gegen ihn? Der 28-Jährige gilt als Haupttäter in mehreren Fällen von Drogenschmuggel, die vor der Ersten Strafkammer des Memminger Landgerichts verhandelt werden. Dass B. und der mitangeklagte Adnan E. ins Gefängnis gehen werden, steht bereits fest. Sie haben mit Gericht und Staatsanwaltschaft einen Deal vereinbart, Geständnisse im Austausch gegen eine Begrenzung des Strafrahmens.
An diesem letzten Prozesstag geht es vor allem um die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten und die Frage, wie es für sie in und nach der Haft weitergehen soll. Denn alle drei, auch die von den Männern angeheuerte Kurierfahrerin Nicole K., haben bis zu ihrer Festnahme im November 2016 regelmäßig Drogen und waren ohne geregelte Arbeit. Die Männer sind zudem spielsüchtig, haben über die Jahre sehr viel Geld an Automaten verloren. Eine Therapie wäre für alle drei ratsam, meint der Sachverständige Norbert Ormanns.
Ertugul B. stammt aus einem zerrütteten Elternhaus, hat keine abgeschlossene Ausbildung und hielt sich lange mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Als er es geschafft hatte, einen gut laufenden Pizzaservice aufzubauen, zerstörte die Spielsucht das Geschäft wieder. Durch die Insolvenz hat er Schulden in Höhe von 50 000 Euro. Von den Drogen wegzukommen, das schaffte B. erst durch die Festnahme. „Im Gefängnis würde ich drankommen, aber ich will es nicht. Meine Frau und meine Töchter sind mir wichtiger als mein Konsum“, beteuert B.
Noch tiefer im Sumpf aus Drogen und Kleinkriminalität steckt Adnan E. Der 32-Jährige beginnt gar zu schwitzen, als Richter Jürgen Hasler sein 13 Einträge umfassendes Vorstrafenregister verliest. Drogen und Gewalt haben weite Teile des Le- bens dieses Mannes beherrscht, als Einziger der drei Angeklagten hat er Hafterfahrung. Auch er hat Schulden, auch er spielt gerne, auch er hat ein Kind, um das er sich kümmern muss. Das sei auch der Grund, warum er sein Leben nun endlich in den Griff bekommen will.
Bleibt die Frage, wieso eine bis dahin unbescholtene Frau wie Nicole K. sich als Drogenkurierin hat anwerben lassen. Warum sie fünf Mal mit einem von Ertugul B. besorgten Mietwagen über die holländische Grenze und wieder zurückgefahren ist, für einen Lohn von 600 Euro pro Fahrt. Eine schmutzige Scheidung, nach der ihr Mann sie mit einem Haufen Schulden hat sitzenlassen sowie der Verlust ihrer langjährigen Anstellung und eine schwere Erkrankung sind wohl die Gründe. Diese Krisensituation brachte sie in Kontakt mit Drogen – und damit auch mit Ertugul B..
Längst hat die 46-Jährige diese Taten bereut. Schon bei ihrer Festnahme war sie als Einzige geständig und hatte damit großen Anteil an der Aufklärung der Taten. Das würgenommen digt auch Staatsanwältin Susanne Fritzsche. Sie betont aber: „Es war keine einmalige Dummheit. Sie ist planmäßig und kriminell vorgegangen.“Deshalb fordert sie eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. K.s Verteidiger Thorsten Storp hält dagegen eine Bewährungsstrafe für ausreichend.
E.s Verteidigerin Julia Weinmann bemängelt erneut die Rolle des V-Mannes, der die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte. „V-Männer stoßen Geschäfte auch gerne mal an und gehen dann mit den Informationen zur Polizei.“Wie es in diesem Fall ablief, wird im Dunkeln bleiben. Aufgrund der Verständigung zog Weinmann ihren Antrag auf Enttarnung des V-Mannes zurück.
Die Kammer verurteilt Ertugul B. schließlich zu vier Jahren Haft. Adnan E. muss für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Nicole K. bekommt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, weil das Gericht bei ihr von einem minderschweren Fall ausgeht. Beide Männer werden außerdem für längere Zeit in einer Therapieeinrichtung untergebracht.