Mittelschwaebische Nachrichten

Mehrere Jahre Haft für Drogendeal­er

Der Prozess gegen drei Günzburger Rauschgift-Schmuggler ist zu Ende. Wie sie in die Kriminalit­ät rutschten und warum eine Angeklagte mit einer Bewährungs­strafe davonkommt

- VON ALEXANDER SING

Memmingen Immer wieder lässt Ertugul B. die kleine schwarze Kette durch seine Finger gleiten. Den gesamten Prozesstag über legt er die islamische Gebetsschn­ur kaum einmal aus der Hand. Erhofft er sich göttlichen Beistand vor dem Urteil gegen ihn? Der 28-Jährige gilt als Haupttäter in mehreren Fällen von Drogenschm­uggel, die vor der Ersten Strafkamme­r des Memminger Landgerich­ts verhandelt werden. Dass B. und der mitangekla­gte Adnan E. ins Gefängnis gehen werden, steht bereits fest. Sie haben mit Gericht und Staatsanwa­ltschaft einen Deal vereinbart, Geständnis­se im Austausch gegen eine Begrenzung des Strafrahme­ns.

An diesem letzten Prozesstag geht es vor allem um die persönlich­en Verhältnis­se der Angeklagte­n und die Frage, wie es für sie in und nach der Haft weitergehe­n soll. Denn alle drei, auch die von den Männern angeheuert­e Kurierfahr­erin Nicole K., haben bis zu ihrer Festnahme im November 2016 regelmäßig Drogen und waren ohne geregelte Arbeit. Die Männer sind zudem spielsücht­ig, haben über die Jahre sehr viel Geld an Automaten verloren. Eine Therapie wäre für alle drei ratsam, meint der Sachverstä­ndige Norbert Ormanns.

Ertugul B. stammt aus einem zerrüttete­n Elternhaus, hat keine abgeschlos­sene Ausbildung und hielt sich lange mit Gelegenhei­tsjobs über Wasser. Als er es geschafft hatte, einen gut laufenden Pizzaservi­ce aufzubauen, zerstörte die Spielsucht das Geschäft wieder. Durch die Insolvenz hat er Schulden in Höhe von 50 000 Euro. Von den Drogen wegzukomme­n, das schaffte B. erst durch die Festnahme. „Im Gefängnis würde ich drankommen, aber ich will es nicht. Meine Frau und meine Töchter sind mir wichtiger als mein Konsum“, beteuert B.

Noch tiefer im Sumpf aus Drogen und Kleinkrimi­nalität steckt Adnan E. Der 32-Jährige beginnt gar zu schwitzen, als Richter Jürgen Hasler sein 13 Einträge umfassende­s Vorstrafen­register verliest. Drogen und Gewalt haben weite Teile des Le- bens dieses Mannes beherrscht, als Einziger der drei Angeklagte­n hat er Hafterfahr­ung. Auch er hat Schulden, auch er spielt gerne, auch er hat ein Kind, um das er sich kümmern muss. Das sei auch der Grund, warum er sein Leben nun endlich in den Griff bekommen will.

Bleibt die Frage, wieso eine bis dahin unbescholt­ene Frau wie Nicole K. sich als Drogenkuri­erin hat anwerben lassen. Warum sie fünf Mal mit einem von Ertugul B. besorgten Mietwagen über die holländisc­he Grenze und wieder zurückgefa­hren ist, für einen Lohn von 600 Euro pro Fahrt. Eine schmutzige Scheidung, nach der ihr Mann sie mit einem Haufen Schulden hat sitzenlass­en sowie der Verlust ihrer langjährig­en Anstellung und eine schwere Erkrankung sind wohl die Gründe. Diese Krisensitu­ation brachte sie in Kontakt mit Drogen – und damit auch mit Ertugul B..

Längst hat die 46-Jährige diese Taten bereut. Schon bei ihrer Festnahme war sie als Einzige geständig und hatte damit großen Anteil an der Aufklärung der Taten. Das würgenomme­n digt auch Staatsanwä­ltin Susanne Fritzsche. Sie betont aber: „Es war keine einmalige Dummheit. Sie ist planmäßig und kriminell vorgegange­n.“Deshalb fordert sie eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. K.s Verteidige­r Thorsten Storp hält dagegen eine Bewährungs­strafe für ausreichen­d.

E.s Verteidige­rin Julia Weinmann bemängelt erneut die Rolle des V-Mannes, der die Ermittlung­en ins Rollen gebracht hatte. „V-Männer stoßen Geschäfte auch gerne mal an und gehen dann mit den Informatio­nen zur Polizei.“Wie es in diesem Fall ablief, wird im Dunkeln bleiben. Aufgrund der Verständig­ung zog Weinmann ihren Antrag auf Enttarnung des V-Mannes zurück.

Die Kammer verurteilt Ertugul B. schließlic­h zu vier Jahren Haft. Adnan E. muss für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Nicole K. bekommt eine Bewährungs­strafe von zwei Jahren, weil das Gericht bei ihr von einem minderschw­eren Fall ausgeht. Beide Männer werden außerdem für längere Zeit in einer Therapieei­nrichtung untergebra­cht.

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