Mittelschwaebische Nachrichten

Die dunkle Seite des Sees

Tina Schlegel sorgt bei der Lesung aus ihrem Bodensee-Krimi für gespannte Stille. Das hat mit der detailreic­hen Beschreibu­ng, ihrer Erzählkuns­t und der Bekannthei­t des Ortes zu tun

- VON CLAUDIA BADER

Krumbach Nahezu täglich erfährt man in den Medien von Mord und Straftaten oder verfolgt in Fernsehkri­mis mysteriöse Fälle. Wenn sich diese nicht in entfernten Städten oder Gebieten, sondern in bekannter Umgebung ereignen, ist das Interesse natürlich viel größer. Bei der im Rahmen des Literaturh­erbstes organisier­ten Lesung von Tina Schlegel in der Buchhandlu­ng „Lesen Schenken Vogt“konnte man die knisternde Spannung spüren. Denn der neue Kriminalro­man der Journalist­in und Autorin „Die dunkle Seite des Sees“spielt in Konstanz sowie der vielen Menschen vertrauten Gegend mit Schauplätz­en rund um den Bodensee.

Aufmerksam­e Stille herrscht im Raum, als Tina Schlegel in die schwüle Atmosphäre eines Jahrhunder­tsommers entführt. Mit bildhaften Beschreibu­ngen, zum Beispiel der im Rhein ihre Bahnen ziehenden Ruderer, lässt sie die Bodensee-Gegend zum Leben erwachen. Als effektvoll­en Kontrast schildert die Autorin auch die Stimmung im Krankenhau­szimmer, in dem der von einem Trauma schwer gekenn- zeichnete Hauptkommi­ssar Paul Sito mit gemischten Gefühlen seiner Entlassung entgegensi­eht. Parallel dazu stellt die Autorin auch Roman Enzig vor. Zuhörern, die zuvor den Roman „Schreie im Nebel“gelesen haben, ist der Kriminalps­ychologe und Profiler bereits bekannt. Sie können auch den Satz „Dieser Fall hat sie alle verändert“nachvollzi­ehen. Alle anderen lassen sich die Charaktere der beiden Ermittler von der Autorin langsam entschlüss­eln.

Da sich der als Dauergast in einer Konstanzer Pension wohnende Enzig verantwort­lich für seinen Kollegen Sito fühlt, fährt er ihn in sein Haus im Ortsteil Egg und organisier­t eine Begrüßungs­party im Kommissari­at. Als Überraschu­ng bekommt der Hauptkommi­ssar den kleinen Hund Zeus geschenkt. Mit atmosphäri­sch klarer Sprache lässt Tina Schlegel die Zuhörer in die von der Vergangenh­eit stark beeinfluss­te Gedankenwe­lt Sitos blicken („Das ständige Wiederkehr­en der Tage könnte einem Angst machen“). Immer wieder bezieht die Autorin ihre Zuhörer auch in die düstere Verwirrthe­it und philosophi­schen Ausführung­en eines Unbekannte­n mit ein, der „den zum Vorwurf geronnenen Blick des abgetrennt­en Kopfes einer jungen Frau“beschreibt.

Zwischendu­rch führt Tina Schlegel ihren aufmerksam­en Zuhörern immer wieder mit der Beschreibu­ng von Häusern oder Straßen örtliche Gegebenhei­ten klar vor Augen und gibt Einblicke in die Psyche sowie das Liebeslebe­n der beiden Ermittler. Dass die Bibliothek an der Konstanzer Uni von einem Brand betroffen wurde, erweist sich mit Blick auf den Fund eines Frauenkopf­es am Rheinufer eher als Nebensächl­ichkeit. Bei fast atemloser Stille im Raum können die Zuhörer eintauchen in diesen komplexen Kriminalro­man voller bedrohlich­er Dimensione­n und Wendungen. Die Bilder kann sich jeder bei geschlosse­nen Augen selber vorstellen. Natürlich lädt dieser kurze, aber atemberaub­end spannende Einblick in den Kriminalro­man „Die dunkle Seite des Sees“zum Weiterlese­n ein.

 ?? Foto: Bader ?? Im Anschluss an die Lesung aus ihrem Kriminalro­man „Die dunkle Seite des Sees“un terzeichne­te Autorin Tina Schlegel gern ihre Bücher.
Foto: Bader Im Anschluss an die Lesung aus ihrem Kriminalro­man „Die dunkle Seite des Sees“un terzeichne­te Autorin Tina Schlegel gern ihre Bücher.

Newspapers in German

Newspapers from Germany