Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Kloster voller Kreuze
In Roggenburg sind Stücke aus vergangenen Jahrhunderten und Werke zeitgenössischer Künstler zu sehen – auch aus der Region
Roggenburg Vortragekreuze – normalerweise bei Prozessionen, Wallfahrten oder Trauerzügen wichtiges liturgisches Element – stehen jetzt im Zentrum einer Ausstellung im Haus der Kunst und Kultur. Sowohl Kreuze aus vergangenen Jahrhunderten als auch Werke zeitgenössischer Künstler sind zu sehen und zeigen, wie vielfältig die Konnotationen sind, die im Wandel der Zeit mit dem Kreuz verbunden werden.
„Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben“, so ist die Ausstellung getauft, in deren Zentrum Werke zeitgenössischer Künstler stehen: Es sind 18 Wettbewerbsbeiträge, darunter drei preisgekrönte, als Kern der gezeigten Stücke. Mit ihrem Wettbewerb „ars liturgica“hatte das Bistum Essen 2015 wiederholt Mal das Augenmerk auf Sakralobjekte gerichtet: Es sollte ein Vortragekreuz für die Pfarrei St. Josef in Essen-Frintrop entworfen werden. Wettbewerbs-Initiator und Prämonstratenserpater Philipp Reichling war von dort zur Vernissage nach Schwaben gekommen.
Er gehörte der Jury an, die aus insgesamt 50 Beiträgen drei Preisträger ausgewählt hat. Favorit wurde ein Entwurf des Berliner Künstlers Peter Sandhaus von beeindruckender Klarheit: Sein Kreuz besteht aus vielen kleinen Kreuzen, allesamt aus vergoldetem Kunststoff per 3-D-Druck gefertigt und zu einem filigranen Netz komponiert. Das an ein Kruzifix erinnernde, hohle Kreuz reflektiert das Licht dank seiner glänzenden Oberfläche, lässt aber die Umgebung durchscheinen. Nicht im Original, sondern als Modell, gezeigt wird ein weiterer Preisträger, ein kontrastreich gestaltetes, hölzernes Kreuz von Gerlach Bente, das den Passionscharakter des Kreuzes, gleichzeitig aber die Idee der Erlösung augenfällig macht.
Ganz andere Ideen hatte Künstlerin Dorothea Kirsch, die ein Kreuz aus Nadelholzdielen mit goldfarbenen Pralinenverpackungen und einem Tuch aus Teebeutelpapier kombiniert. Oder Dorothee Aschoff, die ihr Kreuz aus Büttenpapier und Dokumenten der Kirchengemeinde St. Josef gebaut hat, Schicht für Schicht und mit Kunstharz in stabile Form gebracht.
Direkten Bezug zur Umgebung des Klosters stellt die Roggenburger Ausstellung durch ergänzende Stücke her: Kreuze aus den Kirchen der Umgebung und dem Konvent sind da zu sehen. Historische Vortragekreuze etwa aus Meßhofen, Schießen, Biberberg und Biberachzell, die viele Kirchgänger von Prozessionen und Flurumgängen kennen. Biberachzell ist mit einem besonderen Stück vertreten: Das Vortragekreuz aus der dortigen Kirche zeigt keinen Christus am Kreuz, sondern einen Totenschädel samt Knochen. Biberberg ist mit einem Tafelbild vertreten, das die Gläubigen am angestammten Platz im Gotteshaus nur schwer sehen können: Die Darstellung eines langen Zuges aus Menschen, von denen jeder Einzelne sein individuelles Kreuz auf dem Rücken trägt. „Im Kreuz ist Bewegung, wir folgen ihm nach“, formuliert es Pater Roman Löschinger, Leiter des Bildungszentrums, der die Leihgaben aus Essen nach Rog- genburg geholt und die Schau mit Stücken aus Roggenburg ergänzt hat. Die Prämonstratenser haben schließlich eine ganz eigene Geschichte in Bezug auf das Kreuz, geschah die Gründung des ersten Prämonstratenser-Klosters doch der Legende nach auf eine Kreuzes-Vision des Stifters Norbert von Xanten hin. Und so sind unter den Ausstellungsstücken auch Darstellungen dieses Ereignisses, zwei Kupferstiche der Augsburger Gebrüder Klauber. Als Foto ist auch ein Vortragekreuz aus der Roggenburger Klosterkirche präsent. Das Original ist ja vor dem Hochaltar, zu besichtigen. Doch auch in anderer Weise haben sich die Chorherren in die Ausstellung eingebracht: In einem der Räume zeigen sie Wandkreuze aus persönlichem Besitz, die sonst im Konvent hängen und manche Veränderung im Stillen begleitet haben.