Mittelschwaebische Nachrichten
„Reichsbürger“unter Beobachtung
In den Kreisen Günzburg und Neu-Ulm gehören etwa 100 Personen der Szene der Staatsverweigerer an. Einen Teil davon hält die Polizei für potenziell gefährlich
Landkreis/Ulm Nach dem Urteil gegen einen Polizistenmörder am Landgericht Nürnberg-Fürth zu lebenslanger Haft rückt die Szene der „Reichsbürger“erneut stärker ins Visier der Sicherheitsbehörden. Denn der 50-Jährige, der vor einem Jahr beim Einsatz eines Spezialkommandos in Franken einen Polizeibeamten erschoss, gehört zu der Gruppe von Staatsverweigerern, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre Institutionen ablehnen und teilweise gewaltbereit sind. Im Zuständigkeitsbereich der Kriminalpolizei Neu-Ulm gibt es etwa 100 Personen, die dem Spektrum der „Reichsbürger“zugerechnet werden. Einen Teil davon hält die NeuUlmer Polizei für potenziell gefährlich. „Die Polizei hat ein Auge drauf“, sagt Ulrich Polzmacher, Leiter des Kommissariats Staatsschutz.
Schwere Straftaten oder gar ein Tötungsdelikt wie in Franken wurden durch „Reichsbürger“in der Region zwar bislang nicht verübt. Bei einem Teil der Personen, die der Szene zurechnet werden, hält die Polizei aber Gewalttaten für möglich. Bei Vollstreckung von Haftbefehlen sei es bereits zu Widerstandshandlungen gekommen, schildert Ulrich Polzmacher. Eine Straftat, die häufig verübt werde, sei versuchte Erpressung. Wenn „Reichsbürger“angezeigt oder vorgeladen werden, wehren sie sich beispielsweise mit einem selbst ausgestellten Bußgeldbescheid und drohen damit, den betroffenen Beamten in ein Schuldenregister eintragen zu lassen und die „Verstöße“öffentlich zu machen. Dabei werden oft irrwitzige Summen ins Spiel gebracht. „Mein Kollege hat schon einen Schuldenstand von 22 Millionen“, schildert Polzmacher ein Beispiel.
Polizeibeamte könnten mit solchen Drohungen und Einschüchterungsversuchen meist noch gut umgehen, aber Mitarbeiter einer kleinen Gemeinde, die mit so etwas nicht rechneten, würden so oft in Angst und Schrecken versetzt. Das sei die typische Masche der „Reichsbürger“, sagt Polzmacher. „Die große Masse kocht ihr eigenes Süppchen.“Das heißt, sie sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht, zahlen keinen Rundfunkbeitrag, geben ihren Ausweis ab, beschaffen sich selbst gebastelte Fantasiedokumente, schikanieren Mitarbeiter in Behörden. Den Staat halten sie für eine GmbH, Polizisten für Söldner.
Von den gut 100 „Reichsbürgern“in den Kreisen Neu-Ulm und Günzburg stuft die Polizei etwa ein Dutzend als „Hardcore-Leute“ein, die vollkommen verblendet seien und nur noch in ihrer eigenen Welt lebten. „Die darf man nicht unterschätzen“, sagt Ulrich Polzmacher.
Gerichtsverhandlungen gegen