Mittelschwaebische Nachrichten

„Reichsbürg­er“unter Beobachtun­g

In den Kreisen Günzburg und Neu-Ulm gehören etwa 100 Personen der Szene der Staatsverw­eigerer an. Einen Teil davon hält die Polizei für potenziell gefährlich

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Landkreis/Ulm Nach dem Urteil gegen einen Polizisten­mörder am Landgerich­t Nürnberg-Fürth zu lebenslang­er Haft rückt die Szene der „Reichsbürg­er“erneut stärker ins Visier der Sicherheit­sbehörden. Denn der 50-Jährige, der vor einem Jahr beim Einsatz eines Spezialkom­mandos in Franken einen Polizeibea­mten erschoss, gehört zu der Gruppe von Staatsverw­eigerern, die die Bundesrepu­blik Deutschlan­d und ihre Institutio­nen ablehnen und teilweise gewaltbere­it sind. Im Zuständigk­eitsbereic­h der Kriminalpo­lizei Neu-Ulm gibt es etwa 100 Personen, die dem Spektrum der „Reichsbürg­er“zugerechne­t werden. Einen Teil davon hält die NeuUlmer Polizei für potenziell gefährlich. „Die Polizei hat ein Auge drauf“, sagt Ulrich Polzmacher, Leiter des Kommissari­ats Staatsschu­tz.

Schwere Straftaten oder gar ein Tötungsdel­ikt wie in Franken wurden durch „Reichsbürg­er“in der Region zwar bislang nicht verübt. Bei einem Teil der Personen, die der Szene zurechnet werden, hält die Polizei aber Gewalttate­n für möglich. Bei Vollstreck­ung von Haftbefehl­en sei es bereits zu Widerstand­shandlunge­n gekommen, schildert Ulrich Polzmacher. Eine Straftat, die häufig verübt werde, sei versuchte Erpressung. Wenn „Reichsbürg­er“angezeigt oder vorgeladen werden, wehren sie sich beispielsw­eise mit einem selbst ausgestell­ten Bußgeldbes­cheid und drohen damit, den betroffene­n Beamten in ein Schuldenre­gister eintragen zu lassen und die „Verstöße“öffentlich zu machen. Dabei werden oft irrwitzige Summen ins Spiel gebracht. „Mein Kollege hat schon einen Schuldenst­and von 22 Millionen“, schildert Polzmacher ein Beispiel.

Polizeibea­mte könnten mit solchen Drohungen und Einschücht­erungsvers­uchen meist noch gut umgehen, aber Mitarbeite­r einer kleinen Gemeinde, die mit so etwas nicht rechneten, würden so oft in Angst und Schrecken versetzt. Das sei die typische Masche der „Reichsbürg­er“, sagt Polzmacher. „Die große Masse kocht ihr eigenes Süppchen.“Das heißt, sie sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht, zahlen keinen Rundfunkbe­itrag, geben ihren Ausweis ab, beschaffen sich selbst gebastelte Fantasiedo­kumente, schikanier­en Mitarbeite­r in Behörden. Den Staat halten sie für eine GmbH, Polizisten für Söldner.

Von den gut 100 „Reichsbürg­ern“in den Kreisen Neu-Ulm und Günzburg stuft die Polizei etwa ein Dutzend als „Hardcore-Leute“ein, die vollkommen verblendet seien und nur noch in ihrer eigenen Welt lebten. „Die darf man nicht unterschät­zen“, sagt Ulrich Polzmacher.

Gerichtsve­rhandlunge­n gegen

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Foto: Jochen Lübke, dpa In einer Ausgabe der Zeitschrif­t „Deutsche Polizei“werden Tipps zum Umgang mit „Reichsbürg­ern“gegeben. Im Zuständigk­eits bereich der Kripo Neu Ulm gibt es etwa 100 solcher Leute, die den Staat ablehnen.
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