Mittelschwaebische Nachrichten

Warum Klimakonfe­renzen wenig bringen, aber nötig sind

Die Staaten der Welt beraten in Bonn über die Verteilung der Lasten im Klimaschut­z. Und darüber, wie es nach dem Ausscheren der USA weitergehe­n soll

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wer erinnert sich noch an Marrakesch? In der marokkanis­chen Stadt wurden vor genau einem Jahr die „Festspiele“um die Erderwärmu­ng zelebriert, genannt Weltklimak­onferenz. Tausende Teilnehmer debattiert­en und stritten zwei Wochen lang. Was dabei herauskam? Man solle, so hieß es zum Schluss, früher als im Pariser Klimavertr­ag von 2015 geplant, bereits 2017 in Bonn mit der Überprüfun­g der freiwillig­en Klimaschut­zzusagen der einzelnen Staaten beginnen. Wohlan! Auf der am Montag startenden Bonner Weltklimak­onferenz beginnt die Prüfungsph­ase. Eine Revolution wird auch dieses KlimaSpekt­akel also kaum auslösen.

Warum ist die Mega-Konferenz trotzdem wichtig? Weil in einer Welt von mehr als 190 Staaten nur so der Kampf gegen die durch menschlich­e Aktivitäte­n ausgelöste Klimaerwär­mung am Leben erhalten werden kann. Alle Staaten sind, wenn auch unterschie­dlich stark, für den Ausstoß von Kohlendiox­id verantwort­lich, das die globale Erwärmung mit katastroph­alen Klimafolge­n auslöst. Keiner kann alleine das Klima schützen. Jeder, ausgenomme­n die Entwicklun­gsländer, muss seine Last tragen.

Im Pariser Klimaabkom­men haben die Staaten mehr Eigenveran­twortung übernommen. Sie definieren jetzt selbst ihren nationalen Beitrag zum globalen Klimaschut­z. Obergrenze­n für Kohlendiox­id und andere Schadgase, wie sie einst im Kyoto-Protokoll festgelegt waren, gibt es nicht mehr. Deswegen benötigt man nun Instrument­e, um die Zusagen vergleiche­n und bewerten zu können. Diese sollen in Bonn erarbeitet werden.

Auch wenn Staaten die Akteure im Klimaschut­z sind, so geht es dort doch allzu menschlich zu. Keiner will der Dumme sein, der sich über alle Maßen anstrengt, während sein Nachbar die Hände in den Schoß legt. Da Klimaschut­z in der Regel Geld kostet, geht es schließlic­h auch um Vor- und Nachteile im wirtschaft­lichen Wettbewerb und um den Lebensstan­dard der Bürger.

Keine Regierung der Welt will ihrer Bevölkerun­g Kosten oder Verhaltens­änderungen zumuten, wenn es nicht die anderen ebenfalls tun. Am deutlichst­en ist das bei der US-Regierung zu sehen, seit Präsident Donald Trump den nationalen Egoismus („America first“) zum obersten Dogma erhoben hat. Trump bezweifelt die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se zum Klimawande­l und fürchtet, die USA könnten gegenüber China ins Hintertref­fen geraten – daher steigt er aus dem Pariser Vertrag aus.

Das Ausscheren des amerikanis­chen Schlachtsc­hiffs hat den internatio­nalen Geleitzug, der sich zum Kampf gegen den Klimawande­l aufgemacht hat, erheblich geschwächt. Jetzt müssen Europa und China die Führungsro­lle übernehmen. Doch können sie das?

Wenn Europa vorangehen soll, muss Deutschlan­d seinen Beitrag bringen. Aber es sieht schlecht aus. Die meisten Klimaschut­z-Punkte hat die Bundesrepu­blik, man muss es so hart sagen, mit dem Zusammenbr­uch der DDR gemacht. Seither läuft nicht mehr viel, sieht man vom Erfolgspro­jekt der energiespa­renden Haussanier­ung ab. Der Verkehr wurde nicht gebändigt. Im Energiesek­tor legten zwar Windund Sonnenkraf­t spektakulä­r zu, aber es wird auf Jahre hinaus nicht ohne die Kohle gehen. Atom- und Kohle-Ausstieg gleichzeit­ig, das konnte nicht funktionie­ren.

2016 ist, global betrachtet, die Kohlendiox­id-Konzentrat­ion in der Atmosphäre so schnell gestiegen wie noch nie – und das nach einem Vierteljah­rhundert internatio­naler Klimaschut­zpolitik. Das ist niederschm­etternd! Es ist höchste Zeit, das Steuer herumzuwer­fen. In Bonn wird das noch nicht gelingen. Aber vielleicht glückt wenigstens eine präzisere Kursbestim­mung.

Deutschlan­d hat stark nachgelass­en

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