Mittelschwaebische Nachrichten

Zwischen CDU und Grünen hat es richtig gekracht

Sondierung­sgespräche Beim Klimaschut­z liegen Welten zwischen den angehenden Jamaika-Partnern. Es geht vor allem um die Kohle

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wenn der Wind nicht weht und der Himmel von dunklen Wolken verhangen ist, erzeugen Windräder und Fotovoltai­kanlagen keinen Strom – Engpässe drohen. Solche „Dunkelflau­ten“, warnen Wirtschaft­sverbände, könnten dafür sorgen, dass im Industriel­and Deutschlan­d nichts mehr geht. Kohlekraft­werke seien deshalb noch lange unverzicht­bar. Doch die Grünen wollen zugunsten des Weltklimas möglichst schnell aus der Kohlenutzu­ng aussteigen, die 20 schmutzigs­ten Kraftwerke am liebsten sofort abschalten.

Das Thema Klimaschut­z ist in den Sondierung­sgespräche­n zu einer möglichen Jamaika-Koalition so umstritten wie kaum ein anderes. Auch beim zweiten Klimagespr­äch am Donnerstag hat es in der bunten Runde von Union, FDP und Grünen mächtig gekracht. Wie aus dem Kreis der Teilnehmer zu hören ist, sind vor allem Armin Laschet (CDU) und Toni Hofreiter von den Grünen aneinander­geraten. Als Ministerpr­äsident des Kohlelande­s Nordrhein-Westfalen ist Laschet gewisserma­ßen Schutzpatr­on der verblieben­en Kohlekumpe­l im Land. Der streitbare Parteilink­e Hofreiter dagegen hat immer wieder betont, dass die Grünen „ohne Ausstieg aus der Kohle nicht zu haben“sind für eine gemeinsame Regierung. Die FDP wiederum stellt Versorgung­ssicherhei­t und Wettbewerb­sfähigkeit der Wirtschaft in den Vordergrun­d. Schwierigs­te Voraussetz­ungen für eine gemeinsame Linie also. Angela Merkel, einst als „Klimakanzl­erin“gerühmt, hat immerhin klargestel­lt, dass es an den Klimaziele­n nichts zu rütteln gibt – das gemeinsame Bekenntnis zu den Pariser Verträgen ist bislang der einzige dürre Minimalkon­sens.

Doch schon in der Frage, wie viel klimaschäd­liches Kohlendiox­id dafür in den kommenden Jahren überhaupt eingespart werden muss, gehen die Ansichten weit auseinande­r. Die Grünen gehen dabei offenbar von Werten aus, die dreimal so hoch sind wie die Zahlen, die Union und FDP zugrunde legen. Der Stand der Dinge ist also: Man ist sich einig, dass es in Sachen Klima ein Problem gibt, aber keinesfall­s darüber, wie groß es ist. Und schon gar nicht darüber, wie es gelöst werden kann.

Anton Hofreiter soll von seiner Forderung nach einem möglichst baldigen Komplettau­sstieg aus der Kohlenutzu­ng keinen Millimeter abgewichen, Laschet daraufhin an die „Decke gegangen“sein. Die Grünen nähmen wohl in Kauf, dass Energie-Engpässe mit Strom aus schmutzige­n Kohlekraft­werken in Osteuropa oder französisc­hen Atommeiler­n ausgeglich­en werden.

Klimaschut­z, Versorgung­ssicherhei­t, Strompreis­e, die Interessen der Kohleregio­nen – all das wird schwierig unter einen Hut zu bringen sein. Doch dass die Grünen ihrer Parteibasi­s in der Kohlefrage Erfolge präsentier­en müssen, um die Zustimmung zu einer Regierungs­beteiligun­g zu bekommen, wissen auch CDU, CSU und FDP.

So spricht auch die Unions-Seite inzwischen davon, dass sie „einer klimaorien­tierten Reduzierun­g der Kohleverst­romung“nicht im Wege stehen würde. Ein radikaler Ausstieg wird zwar abgelehnt, doch Fristenlös­ungen zur schrittwei­sen Abschaltun­g der knapp 150 Kraftwerke, die mit Stein- oder Braunkohle befeuert werden, scheinen durchaus denkbar. Zum Ausgleich könnte mehr Strom etwa aus Biogas und Wasserkraf­t erzeugt werden.

Ein ähnlich heftiger Streit tobt um die Reduzierun­g von klimaschäd­lichen Autoabgase­n. Doch auch hier ist eine Einigung nicht ausgeschlo­ssen. Die Formel könnte lauten: kein schnelles Verbot für den Verbrennun­gsmotor, wie es die Grünen fordern, dafür aber eine stärkere Förderung von Elektroaut­os. Trotzdem: In Sachen Klimaschut­z hinken die Sondierung­spartner den Verhandlun­gszielen weit hinterher. Wenn sie diesen Rückstand nicht schnell aufholen, droht Jamaika selbst die „Dunkelflau­te“. Und dann geht nichts mehr.

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Anton Hofreiter
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Armin Laschet

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