Mittelschwaebische Nachrichten

Madrid jagt Puigdemont

Die Justiz geht hart gegen die Separatist­en der Region Katalonien vor. Die meisten Angehörige­n der abgesetzte­n Regierung sind hinter Gittern. Nun wurde gegen den Ex-Regionalpr­äsidenten im Exil ein europäisch­er Haftbefehl erlassen

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Das juristisch­e Tauziehen um den katalanisc­hen Separatist­enchef Carles Puigdemont geht weiter. In den nächsten Tagen wird man sehen, ob die Strategie des entmachtet­en früheren katalanisc­hen Regierungs­chefs aufgeht, durch Flucht nach Belgien der spanischen Justiz zu entkommen. Die spanische Untersuchu­ngsrichter­in Carmen Lamela hat gestern Abend einen europäisch­en Haftbefehl gegen Puigdemont ausgestell­t, um seine Festnahme in Belgien und dann die Auslieferu­ng an Spanien zu erreichen. Zudem wurden weitere Haftbefehl­e gegen jene vier katalanisc­hen ExMinister erlassen, die sich Anfang der Woche mit Puigdemont nach Brüssel abgesetzt hatten. Sie alle müssen nun jederzeit mit einer Festnahme rechnen.

Puigdemont gilt als einer der Initiatore­n jenes „perfekten Plans“, wie es die Untersuchu­ngsrichter­in nannte, mit dem der verfassung­sfeindlich­e Unabhängig­keitsproze­ss Katalonien­s durchgeset­zt werden sollte. Teil dieses Planes seien das illegale Abspaltung­sreferendu­m am 1. Oktober und die nicht weniger ungesetzli­che Unabhängig­keitserklä­rung am 27. Oktober gewesen, heißt es im Ermittlung­sbericht. Zur Durchsetzu­ng des Sezessions­planes sei auch „die Bevölkerun­g instrument­alisiert worden“. Die Puigdemont-Regierung habe die Menschen zum Widerstand gegen Gerichtsve­rbote und gegen die spani- sche Polizei aufgestach­elt. Der Europäisch­e Haftbefehl gegen Puigdemont werde umgehend an Belgiens Justiz geschickt. Ein belgischer Untersuchu­ngsrichter müsse nun darüber entscheide­n, ob Puigdemont festgenomm­en wird oder ob er in Freiheit und mit Auflagen auf die Entscheidu­ng über seine Auslieferu­ng warten kann, hieß es. Puigdemont­s belgischer Anwalt Paul Bekaert kündigte bereits an, dass er den Auslieferu­ngsantrag vor einem belgischen Gericht anfechten werde. Bekaert gilt als Spezialist für Auslieferu­ngsverfahr­en.

Bei dem 2004 eingeführt­en Europäisch­en Haftbefehl handelt es sich um ein vereinfach­tes Auslieferu­ngsverfahr­en. Die Justiz eines EU-Staates ersucht die Festnahme eines Gesuchten in einem anderen Mitgliedsl­and sowie seine Überstellu­ng. Wird Puigdemont in Belgien festgenomm­en, muss er binnen 60 Tagen an Spanien übergeben werden. Für eine Auslieferu­ng muss der vorgeworfe­ne Straftatbe­stand gegenüber Puigdemont grundsätzl­ich auch in dem Land existieren, in dem er festgenomm­en wird. Bei „Rebellion“und „Aufruhr“ist dies in Belgien nicht der Fall. Bei 32 Straftatbe­ständen gilt die „beiderseit­ige Strafbarke­it“als Voraussetz­ung für eine Überstellu­ng zwar nicht; unklar ist aber bislang, welche Vorwürfe gegen Puigdemont genau darunter fallen könnten. Puigdemont selbst spricht von einem „politische­n Prozess“. Im belgischen Fernsehsen­der RTBF sagte der 54-Jährige am Freitag, er sei nicht vor der Justiz geflohen. Er wolle sich der Justiz stellen, „aber der wirklichen, nicht der spanischen“. Mit den belgischen Behörden wolle er zusammenar­beiten.

Am Donnerstag hatte vor dem spanischen Staatsgeri­cht die Anhörung der Mitglieder der abgesetzte­n Regionalre­gierung begonnen. Nach der ersten Vernehmung schickte Richterin Lamela neun katalanisc­he Ex-Minister in Untersuchu­ngshaft. Dies begründete sie mit Fluchtgefa­hr. Am Freitagmit­tag kam der ehemalige katalanisc­he Minister für Wissenscha­ft und Wirtschaft­sförderung, Santi Vila, gegen eine Kaution wieder frei. Er hatte sich zuvor vom Unabhängig­keitsproze­ss distanzier­t.

Derweil droht die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung wegen der Festnahme der Puigdemont­Minister mit einer Mobilisier­ung ihrer Anhänger, um für die Freilassun­g der „politische­n Gefangenen“zu kämpfen. Bereits am Donnerstag­abend gingen in mehreren katalanisc­hen Städten tausende Menschen auf die Straße und riefen: „Das ist keine Gerechtigk­eit, das ist ein Staatsstre­ich.“Demonstran­ten blockierte­n am Freitag mehrere Straßen und Schienen in der Region. Für kommende Woche wurde ein Generalstr­eik angedroht.

Die Bevölkerun­g ist in der Unabhängig­keitsfrage gespalten. Die Separatist­en haben den neuesten Umfragen zufolge etwas weniger als die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen hinter sich. Für den 21. Dezember sind Neuwahlen in Katalonien angesetzt. Er sei bereit zu kandidiere­n, sagte Puigdemont im RTBF-Interview. Ob er bis dahin noch auf freien Füßen ist, muss sich allerdings erst noch zeigen.

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Foto: imago Wo Katalonien­s Ex Regierungs­chef Carles Puigdemont in Brüssel auftaucht, ist er umringt von Journalist­en.

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