Mittelschwaebische Nachrichten

Problemfal­l Plastiktüt­chen

„Normale“Plastiktüt­en findet man kaum noch in Supermärkt­en. Doch die Beutel für Obst und Gemüse werden noch immer milliarden­fach verbraucht. Ein Konzern will das ändern

- Erich Reimann, dpa

Köln Die „klassische“Plastiktüt­e hat in deutschen Supermärkt­en inzwischen Seltenheit­swert. Rewe, Aldi, Lidl und auch viele Edeka-Händler haben die umweltschä­dliche Tragehilfe inzwischen aus ihren Läden verbannt. Dennoch werden in den Supermärkt­en zwischen Kiel und München immer noch täglich Millionen Plastiktüt­en verbraucht – jene nämlich, die Kunden zum Verpacken von Obst und Gemüse nehmen. Eine große Supermarkt­kette will das Problem nun angehen.

Im Fachjargon werden die dünnen, durchsicht­igen Plastiktüt­chen Knotentüte­n genannt. Nach Schätzunge­n der Umweltorga­nisation Nabu werden jährlich mehr als drei Milliarden dieser Beutel verbraucht, nicht nur für Obst und Gemüse, sondern auch für Wurst, Fleisch oder Käse an den Bedienthek­en.

Die Kölner Supermarkt­kette Rewe will das ändern. „Rewe testet Verzicht auf Knotenbeut­el“, kündigte der Handelsrie­se kürzlich lautstark an. Das ist vielleicht etwas vollmundig formuliert. Denn von einer Abschaffun­g der dünnen Plastiktüt­chen ist auch Rewe weit entfernt. Der Handelsrie­se testet lediglich in rund 120 seiner über 3000 Märkte, ob die Kunden mit Flyern und Plakaten dazu gebracht werden können, seltener zu den Knotenbeut­eln zu greifen.

Manches Obst und Gemüse wie etwa Bananen oder Orangen sei „von Natur aus gut verpackt“und brauche eigentlich keinen Beutel, wirbt der Händler um Zurückhalt­ung. Und für die übrigen Produkte bietet Rewe in gut 100 der Testfilial­en neben den Knotenbeut­eln auch „Mehrweg-Frischenet­ze“aus Polyester an, die die Plastiktüt­chen ersetzen sollen. Allerdings muss der Kunde die Netze kaufen. Das Doppelpack kostet 1,49 Euro. Der Verbrauche­r kann diese Netze mehrfach verwenden, muss sie aber möglicherw­eise zwischendu­rch waschen. Offen ist, wie viele Verbrauche­r dazu im Interesse der Umwelt wirklich bereit sind.

Tatsächlic­h ist es in der Praxis für die Lebensmitt­elhändler deutlich schwierige­r, auf die dünnen Plastikbeu­telchen in den Gemüseabte­ilungen zu verzichten als auf die großen Plastiktüt­en an den Kassen. „Die Knotenbeut­el dienen ja nicht nur als Tragehilfe, sie dienen auch dem Produkt- und Hygienesch­utz“, er- klärt ein Rewe-Sprecher das Problem. Hinzu kommt: Im Vergleich zu vorverpack­ter Ware, wie sie in vielen Obst- und Gemüseabte­ilungen zu finden ist, sind die Knotenbeut­el bei zurückhalt­ender Nutzung ökologisch unbedenkli­cher als viele Alternativ­en. Für 500 Gramm Trauben in einer Verkaufssc­hale mit Deckel würden fast acht Mal so viel Kunststoff verbraucht wie für einen Knotenbeut­el, hat der Nabu schon 2014 errechnet.

Viele Händler tun sich mit der Suche nach einer Alternativ­lösung bislang schwer. Der Discounter Lidl etwa teilt mit, er arbeite an Alternativ­en: „Jedoch entspreche­n die derzeit am Markt angebotene­n Alternativ­en noch nicht unseren ökologisch­en, sozialen und wirtschaft­lichen

Eine Alternativ­e sind Mehrweg Frischenet­ze

Auch andere Händler suchen nach Auswegen

Ansprüchen.“Auch Aldi und Edeka sind nach eigenen Angaben auf der Suche nach Auswegen aus dem Knotenbeut­el-Dilemma – ohne jedoch bisher die Plastiktüt­chen aus den Geschäften verbannt zu haben. Die Supermarkt­kette Real bietet in einem Testmarkt in Krefeld in der Obst- und Gemüseabte­ilung statt der Plastikbeu­telchen nur noch braune Papiertüte­n an. Die Resonanz sei „sehr gut“.

Tatsächlic­h sind wohl viele kleine Schritte nötig, um den Plastikver­brauch in den Supermärkt­en weiter zu reduzieren. So bietet Rewe in Kürze bundesweit in seinen mehr als 3300 Märkten keine Bananen mehr in Plastikfol­ie an. Die Produktinf­ormationen – bio oder nicht, Chiquita oder Eigenmarke – stehen dann auf Klebeetike­tten oder Banderolen. Die Vorbereitu­ngen für diesen auf den ersten Blick simplen Schritt in Richtung unverpackt­er Ware hätten mehrere Jahre gedauert, betont das Unternehme­n.

Auch bei anderen Obstsorten versucht der Kölner Händler seit einiger Zeit, auf Kunststoff­verpackung­en zu verzichten – teilweise mit ungewöhnli­chen Methoden. So werden Bio-Avocados und Bio-Süßkartoff­eln seit einigen Monaten mittels eines Lasers mit einem Logo und weiteren Informatio­nen versehen. Dieser gebündelte Lichtstrah­l trägt Pigmente der äußersten Schalensch­icht ab und brennt dann sozusagen das Logo in die Frucht ein. Diese „natürliche“Kennzeichn­ung habe keinen Einfluss auf Geschmack, Qualität oder Haltbarkei­t, betont Rewe.

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Foto: Marcel Kusch, dpa Wer Obst kauft, packt es im Regelfall in ein Plastiktüt­chen. Drei Milliarden Exemplare werden so jährlich verkauft.

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