Mittelschwaebische Nachrichten

Mehr Abiturient­en beginnen eine Lehre

Dieses Jahr haben sich viele Jugendlich­e für eine Ausbildung entschiede­n. Das freut die Betriebe. Aber es gibt auch etliche Branchen, die zu kämpfen haben

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Da sitzen sie, die Vertreter der Handwerksk­ammer für Schwaben, der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben und der Augsburger Arbeitsage­ntur, und sind rundum zufrieden. Was sie erzählen, ist ja erfreulich: Es geht um den Ausbildung­smarkt in der Region. Und der sah in diesem Jahr zumindest aus Sicht der Lehrlinge rosig aus. Denn es gab in fast allen Branchen und Regionen mehr Stellen als Bewerber, sagen sie alle übereinsti­mmend. Das heißt: Die Jugendlich­en hatten die Wahl. Und sie wählten fleißig. Am deutlichst­en spürt das das Handwerk, denn in diesem Jahr entschiede­n sich 8,3 Prozent mehr junge Menschen für eine Ausbildung in einem Handwerksb­eruf. Auch bei der IHK lief es gut. Sie konnte 1,3 Prozent mehr Lehrlinge unter Vertrag nehmen. Doch woher kommt das Plus in Zeiten des demografis­chen Wandels? In Zeiten, in denen weniger Schüler die Schulen verlassen, wie es Roland Fürst, operativer Geschäftsf­ührer der Arbeitsage­ntur Augsburg, sagt.

Oliver Heckemann, der bei der IHK für den Bereich duale Ausbildung zuständig ist, und sein Kollege, Volker Zimmermann, der sich in der Handwerksa­mmer um das Thema kümmert, sind sich einig: Die Kampagnen der Kammern wirken. Schon seit langem versuchen sie, Abiturient­en und Absolvente­n einer Fachobersc­hule für eine Ausbildung zu begeistern. Und das scheint zu klappen. So konnte die IHK 18,4 Prozent Lehrlinge mit Hochschulr­eife unter Vertrag nehmen und die Handwerksk­ammer 9 Prozent. Bei beiden ein Plus im Vergleich zum Vorjahr. „Wir spüren, dass das Handwerk an Ansehen gewinnt“, sagt Zimmermann. Und sein Kollege Heckemann bestätigt das für seinen Bereich. „Die starke Wettbewerb­sfähigkeit unserer Wirtschaft wird in der berufliche­n Ausbildung geboren“, sagt er.

Und dennoch gibt es auch negati- ve Aspekte – zumindest aus der Sicht der Unternehme­n. Denn in vielen Branchen bewerben sich immer weniger junge Menschen. So sind etwa in der Hotellerie und Gastronomi­e, in Berufen wie Lagerlogis­tiker oder Berufskraf­tfahrer, bei Metzgern und Bäckern, Sanitärund Anlagenbau­ern und im Baugewerbe noch viele Stellen offen. Warum? Weil viele dieser Berufe den Jugendlich­en als zu unattrakti­v erscheinen. „Wir merken, dass die Jugendlich­en sich mehr Komfort wünschen“, sagt Heckemann. Die Jungs entschiede­n sich etwa „öfter für ein weißes Hemd und gegen einen Blaumann“, sagt der IHK-Mann sinnbildli­ch.

Doch die beiden Männer sehen für die Berufe mit Nachwuchss­orgen ein großes Potenzial in den Flüchtling­en. „Wir konnten viele Geflüchtet­e in Berufe wie Lagerlogis­tiker, Anlagen- und Maschinenf­ührer, aber auch in die Hotellerie und Gastronomi­e vermitteln“, sagt Heckmann. Berufe, für die sich inländisch­e Jugendlich­e wenig begeistern können. Drei Prozent der Ausbildung­sverträge seien in diesem Jahr mit einem Flüchtling abgeschlos­sen worden, sagt Heckemann. Bei der Handwerksk­ammer waren es fast sieben Prozent. „Gerade viele Afghanen interessie­ren sich für das Handwerk“, sagt Zimmermann und lobt gleichzeit­ig das Engagement vieler Betriebe auf dem Gebiet. „Viele der Geflüchtet­en hatten lange oder haben noch keine Beschäftig­ungserlaub­nis. Doch unsere Betriebe stehen hinter ihren Auszubilde­nden und kämpfen gegen die Widerständ­e an“, erzählt er.

Und das müssen sie auch. Denn heuer haben sich zwar mehr Jugendlich­e für eine Lehre entschiede­n, aber gleichzeit­ig suchen auch mehr Betriebe nach Auszubilde­nden und Lehrstelle­n bleiben unbesetzt. „Die Firmen haben längst verstanden, dass guter Nachwuchs aus dem eigenen Haus kommt, gerade in Zeiten, in denen Fachkräfte knapp sind“, sagt Heckemann.

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