Mittelschwaebische Nachrichten
Den Berg besiegt man nicht
Was die Berge mit Kultur zu tun haben und welche Rolle der Alpenverein dabei spielt
„Verraten“– so heißt der neue Bergkrimi von Irmgard Braun. Um diesen ging es im Rahmen des Krumbacher Literaturherbstes – die Autorin war zu Gast im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV), der Sektion Krumbach. Ihr Mann, Andreas Dick, hat sie an der Gitarre begleitet. Alpenverein und Literatur und Musik oder gar Kunst und Kultur, wie hängt das zusammen? Gut, die Autorin Irmgard Braun klettert seit mehr als 30 Jahren und in ihren Bergkrimis spielt das Klettern eine entscheidende Rolle. In dem, was sie schreibt, weiß sie, wovon sie spricht. Was manche aber nicht wissen: Der DAV setzt sich sowohl mit der Kultur als auch mit aktuellen Themen des Alpinismus auseinander, eine Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung ist nicht selten.
In erster Linie stehen natürlich bergsteigerische und alpinsportliche Ausbildung und Unternehmungen im Vordergrund. Neben dem sportlichen Aspekt sind unter anderem auch der Schutz der Natur und die Förderung und Sammlung schriftstellerischer, wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeiten auf alpinem Gebiet, wie es in der Satzung steht, die Vereinszwecke. Damit leistet der Deutsche Alpenverein einen Beitrag zu Kultur und Heimatpflege. Kann man da Kultur erleben? Klettern und Bergsteigen fordert sowohl den Geist als auch den ganzen Körper. Und ein Wandern in den Bergen ist schon einmal etwas ganz anderes als das Wandern in der Ebene. Es gebe tatsächlich Leute, die wanderten und sähen dabei gar nichts. „Sie möchten nur auf die Höhe hinauf“, sagt Manfred Bauer, der sich in der Sektion Krumbach um Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit kümmert.
Den Weg dorthin könne man sicherlich auch anders erleben. Berge sind nicht nur Kulturlandschaft. Mit den Hütten, dem Vieh und all den Traditionen sind sie im Grunde genommen allein schon Kultur. Dorothea Leopold, zuständig für das Referat Jugend beim DAV in Krumbach, sieht in dieser auch die Beziehung zur Natur und das Erlebnis mit den Naturgewalten. Jeder erlebe das sich Überwinden, dass man es schaffe, nach oben zu kommen anders – ob allein auf sich gestellt oder zusammen in der Gruppe. Auch das ist Kultur.
Apropos Hütten: Jede Sektion sei verpflichtet, eine Patenhütte zu unterstützen. Bei der Sektion Krumbach ist es die Mindelheimer Hütte. Eine Hütte ist eigentlich ein Schutzhaus mit dem Notwendigsten und gerade die alten Hütten sollten so erhalten bleiben, anstatt durch Prestigebauten mit viel Komfort ersetzt zu werden. Dass die Zeit nicht stehen bleibt und viele derer nicht mehr den gesetzlichen Anforderunwichtigen gen entsprechen, ist verständlich. Aber: „Die Heimeligkeit geht verloren“, bemerkt Bauer im Vergleich zur Hüttenkultur von früheren Zeiten.
Tradition, Kultur und die christliche Religion sind gerade im alpenländischen Raum eng miteinander verbunden. Bildstöcke und Kapellen säumen die Wege, bis am Ende das Gipfelkreuz erreicht ist. Es sollte nicht unbedingt ein solches sein, vor dem Tausende herumstünden, um anschließende mit der Seilbahn oder mit der Bergbahn wieder den Berg hinunter zu fahren, fügt Manfred Bauer hinzu. Das wäre dann schon eher ein Kulturschock. Aus so manchem Gipfel sei mit der Zeit eine Eventfläche geworden, die schlichtweg nicht mehr zur Bergkultur passe.
Für viele ist das Gipfelkreuz nicht nur eine Markierung, dass man ganz oben ist, sondern auch ein religiöses Symbol. Vielleicht mit dem Gefühl, da oben Gott ganz nahe zu sein. Jede Kultur setzt dabei andere Zeichen, die von der heiligen Madonna bis hin zu Steinhaufen reichen. Nicht als Zeichen des Sieges über den Berg, denn einen Berg besiegt man nicht. Mit dem Erreichen des Gipfelkreuzes spiele vielmehr die Erleichterung und der eigene Verdienst über das Ankommen mit, sagt Dorothea Leopold.
Jedes Jahr organisiert die Sektion Krumbach eine Bergmesse, bei der oftmals viele andere Bergwanderer mit dazustoßen. Gestaltet wird er von der Singgruppe, einem vierstimmigen Chor von 30 bis 35 Personen. Die Singgruppe tritt übrigens auch zu verschiedenen anderen Terminen auf. Zur Bergkultur gehört nämlich auch das Singen und der Erhalt alten Liedguts. Auch wenn sich heute dabei die Texte nicht mehr unbedingt auf Notenblättern, sondern vielmehr auf dem Smartphone befinden. Nicht selten komme es vor, dass plötzlich der eine zu singen anfange und die anderen sängen mit. Nur die Schuhplattlergruppe, auch eine solche habe es bis vor über zehn Jahren einmal gegeben, die gebe es heute nicht mehr. Auch das ist Kultur.
Zurück zur Literatur: Im Kletterzentrum befindet sich eine kleine Bibliothek, die schon eine lange Tradition hat. Darin enthalten sind nicht nur Wanderführer und Bildbände, sondern auch Romane und Krimis. Gut, in diesen geht es natürlich vorwiegend um das Klettern und um die Berge. Und was die Aktualität von Bergführern und Wanderkarten betrifft, die muss natürlich auch gepflegt werden. Solche, womöglich noch aus den 70er Jahren brächten keinen großen Nutzen.
Berge hatten schon immer etwas Anziehendes oder gar Mystisches, ob früher in der Malerei oder später in der Fotografie. Im Grund genommen erlebbare Kultur – fast – vor der Haustür.