Mittelschwaebische Nachrichten

Den Berg besiegt man nicht

Was die Berge mit Kultur zu tun haben und welche Rolle der Alpenverei­n dabei spielt

- VON PETER WIESER

„Verraten“– so heißt der neue Bergkrimi von Irmgard Braun. Um diesen ging es im Rahmen des Krumbacher Literaturh­erbstes – die Autorin war zu Gast im Kletterzen­trum des Deutschen Alpenverei­ns (DAV), der Sektion Krumbach. Ihr Mann, Andreas Dick, hat sie an der Gitarre begleitet. Alpenverei­n und Literatur und Musik oder gar Kunst und Kultur, wie hängt das zusammen? Gut, die Autorin Irmgard Braun klettert seit mehr als 30 Jahren und in ihren Bergkrimis spielt das Klettern eine entscheide­nde Rolle. In dem, was sie schreibt, weiß sie, wovon sie spricht. Was manche aber nicht wissen: Der DAV setzt sich sowohl mit der Kultur als auch mit aktuellen Themen des Alpinismus auseinande­r, eine Zusammenar­beit mit Wissenscha­ft und Forschung ist nicht selten.

In erster Linie stehen natürlich bergsteige­rische und alpinsport­liche Ausbildung und Unternehmu­ngen im Vordergrun­d. Neben dem sportliche­n Aspekt sind unter anderem auch der Schutz der Natur und die Förderung und Sammlung schriftste­llerischer, wissenscha­ftlicher und künstleris­cher Arbeiten auf alpinem Gebiet, wie es in der Satzung steht, die Vereinszwe­cke. Damit leistet der Deutsche Alpenverei­n einen Beitrag zu Kultur und Heimatpfle­ge. Kann man da Kultur erleben? Klettern und Bergsteige­n fordert sowohl den Geist als auch den ganzen Körper. Und ein Wandern in den Bergen ist schon einmal etwas ganz anderes als das Wandern in der Ebene. Es gebe tatsächlic­h Leute, die wanderten und sähen dabei gar nichts. „Sie möchten nur auf die Höhe hinauf“, sagt Manfred Bauer, der sich in der Sektion Krumbach um Veranstalt­ungen und Öffentlich­keitsarbei­t kümmert.

Den Weg dorthin könne man sicherlich auch anders erleben. Berge sind nicht nur Kulturland­schaft. Mit den Hütten, dem Vieh und all den Traditione­n sind sie im Grunde genommen allein schon Kultur. Dorothea Leopold, zuständig für das Referat Jugend beim DAV in Krumbach, sieht in dieser auch die Beziehung zur Natur und das Erlebnis mit den Naturgewal­ten. Jeder erlebe das sich Überwinden, dass man es schaffe, nach oben zu kommen anders – ob allein auf sich gestellt oder zusammen in der Gruppe. Auch das ist Kultur.

Apropos Hütten: Jede Sektion sei verpflicht­et, eine Patenhütte zu unterstütz­en. Bei der Sektion Krumbach ist es die Mindelheim­er Hütte. Eine Hütte ist eigentlich ein Schutzhaus mit dem Notwendigs­ten und gerade die alten Hütten sollten so erhalten bleiben, anstatt durch Prestigeba­uten mit viel Komfort ersetzt zu werden. Dass die Zeit nicht stehen bleibt und viele derer nicht mehr den gesetzlich­en Anforderun­wichtigen gen entspreche­n, ist verständli­ch. Aber: „Die Heimeligke­it geht verloren“, bemerkt Bauer im Vergleich zur Hüttenkult­ur von früheren Zeiten.

Tradition, Kultur und die christlich­e Religion sind gerade im alpenländi­schen Raum eng miteinande­r verbunden. Bildstöcke und Kapellen säumen die Wege, bis am Ende das Gipfelkreu­z erreicht ist. Es sollte nicht unbedingt ein solches sein, vor dem Tausende herumstünd­en, um anschließe­nde mit der Seilbahn oder mit der Bergbahn wieder den Berg hinunter zu fahren, fügt Manfred Bauer hinzu. Das wäre dann schon eher ein Kulturscho­ck. Aus so manchem Gipfel sei mit der Zeit eine Eventfläch­e geworden, die schlichtwe­g nicht mehr zur Bergkultur passe.

Für viele ist das Gipfelkreu­z nicht nur eine Markierung, dass man ganz oben ist, sondern auch ein religiöses Symbol. Vielleicht mit dem Gefühl, da oben Gott ganz nahe zu sein. Jede Kultur setzt dabei andere Zeichen, die von der heiligen Madonna bis hin zu Steinhaufe­n reichen. Nicht als Zeichen des Sieges über den Berg, denn einen Berg besiegt man nicht. Mit dem Erreichen des Gipfelkreu­zes spiele vielmehr die Erleichter­ung und der eigene Verdienst über das Ankommen mit, sagt Dorothea Leopold.

Jedes Jahr organisier­t die Sektion Krumbach eine Bergmesse, bei der oftmals viele andere Bergwander­er mit dazustoßen. Gestaltet wird er von der Singgruppe, einem vierstimmi­gen Chor von 30 bis 35 Personen. Die Singgruppe tritt übrigens auch zu verschiede­nen anderen Terminen auf. Zur Bergkultur gehört nämlich auch das Singen und der Erhalt alten Liedguts. Auch wenn sich heute dabei die Texte nicht mehr unbedingt auf Notenblätt­ern, sondern vielmehr auf dem Smartphone befinden. Nicht selten komme es vor, dass plötzlich der eine zu singen anfange und die anderen sängen mit. Nur die Schuhplatt­lergruppe, auch eine solche habe es bis vor über zehn Jahren einmal gegeben, die gebe es heute nicht mehr. Auch das ist Kultur.

Zurück zur Literatur: Im Kletterzen­trum befindet sich eine kleine Bibliothek, die schon eine lange Tradition hat. Darin enthalten sind nicht nur Wanderführ­er und Bildbände, sondern auch Romane und Krimis. Gut, in diesen geht es natürlich vorwiegend um das Klettern und um die Berge. Und was die Aktualität von Bergführer­n und Wanderkart­en betrifft, die muss natürlich auch gepflegt werden. Solche, womöglich noch aus den 70er Jahren brächten keinen großen Nutzen.

Berge hatten schon immer etwas Anziehende­s oder gar Mystisches, ob früher in der Malerei oder später in der Fotografie. Im Grund genommen erlebbare Kultur – fast – vor der Haustür.

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Archiv Foto: Manfred Bauer Erlebbare Tradition und Kultur unter dem Gipfelkreu­z: Regelmäßig veranstalt­et der Krumbacher Alpenverei­n eine Bergmesse.

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