Mittelschwaebische Nachrichten
Der verlorene Kopf
Haydn, Schiller, Johannes der Täufer. Streifzüge durch ungewöhnliche Epochen
Krumbach Nachdem eine Frau behauptet hatte, sie sei eine illegitime Tochter des berühmten Malers Salvador Dali, wurde der Leichnam exhumiert, um die DNA festzustellen. Damit war bei einem Vergleich mit der DNA der angeblichen Tochter eindeutig, dass Dali nicht ihr Vater sein konnte.
Als der englische Prinz Friedrich von Cambridge Fürst Esterhazy in Eisenstadt besuchte, fragte er nach dem Grab Joseph Haydns, der in England auch nach seinem Tod sehr geschätzt war. Der Fürst musste sich erst einmal erkundigen, wo Haydn begraben liegt. Sein Sekretär Joseph Carl Rosenbaum konnte ihm Auskunft geben. Daraufhin ließ der Fürst den Leichnam Haydns nach Eisenstadt bringen, allerdings musste man feststellen, dass der Kopf fehlte. Die Polizei wurde eingeschaltet. Sekretär Rosenbaum, ein Anhänger der Lehre des Arztes Franz Joseph Gall, der behauptete, an einem Schädel ließen sich Begabungen ablesen, wurde verdächtigt, den Schädel für Studienzwecke entwendet zu haben.
Bei einer Hausdurchsuchung konnte nichts gefunden werden. Seine Frau, eine Opernsängerin, hatte sich mit dem Schädel in ihr Bett geflüchtet. Sie weigerte sich, das Bett zu verlassen. So blieb Haydns Schädel im Hause Rosenbaum. Kurz vor seinem Tod übergab er die kostbare Reliquie seinem Freund Johann Nepomuk Peter, der damals auf dem Wiener Friedhof bei dem Kopfraub mitbeteiligt war. Er sollte Haydns Kopf an die Wiener Musikvereinigung weitergeben. Die Familie Peter konnte sich viele Jahre nicht entschließen, sich vom Haupt Haydns zu trennen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Wiener Musikvereinigung in den Besitz des kostbaren Reliquiars. Es dauert noch bis 1954, dass Kopf und Leib wieder zusammen kamen. Heute ruht der Leichnam in einem Mausoleum, das der Fürst Esterhazy für Joseph Haydn in Eisenstadt errichtet hat. Zu ihm pilgern zahllose Musikverehrer.
In der Fürstengruft von Weimar ruhen die Gebeine des 1805 verstorbenen Dichters Friedrich Schiller, so nahm man an. Allerdings wurde Schiller zunächst wie alle Verstorbenen in Weimar im Kassengewölbe des Jakobskirchfriedhofs beigesetzt. Als man 1826 daran ging, den Leichnam Schillers herauszufinden, stand man vor einem fast unlösbaren Problem. Man ordnete einen Schädel Schiller zu. Er wurde zunächst Goethe zur Aufbewahrung anvertraut. Der Schädel Schillers veranlasste ihn zu einem Gedicht über Tod und Vergänglichkeit. Später war man sich nicht mehr so sicher, ob es wirklich Schillers Schädel war, denn man hatte 100 Jahre später einen weiteren gefunden, der eher den Maßen Schillers entsprach. Inzwischen konnte festgestellt werden, dass der eine Kopf einem Mädchen zugeordnet werden muss, während der andere einem alten Mann gehörte. Also doppelte Fehlanzeige! Dies trifft auch auf den Leichnam zu. Es kann sich nicht um Schiller handeln. Nun ist der Sarkophag Schillers in der Weimarer Fürstengruft leer. Die beiden falschen Schillerschädel befinden sich im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie. Es ist vorgesehen, sie in absehbarer Zeit zu bestatten.
Während man zur Zeit Goethes den Formen des Kopfes eine große Bedeutung beimaß, Lavater schrieb ein ganzes Buch darüber, war der Kopf eines Heiligen seit ältester Zeit ein kostbares Reliquiar. Noch heute wird das Haupt Johannes des Täufers in Damaskus verehrt. Die Verehrung des Hauptes Johannes des Täufers finden wir im ganzen süddeutschen Raum, vor allem aber in Tirol.
Das Haupt des Apostels Andreas wurde vom Bruder des letzten oströmischen Kaisers nach der Eroberung Konstantinopels an Papst Pius II. verkauft. Papst Paul VI. hat diese kostbare Reliquie 1964 nach Patras, wo der Apostel das Martyrium erlitten hat, zurückgegeben. Dies durfte auch als eine Geste der Freundschaft zum Patriarchen Athenagoras verstanden werden. (gsch)