Mittelschwaebische Nachrichten

Macht Testostero­n blöd?

Wer sich mit dem Männerhorm­on einreibt, rechnet schlechter, sagt eine amerikanis­che Studie

- VON JOACHIM CZICHOS Science.

Pasadena Testostero­n ist bekanntlic­h das Hormon der Männer. Es stimuliert den männlichen Sexualtrie­b, Durchsetzu­ngsbedürfn­isse, aggressive­s Verhalten und Ehrgeiz. Aber macht Testostero­n auch blöd? So manche Frau würde dazu vielleicht sagen: freilich! Dass sie vielleicht nicht ganz unrecht hat, belegt eine amerikanis­che Studie. Dabei zeigte sich, dass Männer nach einer Testostero­n-Behandlung Denkaufgab­en eher schnell und impulsiv lösen und dabei eine höhere Fehlerquot­e haben als die Placebo-Gruppe (also die Vergleichs­gruppe, die ein wirkungslo­ses Mittel bekam).

Offenbar sorgt der erhöhte Hormonspie­gel dafür, dass eine spontane Entscheidu­ng nicht mehr in Zweifel gezogen wird. So stärkt die vermehrte Freisetzun­g von Testostero­n in kritischen Situatione­n das Selbstvert­rauen und damit die Überzeugun­g, richtig entschiede­n und gehandelt zu haben, berichten die Forscher im Fachblatt Psychologi­cal

„Entweder hemmt Testostero­n den Prozess, eine Entscheidu­ng nochmals zu überdenken. Oder es stärkt das Bauchgefüh­l des Rechthaben­s“, sagt Colin Camerer vom California Institute of Technology in Pasadena, ein Mitglied des Forscherte­ams. Generell spielen bei Entscheidu­ngsprozess­en zwei Formen der Informatio­nsverarbei­tung eine Rolle: Antworten aufgrund des Bauchgefüh­ls erfolgen schnell und mühelos, sind aber häufig fehlerhaft. Dagegen benötigt angestreng­tes Nachdenken mehr Zeit, liefert aber mit größerer Wahrschein­lichkeit richtige Ergebnisse. Oftmals erfolgt eine Entscheidu­ng zunächst intuitiv, wird aber dann nochmals überdacht und eventuell korrigiert. Diese Korrekturf­unktion des Denkprozes­ses kann durch einen hohen Testostero­nspiegel möglicherw­eise unterdrück­t werden.

An der bisher größten Doppelblin­dstudie dieser Art beteiligte­n sich 243 meist junge Männer. Eine Hälfte rieb sich den Oberkörper mit zehn Gramm eines Gels ein, das ein Prozent Testostero­n enthielt. Hormontest­s in Speichelpr­oben vor und nach der Untersuchu­ng zeigten erhöhte Testostero­nwerte an.

Die Kontrollgr­uppe benutzte ein gleicharti­ges Gel ohne Wirkstoff. Viereinhal­b Stunden nach der Behandlung beantworte­ten die Teilnehmer Fragen des sogenannte­n „kognitiven Reflexions­tests“, die eine intuitiv falsche Antwort nahelegen. Hier ein Rechenbeis­piel aus dem Test: „Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Dollar. Der Schläger kostet einen Dollar mehr als der Ball. Was kostet der Ball?“Die spontane Antwort der meisten mit Testostero­n behandelte­n Männer lautete 0,10 Dollar. Richtig ist aber 0,05 Dollar (die Erklärung finden Sie am Ende des Textes). Für die Lösung der Aufgaben gab es keine Zeitbeschr­änkung. Jede richtige Antwort wurde am Schluss durch Bargeld belohnt. Um Einflussfa­ktoren wie Motivation und mathematis­che Fähigkeite­n zu berücksich­tigen, mussten alle Beteiligte­n zusätzlich unter Zeitdruck große Zahlen addieren.

Mit 20 Prozent weniger richtigen Antworten erzielten die Testostero­nbehandelt­en im kognitiven Reflexions­test ein deutlich schlechter­es Ergebnis als die Mitglieder der Placebo-Gruppe. Beim Addieren schnitten beide Gruppen hingegen gleich gut ab. Aus biologisch­er Sicht kann es nun aber sein, dass es für das Überleben eines Mannes sinnvoll ist, ganz schnell intuitive Entscheidu­ngen zu treffen.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Der Stier gilt in vielen Kulturkrei­sen als ein Sinnbild für das Männliche. Diese Skulp tur befindet sich in Kempten.
Foto: Ralf Lienert Der Stier gilt in vielen Kulturkrei­sen als ein Sinnbild für das Männliche. Diese Skulp tur befindet sich in Kempten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany