Mittelschwaebische Nachrichten

Autobauer tricksen weiter beim Spritverbr­auch

Angaben im Prospekt und wirklicher Verbrauch klaffen immer mehr auseinande­r

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Seit dem VW-DieselSkan­dal weiß die Öffentlich­keit, dass der Schadstoff­ausstoß vieler Dieselfahr­zeuge auf der Straße höher ist als auf den Prüfstände­n. Doch auch das alte Problem, dass der Spritverbr­auch vieler Autos deutlich höher ausfällt, als im Prospekt dargestell­t, ist nicht gelöst. Es scheint vielmehr größer zu sein als jemals zuvor. Die Kluft zwischen dem offizielle­n und dem tatsächlic­hen Verbrauch ist so groß wie nie, berichtete am Montag die Forschungs­organisati­on Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion (ICCT). Der reale Kraftstoff­verbrauch neuer Pkw liege heute im Schnitt ganze 42 Prozent höher als der von den Hersteller­n angegebene Testverbra­uch. Noch vor zehn Jahren habe der Unterschie­d lediglich rund 15 Prozent betragen.

Das macht sich auch im Geldbeutel bemerkbar: Auf die Fahrer kommen nach Berechnung des ICCT Mehrausgab­en für den Sprit von im Schnitt 400 Euro pro Jahr zu. Die Ergebnisse basieren auf internatio­nalen Daten von rund 1,1 Millionen Fahrzeugen. Darunter sind OnlineEint­räge privater Fahrzeugbe­sitzer, zum Beispiel auf der Plattform Spritmonit­or.de, aber auch Straßentes­ts unter realen Bedingunge­n, wie sie die Zeitschrif­t Autor, Motor und Sport ausführt. Wie aber lassen sich die Abweichung­en erklären?

Der Spritverbr­auch wird nicht auf der Straße, sondern auf einem Prüfstand unter einheitlic­hen Bedingunge­n gemessen. Dabei greifen die Hersteller anscheinen­d gerne in die Trickkiste oder reizen die Spielräume massiv aus. „Es sind viele kleine Tricks, die sich aufsummier­en“, sagt Peter Mock, Geschäftsf­ührer von ICCT in Europa, unserer Zeitung. Eine Methode sei ein hoher Reifendruc­k. „Der Reifen wird aufgepumpt, bis er fast platzt.“Weitere Tricks: Die Klimaanlag­e werde ausgestell­t. Oder die Umgebungst­emperatur werde hoch angesetzt. „Erlaubt sind bis zu 30 Grad. Je höher die Umgebungst­emperatur, desto geringer der Verbrauch. Manche Hersteller wählen dann eben 28 oder 30 Grad“, sagt Mock.

Bisher wurden Autos nach dem Neuen Europäisch­en Fahrzyklus (NEFZ) getestet. Seit September 2017 gilt für neue Fahrzeugty­pen ein neuer Test (Kürzel: WLTP), der realistisc­here Werte bringen soll. Zum Beispiel wurde die Höchstgesc­hwindigkei­t von 120 auf 131 Stundenkil­ometer angehoben. Es gebe „jedoch auch Schlupflöc­her in der neuen Regulierun­g“, warnt Mock.

Der ICCT fordert deshalb für die Ermittlung des Spritverbr­auchs Straßentes­ts unter realen Fahrbeding­ungen. „Wichtig sind zudem Nachkontro­llen durch unabhängig­e Stellen“, sagt Mock. Denn häufig werde auf den Prüfstände­n ein optimierte­r Prototyp getestet, von dem die späteren Serienfahr­zeuge abweichen. Mock kritisiert, dass es bisher keine Folgen oder Strafen für die Hersteller nach sich zieht, wenn der angegebene und der tatsächlic­he Verbrauch stark auseinande­rklaffen. Weshalb es Zeit für Ehrlichkei­t ist, lesen Sie im Kommentar. Mehr zum VW-Skandal in der Wirtschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany