Mittelschwaebische Nachrichten

Der Durst der großen Kamele

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Wenn Menschen ebenso viel Energie, Zeit und Geld in die Verbesseru­ng der Welt wie in das Vermeiden von Steuern stecken würden, wäre unser Planet ein anderer. Weniger Menschen würden hungern. Weniger Schadstoff­e würden uns krank machen und die Gletscher schmelzen lassen. Bürger hätten mehr Zeit, sich um die Schwachen zu kümmern.

Das bleibt leider eine Utopie. Denn viel Geld weckt den Hunger nach noch mehr Geld, auch wenn kein Mensch zehn Mal am Tag essen kann. Geld ist Macht. Und Macht macht süchtig. Die Folgen sind bekannt. Die Grünen-Politikeri­n Renate Künast beschreibt das treffend so: „In den Steueroase­n saufen die großen Kamele den kleinen das Wasser weg.“Die großen Kamele, das sind die Apples unserer Tage, also Konzerne, die so begehrte Produkte herstellen und gut verdienen, dass sie sich es leisten könnten, ihren Teil zur Stabilisie­rung von Gemeinwese­n zu leisten.

Doch die egomanisch­en Riesen entziehen sich, schieben Gewinne so lange weltweit hin und her, bis sie sich in ein amoralisch­es Nichts auflösen. Später beklagen dann radikal Steuer vermeidend­e Manager, dass sich ihre Heimatländ­er radikalisi­eren. Die von einem Populisten regierten USA sind dafür ein abschrecke­ndes Beispiel. Aber Geld ist nun mal Macht. Und Macht macht süchtig. So geht das weiter.

Daran ändert sich leider kaum etwas, wenn wie jetzt wieder Steueroase­n aufgedeckt und Trickser entlarvt werden. Legt sich die Aufregung, zieht die Karawane weiter. Es müssen ja nicht immer entlegene Eilande wie die Cayman- oder Britischen Jungfernin­seln sein. Auch in Singapur oder sozusagen um die Ecke in Irland oder in den Niederland­en lassen sich prima Steuern sparen. Ganze Heerschare­n von Anwälten sind auf das meist sogar legale Geschäft spezialisi­ert. Sie verdienen exzellent am Drang der Menschen, dem Staat vorzuentha­lten, was sie ihm schuldig sind.

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