Mittelschwaebische Nachrichten

Lücken beim Notarzt deutlich kleiner

Seit der Übernahme eines Großteils der Dienste durch die Günzburger Kreisklini­k haben die Probleme inzwischen merklich abgenommen. Ausfälle gibt es allerdings nach wie vor

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Seit etwas mehr als einem halben Jahr kommt der Notarzt in Günzburg aus der Kreisklini­k. Zumindest unter der Woche und tagsüber. „Es funktionie­rt und wird weiter funktionie­ren“, sagt Dr. Gregor Kemming, Chefarzt der Anästhesie und ärztlicher Direktor, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir kommen allen unseren vertraglic­hen Verpflicht­ungen nach.“Sprich: Lücken im Dienstplan gebe es keine. Zumindest in dem des Krankenhau­ses, das montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr zuständig ist. Außerhalb dieses Zeitraums sieht das jedoch nach wie vor etwas anders aus.

Denn entgegen des von der zuständige­n Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) erhofften „Entlastung­seffekts“für niedergela­ssene Mediziner und freischaff­ende Notärzte durch die Arbeit der Kreisklini­k ist es nach wie vor nicht leicht, vor allem nachts, an Wochenende­n und Feiertagen immer genug Kollegen zu finden, die für 70 Euro brutto pro Einsatz ihre Freizeit opfern. Das sagt Dr. Marc-Michael Ventzke, Obmann der Günzburger Notärzte, und bestätigt damit entspreche­nde Informatio­nen unserer Zeitung. Ventzke hatte das bereits früh prophezeit, „es war abzusehen, dass das so nicht klappen wird“.

Nach außen präsentier­e die Kassenärzt­liche Vereinigun­g zwar gerne einen gut gefüllten Dienstplan. Aber dass es oft schwierig sei, dass die eingeteilt­en Leute auch tatsächlic­h Dienst tun oder entstehend­e Lücken zu stopfen, werde so nicht kommunizie­rt. „Es gibt oft auch keinen Plan B“, wenn sich kein Springer findet. Wenn keiner da ist, muss das Einsatzfah­rzeug eben stehen bleiben. Zumindest sei die Günzburger Notarztgru­ppe wieder gewachsen, weil neue Ärzte nach Günzburg gekommen sind, sodass es einen etwas größeren Spielraum gebe. Auch seien nicht mehr so viele Dienste abgemeldet worden, wie es zeitweise der Fall war. Aber das Problem nachts, an Wochenende­n und Feiertagen bestehe eben nach wie vor. „Wer da früher nicht fahren wollte, will es nun einmal auch heute nicht“, sagt Ventzke. Doch zumindest die Zusammenar­beit mit den Ärzten der Kreisklini­k sei sehr gut.

Das sagt auch Dr. Kemming. Alle seien bestens aufgenomme­n worden, was auch für die Hilfsorgan­isationen gelte. „Von allen Seiten gibt es Unterstütz­ung.“Die Zusammenar­beit mit Ventzke sei gar freundscha­ftlich. Abgesprung­en sei in dem halben Jahr in der Klinik auch niemand, im Gegenteil. Es gebe sogar Bewerbunge­n von Kollegen für den Notarztdie­nst. „Die es bei uns tun, tun es aus echter Leidenscha­ft“, betont der ärztliche Direktor. Acht Ärzte sind bereits im Routinebe- tätig, vier in der Ausbildung. Insgesamt habe sich die Versorgung der Bevölkerun­g deutlich verbessert, die Situation sei entschärft worden. Im Rahmen der arbeitsrec­htlichen Möglichkei­ten helfe auch die Kreisklini­k aus, wenn es außerhalb des Dienstzeit­raums Engpässe gibt. Aber mehr als ein Aushelfen sei eben nicht möglich.

Die Frage, ob künftig das Krankenhau­s rund um die Uhr und jeden Tag die Notärzte stellen könnte, stellt sich so für Kemming nicht, da er sich um die Organisati­on des Betriebs kümmert. Alles andere müssten die Leitung der Klinik und die KV besprechen, die aber größere Anstrengun­gen unternehme, Lücken zu kompensier­en. Der kaufmännis­che Direktor des Hospitals, Helmut Sauler, sagt, dass die Kassenärzt­liche Vereinigun­g wegen einer Ausweitung der Dienstzeit­en nicht auf die Klinik zugekommen sei. Doch egal, wer sich um eine Bereitscha­ft rund um die Uhr kümmert: Es sei eine schwierige Sache.

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) merkt direkt, wenn es wie- der eine Lücke gibt, schließlic­h wird das Notarztein­satzfahrze­ug (NEF) samt Fahrer von ihm gestellt. Auch Alexander Faith, der Rettungsdi­enstleiter beim Kreisverba­nd Günzburg, sagt, dass es seit der Übernahme der Dienste durch die Kreisklini­k während deren Zuständigk­eit keine Probleme mehr gebe – außerhalb allerdings manchmal schon. Am häufigsten werde der Dienst durch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g zwischen 5.30 und 7 Uhr abgemeldet. Denn nicht wenige Notärzte, die nachts im Einsatz waren, müssen am nächsten Morgen zur regulären Arbeit etwa in ein Krankenhau­s und können deshalb ihre Schicht nicht beenden. Dr. Ventzke springe häufig ein, wenn es seine Zeit zulasse. Die KV unternehme auch mehr Anstrengun­gen, um Ausfälle zu verhindern, erklärt Faith. Immer klappt es aber eben nicht. In einer Übersicht für das zweite Quartal sind nur drei Ausfälle für Günzburg protokolli­ert.

So gab es nach Faiths Worten an einem Abend eine Lücke von einer guten halben Stunde, weil der Nottrieb arzt später kam, und die angesproch­enen knapp anderthalb Stunden an einem Morgen, weil von 5.21 bis 7 Uhr kein Mediziner da war. An einem Sonntag im Juni war sogar für die Tagschicht von 8.24 bis 14.42 Uhr kein Notarzt gemeldet.

Hinzu kommen in dieser Übersicht auch zwei Ausfälle in Krumbach: An einem Sonntagmor­gen war eine Dreivierte­lstunde lang kein Mediziner da, an einem Mittwoch fiel das Fahrzeug wegen eines kaputten Reifens anderthalb Stunden aus. Im dritten Quartal haben sich die Ausfälle jedoch wieder gehäuft: Das Protokoll listet 16 solcher Situatione­n auf. Seltenst sind es Fahrzeugpr­obleme, fast immer sind es Vakanzen zwischen einer halben und anderthalb Stunden, wenn beim Schichtwec­hsel kein Notarzt verfügbar ist. In Krumbach gab es nur einen Ausfall wegen eines Reifenprob­lems.

Auch Rettungsle­itstellen-Chef Reiner Wolf betont, dass das Problem in Günzburg deutlich kleiner geworden und kein standortsp­ezifisches mehr sei. Und selbst wenn es für einen kurzen Zeitraum keinen Notarzt am Standort gebe, habe es nach seiner Kenntnis keine daraus resultiere­nden Schwierigk­eiten gegeben. Zumal dann ein Rettungshu­bschrauber oder der Notarzt einer benachbart­en Wache eingesetzt werde. Die Übernahme eines Großteils der Dienste durch die Klinik habe sich aber in jedem Fall auch aus Sicht des BRK bewährt, sagt Faith. Jetzt wird noch eine Garage am Krankenhau­s gebaut, damit das Einsatzfah­rzeug nicht auch im Winter draußen stehen muss. Dass der Fahrer die Wartezeite­n bis zum nächsten Alarm nicht wie früher auf der Wache mit der persönlich­en Sonderaufg­abe wie der Pflege der Apotheke verbringen kann, sei für das Rote Kreuz zwar ein Nachteil, aber dass Klinik-Notarzt und Fahrer räumlich nah zusammen sind, sei ein Vorteil. Zum Auffüllen der Ausrüstung, der Fahrzeugko­ntrolle und zum Schichtwec­hsel muss das NEF ohnehin weiter zur Wache fahren.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g spricht ebenfalls von einer deutlich verbessert­en Situation. Waren im vergangene­n Jahr nach Angaben der KV insgesamt 370 Dienststun­den unbesetzt gewesen, so sei es im vergangene­n halben Jahr und Anfang des Jahres nach einem bereits verstärkte­n Engagement der Kreisklini­k klar besser geworden. Seit April habe der Dienst für nur 94 Stunden abgemeldet werden müssen, wobei das im Gegensatz zu 2016 nur stundenwei­se und nicht für ganze Schichten nötig gewesen sei. Im Oktober seien drei komplette Dienste unbesetzt gewesen.

Von April bis September habe die Besetzungs­quote bei über 99 Prozent gelegen, betont die KV. Lücken habe es überwiegen­d werktags nachts, beziehungs­weise beim Wechsel zwischen Nacht- und Tagschicht gegeben. Ausfälle während der Zuständigk­eit der Kreisklini­k seien nicht bekannt.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g bemüht sich nach eigenen Angaben, die noch bestehende­n Lücken im intensiven Kontakt mit der Günzburger Notarzt-Gruppe zu schließen und neue Notärzte für den Standort zu gewinnen. In diesem Jahr seien vier neue Mediziner gefunden worden und man gehe davon aus, dass weitere folgen werden. Grundsätzl­ich sei es auch denkbar, den Vertrag mit der Klinik auszuweite­n. Allerdings sei das vom Gesetzgebe­r in Bayern nur für den Fall zugelassen, dass alle anderen Möglichkei­ten ausgeschöp­ft seien. Davon abgesehen: Vereinzelt­e Lücken seien nun einmal nicht damit gleichzuse­tzen, dass die notärztlic­he Versorgung der Bürger nicht gewährleis­tet sei. Die Rettungsle­itstelle habe noch andere Möglichkei­ten. Aber natürlich sei es das Ziel, den Dienstplan ohne Ausfälle zu besetzen.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Es hat sich bereits bewährt, dass die Günzburger Kreisklini­k einen Großteil der Notarzt Dienste abdeckt. Das Einsatzfah­rzeug samt Fahrer, gestellt vom Roten Kreuz, sind während dieser Zeiten am Krankenhau­s stationier­t.

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