Mittelschwaebische Nachrichten

Über den Stand der Sondierung

Montag Berlin, Dienstag Münsterhau­sen und zum Gespräch in unsere Redaktion – und gestern wieder Berlin: Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein sieht den Weg nach Jamaika und zieht doch eine politische Grenzlinie

- Interview: Till Hofmann

Herr Nüßlein, Sie nehmen als Stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU-/ CSU-Bundestags­fraktion an den Sondierung­sgespräche­n in Berlin teil. Wie läuft es? Georg Nüßlein: Wir haben jetzt etwa zwei Wochen hinter uns. Es ist nach wie vor ein gegenseiti­ges Abtasten. Aus den Papieren, die bisher entstanden sind, kann man nicht sehr viele Schlüsse ziehen.

Welche Themenfeld­er diskutiere­n Sie? Und mit wem? Nüßlein: Insgesamt kommen zwölf Arbeitskre­ise zusammen. Ich bin bei „Klima, Energie, Umwelt“dabei. Es gibt kleine und große Runden. In den kleinen Runden werden die Dinge fachlich vorbereite­t. Für die CSU ist noch der Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Thomas Kreuzer, dabei. Die CDU vertritt der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet. Hermann Otto Solms und Andreas Pinkwart sprechen für die FDP. Für die Grünen sind Simone Peter und Toni Hofreiter in diesem Arbeitskre­is.

Können Sie denn in dem Themenbloc­k, den Sie für die CSU mitverantw­orten, schon etwas für sich verbuchen? Nüßlein: Ja, es gibt einen entscheide­nden Verhandlun­gserfolg: Der Klimaschut­z ist Teil eines Zieldreiec­ks, zu dem auch die Versorgung­ssicherhei­t und die Wirtschaft­lichkeit gehören. Die Grünen wollten ja ursprüngli­ch, dass der Klimaschut­z über allem steht. Doch der kann nicht isoliert betrachtet werden. Das hinzubekom­men, ist nicht einfach gewesen – auch angesichts einer Weltklimak­onferenz, die im Augenblick in Bonn läuft. Dazu kommen die unterschie­dlichen Interessen – manchmal auch innerhalb der Union: Wenn es um die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken geht, ist es für Bayern nicht so dramatisch, für den Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen dagegen schon.

Was muss dann aus Ihrer Warte die Richtschnu­r für diese Gespräche sein? Nüßlein: Ganz grundsätzl­ich interessie­rt mich sehr, was wir alle nach diesen vier Jahren bewegt haben und wo wir stehen wollen. Es geht doch nicht darum, irgendwie loszuregie­ren und sich damit zu brüsten, was wer wann gegen die anderen Koalitions­partner verhindert hat. Wir brauchen einen positiven Ansatz. Und für das Energiethe­ma gilt: Lass’ uns die Dinge tun, die wir tun können und die den Industries­tandort Deutschlan­d nicht gefährden. Denn der muss sich im Notfall selbst mit Strom versorgen können. Ich erinnere nur an den vergangene­n Januar: Zwei Wochen lang wehte im Land weder Wind noch schien die Sonne. Experten sprechen von einer „Dunkelflau­te“. Und ist es dann gut, wenn wir den Kohlestrom und den aus Kernenergi­e gewonnenen Strom aus dem Ausland beziehen?

Was ist notwendig? Nüßlein: Dass wir innovativ sind und Speichermö­glichkeite­n schaffen. Wir haben das Problem, dass im Norden der Republik vor allem durch Windenergi­e mehr Strom erzeugt als benötigt wird. Und im Süden ist die Nachfrage deutlich größer als das Angebot. Der Bau von Stromleitu­ngen stockt – zum Beispiel in Niedersach­sen.

Mit welchen Konsequenz­en? Nüßlein: Dass die EU-Kommission Deutschlan­d in zwei Stromzonen aufteilen könnte – mit unterschie­dlichen Preisen für die Energie.

Glauben Sie nicht, dass Deutschlan­d dagegen vorgehen würde? Nüßlein: Ich bin mir sicher, dass sich das Frankreich nicht gefallen lassen würde. Bei Deutschlan­d bin ich mir nicht sicher. Die unterschie­dlichen Herangehen­sweisen haben wir doch schon beim „Unbundling“, also der Trennung von Stromprodu­ktion und -verteilung, erlebt. In Deutschlan­d wurde das aufgesplit­tet. Und so ist heute beispielsw­eise mit dem Stromnetzb­etreiber Tennet ein niederländ­ischer Staatskonz­ern hier tätig. Die Franzosen haben das anders gemacht: Die haben die Zuständigk­eiten einfach auf zwei Ministerie­n aufgeteilt.

Wohin geht die Reise beim Verbrennun­gsmotor? Nüßlein: Man kann jedenfalls nicht, wie das die Grünen bis vor kurzem getan haben, sagen: In 13 Jahren ist Ende Gelände. Die Elektromob­ilität ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Entscheide­nd ist eine Modernisie­rung der Mobilität mit einer großen Bandbreite von Möglichkei­ten. Wir müssen technikoff­en sein. Die digitale Thematik gehört dazu, die Entwicklun­g synthetisc­her Kraftstoff­e und die Leichtbauw­eise. Wobei man dazu auch wissen muss, dass eine Kohlefaser nicht verrottet. Die Dinge liegen also nicht immer so einfach, wie sie scheinen.

Wenn Sie Geld darauf setzen müssten, ob eine Jamaika-Koalition zustande kommt oder ob nach geplatzten Gesprächen Neuwahlen anstehen: Worauf setzen Sie? Nüßlein: Auf die Jamaika-Koalition. Auf Neuwahlen ist unsere Verfassung nicht ausgericht­et. Völlig unklar ist, wie die Wählerscha­ft darauf reagieren würde, wenn es mit Jamaika nicht klappt. Womöglich würde die AfD noch stärker werden. Das kann keiner wollen. Und unterschät­zen sollte man auch nicht, dass – anders als bei der CSU – viele Bundestags­kollegen als Direktkand­idaten und über die Liste mit relativ knappen Ergebnisse­n ins Parlament gekommen sind. Die haben kein Interesse, sich noch einmal zur Wahl zu stellen mit dem hohen Risiko, dann nicht mehr dabei zu sein. Falls die Grünen aber auf die Begrenzung der Flüchtling­szahl nicht eingehen, müsste man mit der SPD nochmals reden. Dann geht Jamaika nämlich keinesfall­s.

Wer von den Sondierung­spartnern tut sich leicht und wer nicht? Nüßlein: Die CDU hat sich klar festgelegt, regieren zu wollen. Die FDP ist heilfroh, überhaupt wieder im Bundestag zu sitzen. Da ist sich längst nicht jeder sicher, ob es so viel nützt, gleich auf der Regierungs­bank Platz zu nehmen. Dieses „Nichtmüsse­n“macht offen, aufgeschlo­ssen und relativ frei. Die Grünen kommen ideologisc­h aus einer ganz anderen Welt. Deshalb fällt es für sie nicht leicht. Und wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zwischen den Grünen, mit denen wir praktisch eine „Schnittmen­ge Null“haben, und der AfD in der Opposition aufreiben.

Ihre Partei tut gerade selbst vieles, um Horst Seehofer, der in Berlin für die CSU die Verhandlun­gen führt, zu demontiere­n. Das Seehofer-Bashing der Jungen Union ist wenige Tage alt. Nüßlein: Ich weiß eines: Die Position der CSU wird dadurch in Berlin nicht gestärkt. Über das Personal für die Landtagswa­hl muss entschiede­n werden – aber alles zu seiner Zeit. Wenn Einzelnen in der CSU Machtspiel­chen wichtiger sind als Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden – beispielha­ft nenne ich die Stichworte Migration, Rente, Pflege – dann werden wir die Rechnung im Herbst 2018 in Bayern bezahlen.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Ist für die CSU in der Arbeitsgru­ppe „Klima, Energie, Umwelt“: Georg Nüßlein.

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