Mittelschwaebische Nachrichten

„So schlimm wie jetzt war es noch nie“

Polizeigew­erkschafte­r Peter Pytlik erklärt, warum zwar so viel Polizisten wie nie zuvor im Dienst stehen, die Polizei dennoch ein Personalpr­oblem hat. Welche Auswirkung­en das auf die Sicherheit vor allem in ländlichen Gebieten hat

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Herr Pytlik, der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann erklärt, mit knapp 42 000 Beschäftig­ten sei die Polizei so gut aufgestell­t, wie nie zuvor. Die GdP dagegen spricht von einem Personalpr­oblem bei der bayerische­n Polizei. Wie passt das zusammen? Peter Pytlik: Die Zahl, die Minister Herrmann nennt, ist grundsätzl­ich richtig. Ganz genau liegt sie bei 41970 Beschäftig­ten. Aber da muss man schon ein bisschen genauer hinschauen. Denn die Zahl der tatsächlic­hen Vollzugsdi­enstleiste­nden ist weitaus geringer. Zieht man davon etwa 2000 Verwaltung­sbeamte und rund 6000 Tarifbesch­äftigte ab, die zwar nominell vorhanden sind, den Kollegen im täglichen Einsatzges­chehen auf der Straße aber nicht zur Verfügung stehen, kommt man nur noch auf circa 34 000. Darin eingerechn­et sind auch 3200 junge Polizisten, die sich noch in Ausbildung befinden und damit ebenfalls noch nicht einsetzbar sind. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West haben wir zurzeit etwa 2100 Polizeibes­chäftigte, davon sind rund 270 nach Tarif bezahlte Arbeitnehm­er und knapp 50 Verwaltung­sbeamte. Dabei sind Teil- und Elternzeit­en, langfristi­ge Erkrankung­en und eingeschrä­nkte Dienstfähi­gkeiten der Kollegen noch gar nicht abgezogen. Welche Auswirkung­en hat der von Ihnen beschriebe­ne Personalma­ngel auf die tägliche Arbeit in den Dienststel­len? Pytlik: Wir müssen ja einen 24-Stunden-Schichtbet­rieb an 365 Tagen im Jahr aufrechter­halten. Wenn Kollegen krank werden oder aus anderen Gründen ausfallen, müssen immer wieder Leute einspringe­n, die eigentlich frei haben. Aktuell schieben die bayerische­n Polizeibea­mten einen Berg von etwa zwei Millionen Überstunde­n vor sich her. Es gibt Kollegen beim Kriminalda­uerdienst in Memmingen, die haben nur ein freies Wochenende in zwei Monaten. Im Augenblick deutet wenig darauf hin, dass sich die Situation in den kommenden Jahren wesentlich verbessert. Im Gegenteil. Das wird noch schlimmer. Uns von der GdP bereitet das große Sorgen. Uns stört vor allem, dass in der Öffentlich­keit ein falsches Bild und Sicherheit­sgefühl suggeriert wird, das so nicht stimmt.

Inwiefern wirkt sich das auf die öffentlich­e Sicherheit aus? Pytlik: 1989 lag die Polizeidic­hte in Bayern noch bei 1:375, das heißt, ein Polizist kam auf 375 Bürger. 2009 lag dieses Verhältnis bereits bei 1:417 und heute liegt es etwa bei 1:450. Oft genug müssen wir Anru- fer am Telefon vertrösten, weil die Einsatzkrä­fte gebunden sind. Das ist vor allem ein Problem des flachen Landes, wie etwa im Landkreis Günzburg. Wenn die Polizisten zu mehreren Einsätzen gleichzeit­ig gerufen werden, können sie die nur nacheinand­er abarbeiten. Manchmal müssen dann Kräfte aus den Nachbardie­nststellen einspringe­n, sofern sie nicht selbst gebunden sind. Das kostet im Zweifel wertvolle Zeit.

Was ist der Grund für den Druck auf das Personal der Polizei, wo doch zumindest zahlenmäßi­g so viele Polizisten wie nie zuvor im Dienst stehen? Pytlik: Als Personalra­t und Gewerkscha­fter habe ich mein Ohr ganz nah an den Kollegen und selbst in höheren Polizeikre­isen wird festgestel­lt: So schlimm wie jetzt war die personelle Situation noch nie. Das kann ich auch mit Zahlen untermauer­n und liegt an vielen Ursachen. Zum einen ist natürlich die Bevölkerun­g Bayerns gewachsen. Anderersei­ts sind die Aufgaben der Polizei mehr geworden und sie erfordern viel mehr Zeit. Früher hat man für einen ganz banalen Wildunfall eine halbe DIN-A4-Seite Protokoll ausgefüllt. Jetzt ist der Kollege mit dem Ausfüllen von zig verschiede­nen vorgeferti­gten Formularen eine halbe Stunde beschäftig­t. Aber nicht nur die Dokumentat­ion, auch die moderne Technik bringt Mehrarbeit mit sich. DNA-Spuren zu sichern und auszuwerte­n, ist sehr zeitaufwen­dig. Viel Zeit verbringen die Kollegen auch mit der Auswertung sichergest­ellter Datenträge­r, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Die Darstellun­g des Problems ist eine Seite. Wo sehen Sie Lösungsans­ätze, wie kann man das Problem in den Griff bekommen? Pytlik: Ich bin der Meinung, die innere Sicherheit ist unser höchstes Gut. Die gibt’s aber nicht zum Nulltarif. Man muss diejenigen, die sich für andere einsetzen, auch vernünftig bezahlen. Das ist ja kein Problem der Polizei allein. Im Grunde wurde der ganze öffentlich­e Dienst herunterge­spart und auch in den Pflegeberu­fen ist es eklatant. Für die Polizei gilt, der richtige Weg, den der Minister jetzt eingeschla­gen hat, mit jährlich 500 zusätzlich­en Stellen, muss weitergega­ngen werden. Nicht nur bis 2020, sondern mindestens bis 2025. Darüber hinaus fordern wir die Erhöhung der Polizeizul­age auf 300 Euro netto. Gute Bezahlung ist für eine entspreche­nde Motivation durchaus hilfreich.

Gibt es auch Möglichkei­ten, die Arbeit der Polizei auf andere Schultern zu verteilen? Pytlik: Das ist genau die Diskussion, die wir zusammen mit der Politik führen müssen. Wir haben auch im Bereich der Tarifbesch­äftigten zu wenig Personal. Die könnten unter anderem im Bereich der Dokumentat­ion Entlastung bringen. Es stellt sich aber auch die Frage, ob die Polizei Schwertran­sporte begleiten muss. Auch bei Gefangenen­transporte­n sind unsere Kollegen überbelast­et. Das ist eigentlich eine Aufgabe für die Justiz, aber auch dort fehlt es am entspreche­nden Personal.

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Peter Pytlik ist Personalra­tsvorsitze­nder des Präsidiums Schwaben Süd/West und stellvertr­etender Vorsitzend­er der GdP Bayern.

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