Mittelschwaebische Nachrichten

Verhandlun­g wegen eines Sprachprob­lems

Ein komplizier­ter Vermietung­sstreit landet beim Günzburger Amtsgerich­t

-

Günzburg Einen Fall babylonisc­her Sprachverw­irrung hatte Richterin Franziska Braun am Amtsgerich­t Günzburg zu lösen. Zur Verhandlun­g stand der Vorwurf des Betruges und der Täuschung gegen einen türkischst­ämmigen Hausbesitz­er, der mit einem irakischen Mann einen Vertrag über die Anmietung einer Wohnung samt Laden und Ladeneinri­chtung geschlosse­n hatte.

Der Mietintere­ssent hatte dem Angeklagte­n 3000 Euro als eine Art Kaution übergeben, der Vertrag sollte am folgenden Tag mit einer weiteren Zahlung Gültigkeit erlangen, so erläuterte der Angeklagte in gebrochene­m Deutsch. Dieses Geld wollte der Interessen­t nun zurück, denn er war nicht eingezogen. Der lautete auf Betrug und vorsätzlic­he Täuschung, da der Hausbesitz­er womöglich nie die Absicht oder auch das Recht hatte, die unter Zwangsverw­altung stehende Wohnung zu vermieten. Der Hauseigent­ümer aber machte einen finanziell­en Schaden geltend, da der Interessen­t ohne Absage vom Vertrag zurückgetr­eten war und der Eigentümer sein Objekt mehrere Monate für den Vertragspa­rtner freihielt.

Grundlage war ein in Kauderwels­chdeutsch verfasster Vertrag. Doch der war für die Richterin kaum verständli­ch und würde wohl, so mutmaßte sie, keiner juristisch­en Überprüfun­g standhalte­n. Zudem sprach keine der Parteien die Mutterspra­che des anderen, der Bruder des Mietintere­ssenten übersetzte von schlechtem Deutsch ins Arabische. Letzterer hatte geltend gemacht, dass er die Anmietung von der Erlaubnis des Amtes abhängig gemacht habe, ob er aus dem Asylbewerb­erhaus aus- und in eine eigene Wohnung einziehen dürfe. Den Vorwurf gegen den Angeklagte­n, er habe sich mit der Vorauszahl­ung bereichert, konnte Anwalt Thomas Albrecht entkräften, da der Angeklagte das Geld sofort an den Gläubiger LBS weitergele­itet hatte.

Das Objekt in Ichenhause­n stand zwar zur Zeit des strittigen Vertrages unter Zwangsverw­altung, weil die Vormieter die Mietzinsen rund ein Jahr lang schuldig geblieben waren und eine Zwangsräum­ung einVorwurf geleitet werden musste. Der Angeklagte war so in eine schwierige finanziell­e Lage geraten. Da aber der gerichtlic­h bestellte Zwangsverw­alter im Raum Bodensee ansässig ist, bat Anwalt Albrecht die Kanzlei, dem Mandanten zu erlauben, für die Wohnung selbst einen Mieter zu suchen – wobei sich der Zwangsverw­alter ein Vorbehalts­recht ausbedunge­n hatte. Für das Gericht stand fest, dass weder Täuschung noch Betrug vorlagen. Richterin und Staatsanwa­ltschaft waren sich einig, dass der Streit aus Missverstä­ndnissen entstanden sei, da die Parteien, des Deutschen schlecht mächtig, den unklar formuliert­en Vertrag unterschie­dlich interpreti­ert hatten. Es gab einen Freispruch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany