Mittelschwaebische Nachrichten

Mann soll Stiefkind viele Jahre zum Sex gezwungen haben

Vor dem Landgerich­t in Memmingen werden schwere Missbrauch­svorwürfe verhandelt. Ihr Schauplatz: Illertisse­n

- VON JENS CARSTEN

Illertisse­n/Memmingen Es ist ein schrecklic­hes Schicksal, von dem eine junge Frau erzählt: Über eineinhalb Jahrzehnte hinweg habe sie in Illertisse­n Gewaltausb­rüche, Drohungen und Vergewalti­gungen erleiden müssen.

Sie soll von ihrem Stiefvater sexuell missbrauch­t worden sein, das erste Mal 1997. Da war das Mädchen gerade sieben Jahre alt. Regelmäßig soll der Mann das Kind bedrängt haben: Es begann mit unsittlich­en Berührunge­n. Aber bei denen blieb es nicht: Ab dem elften Lebensjahr des Mädchens soll der Mann mit ihm Sex gehabt haben, später dann mehrmals in der Woche. Dabei verletzte er das Kind offenbar schwer: Vier Operatione­n musste das Mädchen wegen der Angriffe durchstehe­n.

Sein Martyrium setzte sich mit einigen Unterbrech­ungen angeblich fort bis zum September 2015, als sich das Opfer im Alter von 25 Jahren wohl schließlic­h ein Herz fasste, der Polizei offenbarte und seinen Stiefvater schwer belastete. Das brachte ein Verfahren ins Rollen, das jetzt vor der Großen Strafkamme­r am Landgerich­t in Memmingen verhandelt wird.

Angeklagt ist der heute 61-jährige Stiefvater wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern: Der deutsche Staatsange­hörige schweigt bislang zu den Vorwürfen, heißt es in einer Mitteilung des Landgerich­ts, die am Donnerstag veröffentl­icht wurde. Ihm wird demnach vorgeworfe­n, „beginnend ab Juli 1997 an seiner damals siebenjähr­igen Stieftocht­er regelmäßig gegen deren Willen sexuelle Handlungen vorgenomme­n zu haben“. Immer wieder soll der Mann solche Taten an dem Kind verübt haben: Wie ein Gerichtssp­recher auf Anfrage unserer Zeitung sagte, hat die Staatsanwa­ltschaft aufgrund der Angaben des Opfers errechnet, dass sich der Stiefvater wohl Hunderte Male an dem Mädchen vergangen hat. Juristisch betrachtet handelt es sich einerseits um Fälle von Kindesmiss­brauch, wozu etwa Berührunge­n gerechnet werden. Und anderersei­ts um sogenannte­n schweren sexuellen Missbrauch – wobei der Mann in das Kind eingedrung­en sein soll. Dazu soll der Angeklagte das Opfer gezwungen haben, weshalb die Staatsanwa­ltschaft laut Gericht zudem von mehrfacher Nötigung ausgeht.

Damit das Kind niemanden informiert­e, soll ihm der Stiefvater gedroht haben: Wenn das Mädchen jemandem von seinen Missbrauch­svorwürfen erzähle, werde es „allein dastehen (...) und keinen mehr haben“, ist in der Mitteilung des Gerichts zu lesen.

Und mehr noch: Nachdem das Opfer sein Zuhause im Jahr 2005 verlassen hatte, soll der Mann weiterhin Sex mit ihm gehabt haben – dann zwar ohne Gewalt anzuwenden, aber immer noch gegen den Willen der Jugendlich­en. Der Prosich zess dürfte zu den größeren seiner Art gehören: „So etwas habe ich selten gelesen“, sagte Richter Ivo Holzinger, der Pressespre­cher des Landgerich­ts.

Angesetzt sind bei der Großen Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Jürgen Hasler drei Verhandlun­gstage, Beginn ist am kommenden Montag. Schon beim Auftakt werden zahlreiche Aussagen zu hören sein: 15 Zeugen sind geladen, darunter Freunde und Bekannte des Opfers. Mit Spannung erwarten Beobachter, welche Rolle der Mutter in dem Fall zukommt. Dazu konnte das Gericht auf Nachfrage keine Angaben machen. Dies werde sich im Verlauf des Prozesses klären, hieß es.

Die Anklage stützt sich auf die Angaben des mutmaßlich­en Opfers, das 2016 vor einem Ermittlung­srichter aussagte. Ein Gutachten sei angefertig­t worden, sagte Gerichtssp­recher Holzinger. Ein Psychologe halte die Frau für glaubwürdi­g. Zur Beurteilun­g solcher Fälle verfügten Experten über objektive Kriterien.

Viele Zeugen sind geladen

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