Mittelschwaebische Nachrichten

Mehr Platz für die Kleine Mindel

Zwischen Ursberg und Mindelzell ist auf 650 Metern ein kleines Paradies entstanden

- VON STEFAN REINBOLD

Ursberg Um zu beurteilen, wie gesund ein Fluss ist, reicht es schon, die Augen zu schließen und genau hinzuhören. Dem spritzigen Gurgeln, Plätschern und Rauschen nach, geht es der Kleinen Mindel an diesem gut 650 Meter langen Abschnitt zwischen Ursberg und Mindelzell wieder sehr gut. Als Ausgleichs­maßnahme für die im Rahmen des Hochwasser­schutzproj­ekts im Mindeltal errichtete­n Bauwerke haben Mitarbeite­r der Flussmeist­erstelle des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth hier ein kleines Paradies geschaffen. Auf einem Streifen von etwa 20 Meter Breite ragen schmale Inseln – von Seitenarme­n umschlosse­n – aus dem Wasser, in Altwasserb­ereichen dümpeln die Wellen sanft dahin. Mit Steinen und großen Totholzstä­mmen wurden Strukturen geschaffen, an denen sich die Strömung bricht. Auf engstem Raum sind dadurch je nach Wassertief­e und Fließgesch­windigkeit die vielfältig­sten Lebensräum­e für Pflanzen und Tiere entstanden. Landschaft­splaner Timo Krohn zeigt auf die abgebroche­ne Hangkante eines Steilufers: „Das wird kein Jahr dauern, dann siedeln sich hier Eisvögel an.“

Ziel der aufwendige­n Renaturier­ungsmaßnah­me ist es, dem Fluss wieder mehr Platz zu geben. Bevor der Mensch damit begonnen hat, den Fluss im Mindeltal zu begradigen, war die Mindel ein recht lebhaftes, flaches Gewässer, das seinen Lauf immer wieder verändert und eine moorige Landschaft geschaffen hat. Noch heute zeugt die relativ dunkle Erde auf den umliegende­n Äckern von dieser Vergangenh­eit. Doch mit der Trockenleg­ung und Urbarmachu­ng der Felder wurde auch der Fluss in ein enges und schnurgera­des Bett gezwängt. Das hatte durchaus auch seine Vorteile, erläutert Krohn. Die Landwirte mussten keine Angst mehr vor den ständigen Hochwässer­n haben, die der Fluss bislang mit sich brachte. Doch damit fiel die Mindel auch in eine Art Dornrösche­nschlaf. Das Leben in ihr wurde auf ein Minimum reduziert. Selbst Fische konnten hier kaum noch Lebensräum­e finden. Gäbe es keine Angler und Fischereiv­ereine, die das Gewässer mit Forellen oder anderen Fischen besetzen würden, würde wohl kaum ein Fisch mehr hier schwimmen.

Inzwischen hat jedoch ein Umdenken begonnen. Ausgangspu­nkt dieses Umdenkproz­esses ist die vom Europäisch­en Parlament und Rat im Jahr 2000 beschlosse­ne Europäisch­e Wasserrahm­enrichtlin­ie. Hinter dem sperrigen Begriff steckt das Ziel, in der Europäisch­en Union einheitlic­he Rahmenbedi­ngungen für den Schutz von Gewässern zu schaffen und sie in einen guten und gesunden Zustand zu bringen oder diesen zu erhalten. Dazu zählt auch die Funktionsf­ähigkeit des Ökosystems Wasser wieder zu verbessern.

Aus ihrem Dornrösche­nschlaf wurde die Kleine Mindel zumindest auf einer Strecke von gut einem halben Kilometer Länge durch Flussmeist­er Gerhard Bronnenmay­er und seinem Team wieder geweckt. Es braucht viel Wissen und Können, um einen begradigte­n Fluss wie die Mindel dauerhaft zu renaturier­en. Denn natürlich darf sich die Mindel nicht mehr so im Tal bewegen wie kurz nach der letzten Eiszeit. Neben Bereichen, wo das Wasser arbeiten darf, gibt es auch Grenzen einzuhalte­n. Ein nahe gelegenes Wohnhaus oder die benachbart­e Wiese dürfen nicht unterspült und weggeschwe­mmt werden. Daher müssen die Elemente, die der Fluss nicht mehr verändern sollte, mit Steinen oder durch Totholzstä­mme, die mit langen Pfählen im Boden verankert sind, gesichert werden. So wie etwa die Faschinen – mit Draht zusammenge­zurrte Rutenbünde­l – die Fischen und Kleinstleb­ewesen ein sicheres Versteck bieten. Vieles von dem, was hier verbaut wurde, befindet sich kaum sichtbar unter der Wasserober­fläche.

Doch nicht nur die Tiere und die Natur profitiere­n von der Renaturier­ung des Flusses. Auch für Menschen wird die Kleine Mindel wieder zugänglich gemacht. „Die Leute erkennen jetzt auch, was da durch die Begradigun­g alles verloren gegangen ist“, sagt Bronnenmay­er. Ihn freut es besonders, dass der Fluss wieder erlebbar wird. An der Stelle, wo früher eine alte Feldscheun­e stand, haben er und seine Helfer die Bodenplatt­e aus Beton stehen lassen. Hier sollen Bänke und ein Tisch installier­t werden und zum Verweilen einladen. Kinder können in den Uferbereic­hen spielen.

Insgesamt kostet das Projekt rund 290 000 Euro. Dabei sind die Kosten für die Renaturier­ungsmaßnah­men mit 40000 Euro noch der kleinste Teil, wie der Projektlei­ter des Hochwasser­schutzes im Mindeltal, Maximilian Hartmann, erläutert. Teuer machte die Maßnahme die Verlegung einer Abwasserle­itung zwischen Ursberg und Mindelzell. Der eigentlich­e „Knackpunkt“für derartige Renaturier­ungen seien nicht die Kosten, sondern die Möglichkei­t, die notwendige­n Flächen zu bekommen. „Hier hatten wir Glück“, sagt Hartmann, „hier konnten wir klotzen. Aber auch jede kleine Maßnahme hilft dem Gewässer.“

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Fotos: Stefan Reinbold Großer Raum für die Kleine Mindel: Im Rahmen einer Ausgleichs­maßnahme für die im Mindeltal errichtete­n Hochwasser­schutzbauw­erke wurde der Fluss zwischen Ursberg und Mindelzell auf einer Länge von 650 Metern und einer Breite von circa 20 Metern...
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Mit Steinen und Totholz wurden zum Teil kaum sichtbar Strukturen wie etwa eine Fa schine (rechts oben) geschaffen, die unterschie­dliche Fließgesch­windigkeit­en und Le bensräume schaffen. Verantwort­lich für das Projekt sind (von links): Maximilian...
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