Mittelschwaebische Nachrichten
Mehr Platz für die Kleine Mindel
Zwischen Ursberg und Mindelzell ist auf 650 Metern ein kleines Paradies entstanden
Ursberg Um zu beurteilen, wie gesund ein Fluss ist, reicht es schon, die Augen zu schließen und genau hinzuhören. Dem spritzigen Gurgeln, Plätschern und Rauschen nach, geht es der Kleinen Mindel an diesem gut 650 Meter langen Abschnitt zwischen Ursberg und Mindelzell wieder sehr gut. Als Ausgleichsmaßnahme für die im Rahmen des Hochwasserschutzprojekts im Mindeltal errichteten Bauwerke haben Mitarbeiter der Flussmeisterstelle des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth hier ein kleines Paradies geschaffen. Auf einem Streifen von etwa 20 Meter Breite ragen schmale Inseln – von Seitenarmen umschlossen – aus dem Wasser, in Altwasserbereichen dümpeln die Wellen sanft dahin. Mit Steinen und großen Totholzstämmen wurden Strukturen geschaffen, an denen sich die Strömung bricht. Auf engstem Raum sind dadurch je nach Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit die vielfältigsten Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstanden. Landschaftsplaner Timo Krohn zeigt auf die abgebrochene Hangkante eines Steilufers: „Das wird kein Jahr dauern, dann siedeln sich hier Eisvögel an.“
Ziel der aufwendigen Renaturierungsmaßnahme ist es, dem Fluss wieder mehr Platz zu geben. Bevor der Mensch damit begonnen hat, den Fluss im Mindeltal zu begradigen, war die Mindel ein recht lebhaftes, flaches Gewässer, das seinen Lauf immer wieder verändert und eine moorige Landschaft geschaffen hat. Noch heute zeugt die relativ dunkle Erde auf den umliegenden Äckern von dieser Vergangenheit. Doch mit der Trockenlegung und Urbarmachung der Felder wurde auch der Fluss in ein enges und schnurgerades Bett gezwängt. Das hatte durchaus auch seine Vorteile, erläutert Krohn. Die Landwirte mussten keine Angst mehr vor den ständigen Hochwässern haben, die der Fluss bislang mit sich brachte. Doch damit fiel die Mindel auch in eine Art Dornröschenschlaf. Das Leben in ihr wurde auf ein Minimum reduziert. Selbst Fische konnten hier kaum noch Lebensräume finden. Gäbe es keine Angler und Fischereivereine, die das Gewässer mit Forellen oder anderen Fischen besetzen würden, würde wohl kaum ein Fisch mehr hier schwimmen.
Inzwischen hat jedoch ein Umdenken begonnen. Ausgangspunkt dieses Umdenkprozesses ist die vom Europäischen Parlament und Rat im Jahr 2000 beschlossene Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Hinter dem sperrigen Begriff steckt das Ziel, in der Europäischen Union einheitliche Rahmenbedingungen für den Schutz von Gewässern zu schaffen und sie in einen guten und gesunden Zustand zu bringen oder diesen zu erhalten. Dazu zählt auch die Funktionsfähigkeit des Ökosystems Wasser wieder zu verbessern.
Aus ihrem Dornröschenschlaf wurde die Kleine Mindel zumindest auf einer Strecke von gut einem halben Kilometer Länge durch Flussmeister Gerhard Bronnenmayer und seinem Team wieder geweckt. Es braucht viel Wissen und Können, um einen begradigten Fluss wie die Mindel dauerhaft zu renaturieren. Denn natürlich darf sich die Mindel nicht mehr so im Tal bewegen wie kurz nach der letzten Eiszeit. Neben Bereichen, wo das Wasser arbeiten darf, gibt es auch Grenzen einzuhalten. Ein nahe gelegenes Wohnhaus oder die benachbarte Wiese dürfen nicht unterspült und weggeschwemmt werden. Daher müssen die Elemente, die der Fluss nicht mehr verändern sollte, mit Steinen oder durch Totholzstämme, die mit langen Pfählen im Boden verankert sind, gesichert werden. So wie etwa die Faschinen – mit Draht zusammengezurrte Rutenbündel – die Fischen und Kleinstlebewesen ein sicheres Versteck bieten. Vieles von dem, was hier verbaut wurde, befindet sich kaum sichtbar unter der Wasseroberfläche.
Doch nicht nur die Tiere und die Natur profitieren von der Renaturierung des Flusses. Auch für Menschen wird die Kleine Mindel wieder zugänglich gemacht. „Die Leute erkennen jetzt auch, was da durch die Begradigung alles verloren gegangen ist“, sagt Bronnenmayer. Ihn freut es besonders, dass der Fluss wieder erlebbar wird. An der Stelle, wo früher eine alte Feldscheune stand, haben er und seine Helfer die Bodenplatte aus Beton stehen lassen. Hier sollen Bänke und ein Tisch installiert werden und zum Verweilen einladen. Kinder können in den Uferbereichen spielen.
Insgesamt kostet das Projekt rund 290 000 Euro. Dabei sind die Kosten für die Renaturierungsmaßnahmen mit 40000 Euro noch der kleinste Teil, wie der Projektleiter des Hochwasserschutzes im Mindeltal, Maximilian Hartmann, erläutert. Teuer machte die Maßnahme die Verlegung einer Abwasserleitung zwischen Ursberg und Mindelzell. Der eigentliche „Knackpunkt“für derartige Renaturierungen seien nicht die Kosten, sondern die Möglichkeit, die notwendigen Flächen zu bekommen. „Hier hatten wir Glück“, sagt Hartmann, „hier konnten wir klotzen. Aber auch jede kleine Maßnahme hilft dem Gewässer.“