Mittelschwaebische Nachrichten

Weniger Plastik ist auch keine Lösung

Handel reduziert Tüten deutlich. Doch auch die Alternativ­en aus Papier sind problemati­sch

- VON IDA KÖNIG

Augsburg Innerhalb eines Jahres hat sich der Verbrauch von Plastiktüt­en an deutschen Supermarkt­kassen von 6,8 Milliarden Stück im Jahr 2015 auf 3,7 in 2016 reduziert. Das entspricht einem Rückgang von 68 auf 45 Tüten pro Person und Jahr – auf den ersten Blick eine erfreulich­e Bilanz für den Umweltschu­tz. Grund dafür ist die freiwillig­e Selbstverp­flichtung, auf die sich der Deutsche Handelsver­band mit dem Umweltmini­sterium geeinigt hat. Gut 350 Unternehme­n verlangen für ihre Plastiktüt­en seitdem entweder einen geringen Betrag oder haben sie aus dem Sortiment genommen.

Der Sprecher des Handelsver­bandes, Stefan Hertel, ist deshalb überzeugt davon, dass die Aktion wirkt – ob der Effekt in diesem Jahr noch einmal so deutlich sein wird, kann er aber nicht vorhersage­n. Zahlen gibt es außerdem dafür, wie stark der Verbrauch von Papiertüte­n in demselben Zeitraum angestiege­n ist, sagt Katharina Istel vom Naturschut­zbund Deutschlan­d. Das findet die Umweltexpe­rtin bedenklich. Denn dass die Papiertüte ökologisch noch schlechter dasteht als die Variante aus Plastik, ist auch Befürworte­rn der freiwillig­en Selbstverp­flichtung wie Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) nicht neu. Die Ministerin räumte dies bereits zur Einführung der Richtlinie ein. Die schlechte Ökobilanz kommt dadurch zustande, dass zur Herstellun­g von Papiertüte­n viel Wasser, Chemie und Frischfase­rn verwendet werden müssen, um sie reißfest zu machen. Zwar haben einige Supermarkt­ketten wie Aldi auch diese Einwegtüte­n komplett aus ihren Regalen verbannt, gerade im Textilhand­el werden sie aber als kostenlose Alternativ­e zu Plastik genutzt. Thomas Fischer, der den Bereich Kreislaufw­irtschaft der Deutschen Umwelthilf­e leitet, plädiert deshalb für ein anderes Modell. Er fordert eine verpflicht­ende Abgabe von mindestens 20 Cent pro Einwegtüte an den Staat, egal, ob sie aus Plastik oder Papier besteht. Hintergrun­d: Durch das freiwillig­e Modell bleiben die Einnahmen bei den Unternehme­n, die so an den Tüten verdienen und mit großen Aufdrucken auf den Taschen zusätzlich Werbung für sich machen. Viele Firmen würden durch den geringen Beitrag zwar signalisie­ren, sich für die Umwelt zu engagieren, es aber nicht konsequent umsetzen, sagt Fischer. Müsste der Handel die Tüten gewisKeine sermaßen für den Staat verkaufen, bestünde kein Interesse mehr, sie im Sortiment zu behalten. In Finnland, Dänemark und Irland funktionie­re dieses Modell bereits.

Deutlich drastische­r gehen einige afrikanisc­he Staaten gegen Plastikver­packungen vor. In Ruanda gibt es ein Gesetz, das die Herstellun­g und Verwendung verbietet. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geld- und sogar Gefängniss­trafen rechnen. Im Sommer führte auch Kenia ein solches Gesetz ein. Die Strafzahlu­ngen können bis zu 32 000 Euro betragen. Sie hängen allerdings mit einem Umstand zusammen, der in Deutschlan­d kaum noch ein Thema ist. In Afrika wurden Verpackung­en häufig am Straßenran­d entsorgt oder landeten im Meer. Dort richtet Papier deutlich weniger Schaden an als Plastik.

Mit Lösungside­en für das Problem befasst sich unser

Die Ökobilanz fällt noch schlechter aus

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