Mittelschwaebische Nachrichten

Ist die ganze Mühe um den Klimaschut­z vergebens?

In die Bonner Konferenz platzt die Nachricht: Erstmals seit langem wird weltweit wieder mehr Kohlendiox­id freigesetz­t. Es mangelt an mutigen Entscheidu­ngen

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wenigstens ihren konkreten Arbeitsauf­trag wird die am Wochenende zu Ende gehende Weltklimak­onferenz erfolgreic­h erledigen: Das Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Abkommens, mit dem der globale Temperatur­anstieg auf zwei, besser noch auf 1,5 Grad begrenzt werden soll, nimmt Gestalt an. Aber das, was draußen in der Welt passiert, hat die Abgesandte­n aus knapp 200 Staaten im Bonner Konferenzz­entrum frustriert: Erstmals seit drei Jahren steigt der Kohlendiox­id-Ausstoß in diesem Jahr global wieder an – dabei kann nur die Eindämmung dieser CO2-Emissionen die drohende Überhitzun­g im Treibhaus Erde verhindern.

Hauptgrund für die unerfreuli­che Entwicklun­g ist der steigende Energiever­brauch in China. Das aufstreben­de Land, der bevölkerun­gsreichste Staat der Welt, ist der größte CO2-Produzent. Allerdings verbraucht ein Chinese auch heute nicht mehr als ein Viertel der Energiemen­ge, die ein Amerikaner konsumiert.

Kann man China dafür schelten, dass es sich zu einem Industries­taat entwickelt? Natürlich nicht. Im Grunde hat jeder Mensch das gleiche Recht, Energie zu verbrauche­n. Doch sollten die Chinesen eines Tages so viel Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennen wie die Amerikaner, dann wäre aller Klimaschut­z vergebens.

Deswegen müssen einerseits die Industries­taaten runter von ihrem hohen Energiever­brauch, und anderersei­ts muss Staaten wie China ein moderater Anstieg zugestande­n werden. Die Entwicklun­gsländer sollten dabei jedoch nicht die Fehler der Europäer und Nordamerik­aner wiederhole­n, sondern die Phase der schmutzige­n Energieerz­eugung am besten überspring­en und direkt ins Zeitalter der sauberen Energien einsteigen.

Dafür, und auch, um sich vor den teilweise katastroph­alen Auswirkung­en des von den Industries­taaten ausgelöste­n Klimawande­ls zu schützen, brauchen sie Hilfe. Doch der Finanztopf, der dafür bereitgest­ellt werden soll, ist noch längst nicht gefüllt – und der angekündig­te Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen macht diese Aufgabe nicht leichter.

Gleiches gilt für die Eindämmung der Emissionen in den Industries­taaten. Auf der Bonner Konferenz hat sich gezeigt, dass zwischen den von den Regierunge­n zugesagten Emissionsm­inderungen und dem für 2030 angestrebt­en Ziel eine gewaltige Lücke klafft. Das heißt: Alle müssen sich mehr anstrengen. Doch selbst bisherige Musterländ­er wie Deutschlan­d reißen ihre selbst gesteckten Ziele. Und von der aktuellen US-Regierung ist nichts Konstrukti­ves zu erwarten.

2015 ist das Pariser Abkommen groß gefeiert worden. Aber noch steht alles unter Vorbehalt. „Ein wirklicher Durchbruch war Paris nur dann, wenn wir der Vereinbaru­ng jetzt auch Taten folgen lassen“, sagte Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier in Bonn. Er hat es auf den Punkt gebracht.

Handeln müssen die Regierunge­n – aber wohin man auch blickt, es mangelt an mutigen Entscheidu­ngen. Angela Merkel beschädigt­e in Bonn ihren Ruf als Klimakanzl­erin, weil sie keinen Kohleausst­ieg ankündigte. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron tat dies zwar – aber es war ein billiger Triumph: In seinem Land dominiert die Atomkraft.

Doch zum Wegducken bleibt keine Zeit, der Klimawande­l schreitet voran. Auch Deutschlan­d ist verpflicht­et, seinen Beitrag zu leisten. Trotz der zusätzlich­en Schwierigk­eit, bis 2022 den Atomaussti­eg umsetzen zu müssen, könnten wenigstens die schmutzigs­ten Kohlekraft­werke stillgeleg­t werden. So könnte eine künftige Bundesregi­erung zeigen, dass sie im Klimaschut­z handlungsf­ähig ist.

Kohlekraft­werke werden zur Nagelprobe

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Zeichnung: Haitzinger „…oder doch nicht???“

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