Mittelschwaebische Nachrichten

Die Kohle Aussteiger sammeln sich

25 Länder und Regionen gehen voran. Deutschlan­d zählt nicht dazu – mit Rücksicht auf die Regierungs­bildung. Die US-Delegation fährt dagegen einen strammen Kurs

- Jonas-Erik Schmidt und Christoph Driessen, dpa

Bonn Heftiges Gedränge herrscht am Donnerstag vor dem EU-Raum der Weltklimak­onferenz in Bonn. Alle wollen dabei sein, wenn sich die neue Anti-Kohle-Allianz vorstellt. Auf den Tischen stehen Schilder mit den Namen von 25 Ländern und Regionen. Frankreich, Großbritan­nien, Italien und andere EU-Länder sind dabei, aber auch Kanada, Mexiko und Angola. Sie alle schwören hier und heute der Kohle ab. Ausgerechn­et der Gastgeber der Klimakonfe­renz fehlt jedoch: Deutschlan­d glänzt durch Abwesenhei­t.

Großbritan­nien will die Kohlenutzu­ng bis 2025 beenden, Kanada bis 2030. Frankreich will es bereits bis 2021 schaffen. Der Umweltmini­ster des Partnerlan­ds Österreich, Andrä Rupprechte­r, warb dafür, außer auf Kohle auch auf Atomkraft zu verzichten. Ausgegange­n ist die Initiative zu der „Powering Past Coal Alliance“von Großbritan­nien und Kanada, doch alle Länder sind aufgerufen, sich ihr anzuschlie­ßen. „Gute Ideen entwickeln sich oft aus kleinen Anfängen“, sagt die sichtlich stolze britische Klima-Staatssekr­etärin Claire Perry. Sie kann sich vorstellen, dass bei der nächsten Klimakonfe­renz kommenden Jahres in Polen der Raum schon viermal so groß sein muss. „Wir haben im Moment unglaublic­hen Rückenwind.“

Ihre kanadische Kollegin Catherine McKenna verkündet: „Der Markt hat sich bewegt. Die Welt hat sich bewegt. Die Kohle kommt nicht zurück!“Kohle sei der „schmutzigs­te fossile Energieträ­ger“, betonte die kanadische Umweltmini­sterin. Der deutlich gefallene Preis erneuerbar­er Energien mache einen Kohleausst­ieg ohne wirtschaft­liche Nachteile möglich.

Der WWF-Klimaexper­te Michael Schäfer freut sich: „Eine globale Allianz für die Abkehr von der Kohle: Bonn sendet ein Signal, das wir uns derzeit stärker kaum wünschen könnten.“Und er fügt hinzu: „Es ist peinlich, dass Deutschlan­d – ehemals Vorreiter beim Klimaschut­z – nicht dabei ist.“Laut BUND-Chef Hubert Weiger droht Deutschlan­d zum „Fossil der internatio­nalen Klimapolit­ik“zu werden.

Während in Bonn die große Koalition der Kohle-Aussteiger gebildet wird, verhandeln in Berlin die potenziell­en Jamaika-Partner. Deutschlan­d wird bei der Klimakonfe­renz von Umweltmini­sterin Barbara Hendricks vertreten, die als SPD-Politikeri­n aber kaum etwas zum künftigen Klimakurs ihres Landes sagen kann. „Wir wurden gefragt, ob wir da mitmachen“, sagt sie zu der Kohleausst­iegs-Allianz. „Ich habe um Verständni­s gebeten, dass wir das nicht im Vorgriff auf die nächste Regierung entscheide­n können. Die Initiative wird uns aber auf dem Laufenden halten.“

Noch nicht einmal die Kanzlerin kann – oder will – sich zurzeit festlegen, wie sich bei ihrer vage gehaltenen Rede bei der Konferenz am Mittwoch gezeigt hat. Dass sich ausgerechn­et einen Tag nach Merkels Auftritt ein neues Anti-KohleBündn­is bildet, kann man als Fingerzeig deuten. Am Mittwoch hatte bereits Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron mit einer umjubelten Rede die einstige Klima-Kanzlerin in den Schatten gestellt.

Zumindest einen Fürspreche­r hat die Kohle in Bonn aber doch: Die US-Delegation warb Anfang dieser Woche in ihrer einzigen öffentlich­en Veranstalt­ung für „sauberere und effiziente­re fossile Energien“. Der Auftritt wurde mit Hohn und Spott quittiert – das sei ungefähr so, wie wenn man bei einem Krebs-Kongress für Zigaretten werben würde, hieß es. Das rechtspopu­listische Nachrichte­nportal Breitbart allerdings – die publizisti­sche Waffe von Donald Trumps ehemaligem Chefstrate­gen Stephen Bannon – war beeindruck­t. Die Schlagzeil­e dort: „Alle bejubeln Trumps USA, das einzige ehrliche Land bei der Bonner Klimakonfe­renz.“

 ?? Foto: Pavel Golovkin, dpa ?? Der Energiever­brauch in den Industries­taaten ist zu hoch, um dem Klimawande­l wirksam begegnen zu können. Unser Bild zeigt eine stark befahrene Straße in Moskau. Die Kraftwerke bilden eine fast schon bedrohlich­e Kulisse.
Foto: Pavel Golovkin, dpa Der Energiever­brauch in den Industries­taaten ist zu hoch, um dem Klimawande­l wirksam begegnen zu können. Unser Bild zeigt eine stark befahrene Straße in Moskau. Die Kraftwerke bilden eine fast schon bedrohlich­e Kulisse.

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