Mittelschwaebische Nachrichten
Tausende demonstrieren gegen Rechtspopulisten
Gegenwind für die neue Koalition. Bundespräsident zeigt zwei FPÖ-Politikern die Rote Karte
Wien Mit Kerzen, Handylampen und Fackeln bildeten am Mittwochabend mehrere tausend Menschen eine Lichterkette um das Regierungsviertel in der Wiener Innenstadt. Sie protestierten damit gegen eine Beteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) an einer künftigen österreichischen Regierung. Es gehe dabei „ganz konkret um Personen“, die Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen pflegen, sagte der Veranstalter Alexander Pollak von „SOS Mitmensch“, „große Teile der FPÖParteiführung“gehörten dazu.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußert sich besorgt über die Politiker, die für die FPÖ die Koalitionsverhandlungen mit der konservativen ÖVP führen. Er sagte am Freitag gegenüber Botschaftern der 27 EU-Mitgliedsstaaten, er werde sich zwar nicht grundsätzlich gegen die Koalition stellen. Aus Kreisen der Diplomaten hieß es, dass Van der Bellen das Innen- und das Außenministerium für „hochsensibel“halte und er mit Argusaugen darauf achten werde, wer Finanzund Justizminister werde.
Zwei Mitgliedern der FPÖ-Führung, die in den Koalitionsverhandlungen für die Außen- und Europapolitik zuständig sind, zeigte Van der Bellen offensichtlich im Gespräch mit den Botschaftern die Rote Karte: Es geht um den hoch bezahlten Wiener Vizebürgermeister ohne Zuständigkeitsbereich Johannes Gudenus, dessen Vater John 2006 wegen Leugnung des Holocaust verurteilt worden war. Johannes Gudenus unterhält enge Beziehungen zu Putin, lehnt die Sanktionen gegen Russland ab und hatte als Wahlbeobachter bei einem Referendum über die Annektierung der Krim durch Russland erklärt, es sei alles korrekt abgelaufen. In Moskau rief er 2014 zum „Kampf gegen die internationale Homosexuellenlobby“auf. Bei einer Wahlveranstaltung 2013 hatte Gudenus gedroht, wenn Strache Kanzler werde und die FPÖ den Innenminister stelle, heiße es „Knüppel aus dem Sack für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier“. Ebenfalls nicht vereidigen will Van der Bellen nach Berichten der Botschafter den FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordneten Harald Vilimsky. Er ist stellvertretender Fraktionschef des Bündnisses Europa der Nationen und der Freiheit und bildet die FPÖ-Schnittstelle zu den in der Anti-EU-Fraktion versammelten rechtspopulistischen und rechtsextremen Bewegungen. Neben der AfD gehören der Fraktion Marine Le Pen vom französischen Front National, der Vlaams Belang aus Belgien, die italienische Lega Nord und die niederländische WildersPartei an.
Weder die FPÖ noch das Büro Van der Bellen nahmen offiziell zu den Berichten Stellung. Die FPÖ versucht, Van der Bellen derzeit möglichst wenig zu provozieren. Dazu passt, dass ein FPÖ-Politiker aus Niederösterreich, von dem alte Fotos beim Hitlergruß existieren, gestern von seinem Mandat für die Länderkammer zurücktrat.
Wichtiger als Vilimsky und Gudenus ist der FPÖ offenbar, dass Van der Bellen bisher weder die Eignung von Norbert Hofer noch von Heinz Christian Strache für Regierungsaufgaben in Abrede stellt. Die Sorge, der Bundespräsident könne ähnlich scharf reagieren wie sein Vorgänger Thomas Klestil gegenüber der Schüssel-Regierung, besteht jedoch weiter. Damals hatte die FPÖ unter Haider der ÖVP große Zugeständnisse gemacht und sich anschließend gespalten. Deshalb versuchen die Freiheitlichen jetzt in den Koalitionsverhandlungen möglichst viel herauszuholen. Das Ringen um Details verlängert den Prozess, was ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht recht ist. Schließlich will er vor Weihnachten fertig werden. Denn je länger die Verhandlungen sich hinziehen, desto stärker muss er auch die ÖVP-Landeschefs einbeziehen, die ihre eigenen, teilweise abweichenden Interessen im Auge haben.