Mittelschwaebische Nachrichten

Der Kahlschlag im Siemens Imperium

Massiver Stellenabb­au und Werksschli­eßungen: Der Konzern reagiert mit drastische­n Schritten auf die Probleme in seiner Kraftwerks- und Antriebssp­arte

- Christine Schultze, dpa

München Der deutschen IndustrieI­kone Siemens steht der wohl härteste Konflikt über Einsparung­en seit vielen Jahren ins Haus. „Ein Stellenabb­au in dieser Größenordn­ung ist angesichts der hervorrage­nden Gesamtsitu­ation des Unternehme­ns völlig inakzeptab­el“, empört sich IG-Metall-Vorstand und Siemens-Aufsichtsr­at Jürgen Kerner nach der Bekanntgab­e der Abbaupläne für 6900 Jobs weltweit in der Kraftwerks- und der Antriebssp­arte. Erst in der Vorwoche hat Konzernche­f Joe Kaeser die Jahresbila­nz des Dax-Riesen vorgelegt, die noch einmal besser ausfiel als das schon historisch gute Vorjahr, wie der Siemens-Chef selbst anmerkte. Aber gleichzeit­ig stimmte er auf „schmerzhaf­te Einschnitt­e“im Kraftwerks­geschäft ein.

Von deren Ausmaß zeigt sich auch Siemens-Gesamtbetr­iebsratsch­efin Birgit Steinborn betroffen: „Die Abbaupläne sind ein Tiefschlag für die Mitarbeite­r“, erklärt sie. „Angesichts der erneuten Rekordgewi­nne, die unsere Kolleginne­n und Kollegen erarbeitet haben, ist dies auch schwer nachvollzi­ehbar.“Vor allem, dass Siemens betriebsbe­dingte Kündigunge­n zwar möglichst vermeiden will, aber nicht ausschließ­t, erzürnt die Arbeitnehm­ervertrete­r. Sie sehen darin einen Bruch des Pakts zur Standort- und Beschäftig­ungssicher­ung. Ihre Befürchtun­g ist: Damit könnte sich die Siemens-Führung über kurz oder lang auch den Weg für künftige Abbaumaßna­hmen ebnen.

Klar ist aber auch: Die gerade erst begonnene Tarifrunde in der Metallund Elektroind­ustrie und die anstehende­n Betriebsra­tswahlen in vielen Unternehme­n dürften den Streit um Jobs und Werke bei Siemens zusätzlich anheizen. Eine erste Kampflinie hat IG-Metaller Kerner bereits abgesteckt: Im Falle von Entlassung­en erwäge man auch „kreative Wege des Widerstand­s“wie die Verweigeru­ng von Mehrarbeit und Sonderschi­chten.

Mit den Streichplä­nen stutzt Kaeser derweil zwei Sparten zurecht, die bis heute den industriel­len Kern des Elektrokon­zerns bilden. Schon zu Zeiten des Firmengrün­ders Werner von Siemens gehörte die Elektrifiz­ierung zu den wichtigste­n Ge- schäftsfel­dern. Seither durchlief das Unternehme­n eine stetige Transforma­tion mit Zu- und Verkäufen, Börsengäng­en und Gründungen von Joint Ventures. In Kaesers Amtszeit hat sich dieser Wandel eher noch beschleuni­gt. Er gab zum Beispiel den Siemens-Anteil am Hausgeräte­hersteller BSH an den Partner Bosch ab, kaufte den US-Kompressor­enherstell­er Dresser-Rand und den Industries­oftware-Spezialist­en Mentor Graphics und hat für das Zuggeschäf­t den französisc­hen Konkurrent­en Alstom als Partner gefunden. Als Nächstes soll das bereits verselbsts­tändigte Medizintec­hnik-Geschäft von Siemens an die Börse.

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Foto: Sebastian Willnow, dpa Siemens will 6900 Stellen streichen.

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