Mittelschwaebische Nachrichten

Die Siemens-Sünde im Osten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Ende September stand der Siemens-Chef noch als Held da. Joe Kaeser war es gelungen, die Franzosen zu einer Bahn-Ehe von TGV und ICE zu überreden – und das auch mit leichter deutscher Dominanz. Spätestens seit gestern hat er sich aber den Ruf als massenhaft­er Job-Abbauer erworben, der selbst nicht davor zurückschr­eckt, in einer struktursc­hwachen Region wie dem sächsische­n Görlitz eine Fabrik zu schließen. Angesichts von Milliarden­gewinnen und einem auch am Donnerstag steigenden Aktienkurs liefert Kaeser seinen Kritikern reichlich Munition frei Haus. Kaum einer will jetzt mehr wissen, dass Siemens in Deutschlan­d die Zahl der Stellen zuletzt um 2000 auf 115 000 gesteigert hat. So dringt der Manager mit seinen Argumenten für den JobKahlsch­lag nur noch bei Wirtschaft­skennern durch. Dabei muss der Vorstandsc­hef in der betroffene­n Kraftwerks­sparte handeln, weil sich die Branche in einem Umbruchpro­zess befindet. Gerade große Siemens-Gaskraftwe­rke sind nicht mehr so gefragt. Denn trotz aller Klimaversp­rechen werden dreckige, aber günstigere Kohlekraft­werke weiter betrieben. Hinzu kommt der Windkraft-Boom.

Gewerkscha­fter hätten es verstanden, wenn Kaeser das Kraftwerks­geschäft mit Augenmaß umgebaut hätte. Doch er hat das Maß verloren. Ausgerechn­et im Osten kalt-kapitalist­isch vorzugehen, treibt der AfD noch mehr Wähler zu. Genau das wollte der SiemensChe­f immer verhindern. Er genügt seinen eigenen Ansprüchen nicht.

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