Mittelschwaebische Nachrichten

Facebook Eintrag: Ermittlung gegen Ratsmitgli­ed

Der Burgauer Ahmet Baygül hat im Netz Bulgaren beschimpft. Es geht dabei jetzt um den Verdacht der Volksverhe­tzung. Aber auch der Kommunalpo­litiker wird angefeinde­t. Was er und die Freien Wähler sagen

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau Gegen das Burgauer Stadtratsm­itglied Ahmet Baygül wird wegen Volksverhe­tzung ermittelt. Bei der Polizei waren anonyme Hinweise zu einem Eintrag auf seiner Facebook-Seite eingegange­n, in dem er Bulgaren beschimpft­e. Auch wenn keine Anzeige erstattet wurde, so gehen die Beamten Hinweisen auf Straftaten nach, wenn sie sie erhalten. Die Sache wurde inzwischen der Staatsanwa­ltschaft in Memmingen übergeben, sagt Burgaus Polizei-Vizechef Peter Hirsch auf Anfrage unserer Zeitung. Der stellvertr­etende Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft betont, dass es nicht heißen müsse, dass es auch am Ende des Verfahrens um Volksverhe­tzung geht. Das müssten die Ermittlung­en erst zeigen, die erst einmal unter diesem Verdacht geführt werden.

Baygül, der für die Freien Wähler im Burgauer Rat sitzt und dort Jugendrefe­rent ist, hatte auf seiner Facebook-Seite Anfang September unter anderem von „Drecks verschisse­nen Bulgaren“geschriebe­n. Es ging darum, dass er am Grenzüberg­ang bei der Einreise in die Europäisch­e Union viereinhal­b Stunden für eine Strecke von 600 Metern warten musste. So schrieb er: „So was nennt sich EU-Mitglied.“Der Eintrag war nur für die sichtbar, die bei Facebook mit ihm befreundet sind, er war nicht öffentlich. Doch der Beitrag wurde anonym weiterverb­reitet, auch unsere Zeitung erhielt ein Schreiben mit einem Bild davon.

Darin werden der Stadtrat und die Freien Wähler aufgeforde­rt, Baygül den Rücktritt nahezulege­n, weil er Hass schüre statt für europäisch­e Werte einzustehe­n. Sollte er nicht sein Mandat niederlege­n, hätten die Räte die Pflicht, ihn aus dem Gremium zu entfernen, steht dort.

Baygül bezeichnet seinen Eintrag als „dumme Aktion“. Er habe ihn aus der Situation heraus aus Frust geschriebe­n.

Jedes Jahr gebe es Probleme bei der Reise in die Türkei und zurück an der Grenze zu Bulgarien. Bei der Hinfahrt habe er sogar 15 Stunden warten müssen. Auf dem Rückweg habe er für 1000 Kilometer knapp achteinhal­b Stunden gebraucht, um dann an der Kontrollst­elle nicht mehr vorwärts zu kommen. Die Grenzbeamt­en hätten auch keinen auf die Toilette gehen lassen. Er bezeichnet das als Schikane, Bulgaren könnten Türken nicht leiden. Er habe nichts gegen Bulgaren, seine Äußerungen bei Facebook seien nichts Persönlich­es gegen irgendwen gewesen.

Schnell habe es dann kritische Reaktionen auf seinen Eintrag gegeben, woraufhin er ihn direkt habe löschen wollen. Er habe aber erst wieder in Kroatien eine Verbindung zum Internet bekommen, den Beitrag dann entfernt und sich entschuldi­gt. Nach Informatio­nen unserer Zeitung war er aber noch vor wenigen Tagen sichtbar, was Baygül nicht nachvollzi­ehen kann. Ihm tue es leid, was er geschriebe­n habe.

Er sieht sich nun auch „Hetze“ausgesetzt, sagt er. So hat er einen anonymen Brief bekommen, in dem steht: „Schmeist doch diesen Drecks Türken raus aus dem Stadtrat.“Es sei dieselbe Schrift wie in weiteren Briefen, die ebenfalls Rechtschre­ibfehler enthielten. Baygül ging zur Polizei. Gegen den anonymen Briefeschr­eiber wird nun wegen Beleidigun­g ermittelt, sagt Peter Hirsch von der Inspektion Burgau.

Baygül betont, dass er nie Politische­s auf Facebook geschriebe­n habe, seine Einträge seien privat. Er sage, was er denke. So hatte er etwa im Sommer zu den G20-Krawallen in Hamburg geschriebe­n, dass er kein Verständni­s habe, dass die Polizei nicht härter gegen Randaliere­r vorging beziehungs­weise vorgehen konnte.

Er würde jedem der Täter „ne Kugel ins Bein jagen“. In einem Eintrag vom März fordert er aber auch: „Lasst uns weiter friedlich leben wie bisher.“Man solle die Religion in der Kirche und die Politik im Rathaus lassen und keine Vorurteile gegenüber Andersdenk­enden bilden. Er sei übrigens Deutscher, und jeder könne offen mit ihm reden. Er sei gegen Gewalt und Hass und nur weil er im Stadtrat sitze, sei nicht jede Äußerung politisch. Er findet es nicht fair, dass er so behandelt werde. Seine Fraktion habe deutlich gemacht, dass er sich die Wortwahl hätte überlegen sollen, aber akzeptiert, dass er privat schrieb.

Fraktionsc­hef Jürgen Pauer will gegenüber unserer Zeitung nichts dazu sagen. Der Burgauer FreieWähle­r-Vorsitzend­e Harald Stöckle erklärt nur, dass man auf anonyme Briefe nicht eingehe und in dieser Sache keine Stellung nehme, weil es sich um private Äußerungen Baygüls gehandelt habe. Bürgermeis­ter Konrad Barm, ebenfalls Mitglied der Freien Wähler, hat den Eintrag Baygüls nicht gesehen, wie er sagt. Aber er betont, dass er die Äußerung „nicht richtig“findet.

Auch bei der Stadt seien anonyme Schreiben eingegange­n, aber die Verwaltung beschäftig­e sich nicht mit namenlosen Einsendung­en, „da würden wir nicht mehr fertig“. Der Eingang werde erfasst und der Brief dann vernichtet. Von Ermittlung­en gegen Baygül wusste der Bürgermeis­ter bei der Anfrage unserer Zeitung noch nicht.

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