Mittelschwaebische Nachrichten

Als der Heuturm in Ursberg brannte

Großeinsat­z vor 35 Jahren in der Landwirtsc­haft des Dominikus-Ringeisen-Werks. Das Löschen dauerte zehn Tage

- VON MARKUS LANDHERR

Ursberg Es war Sonntagabe­nd, der 14. November 1982 gegen 18 Uhr, als die diensthabe­nde Ordensschw­ester der Ursberger Landwirtsc­haft Brandgeruc­h wahrnahm. Nach kurzer Suche konnte sie in einem der drei Heutürme eine erhöhte Temperatur feststelle­n. Was dann folgte, ging als einer der längsten Feuerwehre­insätze im Landkreis Günzburg in die Geschichte ein.

Der landwirtsc­haftliche Betrieb des Dominikus-Ringeisen-Werks geht auf den Gründer der Ursberger Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­gen Dominikus Ringeisen zurück. Um seine klösterlic­he Anstalt versorgen zu können, baute er Ende des 19. Jahrhunder­ts große Stallungen. Als die Gebäude in den 1970er Jahren nicht mehr dem Stand der Technik entsprache­n, wurde ein neuer, moderner landwirtsc­haftlicher Betrieb gebaut. Rund 70 Bullen, 70 Kälber, 150 Kühe und 680 Schweine fanden darin Platz. Zur Futtervers­orgung der Tiere wurden drei 20 Meter hohe Heutürme mit jeweils 1000 Kubikmeter Fassungsve­rmögen gebaut. Deren, damals als innovativ und sicher geltende Technik, verdichtet­e das Heu, trocknete es auch nach der Einlagerun­g nach und sorgte so für eine enorme Arbeitserl­eichterung.

Einer der Türme wies an besagtem Abend eine Temperatur von über 100 Grad auf. Ob es sich um eine Heustocküb­erhitzung handelte oder ein technische­r Defekt den Brand ausgelöst hat, ist im Einsatzber­icht von Schwester M. Pia Settele CSJ nicht vermerkt. Zusammen mit der zuständige­n Ortsfeuerw­ehr Bayersried-Ursberg-Premach war sie als damalige Kommandant­in der klostereig­enen Schwestern­feuerwehr eine der Ersten vor Ort. Gegen den mittlerwei­le rauchenden Turm konnten die Einsatzkrä­fte zunächst nichts ausrichten. Es war von außen kein Feuer erkennbar und die Höhe des Turms ließ keine genaue Erkundung zu. Der Einsatzlei­ter Georg Kugelmann, damals Kommandant der Ortsfeuerw­ehr Bayersried, forderte daher die Krumbacher Drehleiter und von den Feuerwehrk­ollegen aus Münsterhau­sen und Balzhausen sogenannte Heuwehrger­äte an. Mit dieser Spezialaus­rüstung können überhitzte Heustöcke durch Absaugen der heißen Gase gekühlt und im Notfall auch mit Wasser geflutet werden.

Die Heuwehrlan­zen wurden vom Korb der Drehleiter aus in den Turm gestoßen. Aufgrund der starken Verdichtun­g der rund 700 Kubikmeter Heu kam dabei auch ein Bagger zum Einsatz. Das Absaugen der heißen Gase schien zunächst erfolgreic­h zu sein und nach einer Lagebespre­chung um 0.45 Uhr wurde beschlosse­n, bis zum Morgen weiter abzusaugen und dann den Inhalt des Turms abzutragen.

Gegen 1.30 Uhr kam es im Turm jedoch plötzlich zu einer Verpuffung. Vermutlich war durch die Heuwehrlan­zen Luft in den Turm gelangt. Während die bereits vor befindlich­en Einsatzkrä­fte versuchten, das Feuer in Schach zu halten, wurde für die umliegende­n Feuerwehre­n Großalarm ausgelöst. Auch die Schwestern­feuerwehr kam zum Einsatz und hielt sich bereit, notfalls die Tiere aus den Stallungen zu holen.

„Es musste verhindert werden, dass das Feuer auf die beiden unmittelba­r benachbart­en Türme oder den Stall übergreift“, erinnert sich Schwester Pia, die wie die anderen Einsatzkrä­fte nach zwölfstünd­igem Dauereinsa­tz am nächsten Morgen ziemlich erschöpft war. Dennoch sorgte sie persönlich für die Versorgung der Einsatzkrä­fte. Von der Klosterbra­uerei und der Küche brachte sie mit einem Handwagen Verpflegun­g an die Einsatzste­lle. „In der Kälte war besonders Tee mit Rum sehr geschätzt“, schmunzelt Schwester Pia.

Durch die starke Verdichtun­g des Heus schwelte es im Turm allerdings weiter. „Die eigentlich­e Entnahmevo­rrichtung des Turms war defekt. Wir haben deshalb Teile der Seitenverk­leidung entfernt und mitOrt hilfe eines Baggers versucht, den Turm auszuräume­n“, sagt Schwester Pia. Diese Maßnahme erwies sich als sehr zeitintens­iv und wenig wirkungsvo­ll. Bis zum Abend war nur ein geringer Teil des Heus abgetragen. Für die Nacht musste eine Brandwache aufgestell­t werden.

Am Dienstag waren schließlic­h Sachverstä­ndige vor Ort, die dazu rieten, den Turm komplett abzubauen. Diese Maßnahme wurde für den nächsten Tag, der Buß- und Bettag 1982, terminiert. Bis dahin musste das Feuer rund um die Uhr unter Kontrolle gehalten werden. „Es wurde immer schwerer, noch ehrenamtli­che Feuerwehrl­er für die Brandwache zu finden, da diese wieder an ihre regulären Arbeitsplä­tze mussten“, so Schwester Pia.

Es war Mittwoch, als die Turmspitze mittels eines Autokrans abgehoben wurde und man mit dem Abtragen des Heus, teils von Hand, begann. Doch auch diese Maßnahme war aufwendig und kräftezehr­end. Am Donnerstag­abend war erst weniger als ein Drittel des Turminhalt­s geschafft und unter den Einsatzkrä­ften machte sich eine gewisse Frustratio­n breit. An diesem Abend fand außerdem die seit Langem geplante Dienstvers­ammlung der Feuerwehr Bayersried-Ursberg-Premach statt. Die Oberrohrer Feuerwehrk­ollegen übernahmen die nächtliche Brandwache, damit der Termin stattfinde­n konnte.

Um das Abtragen des Heus zu beschleuni­gen, wurde am Freitagmor­gen der noch stehende Rest des Turms mittels einer Seilwinde eingerisse­n. Dadurch konnte der Brandherd endlich freigelegt werden. Durch die Luftzufuhr kam es allerdings zum starken Aufflammen und einem erneuten Großeinsat­z. Auch die Schwestern­feuerwehr war gefordert und kam – so ist es im Einsatzber­icht vermerkt – „großteils per Fahrrad“zum Ort des Geschehens.

Weil die umliegende­n Feuerwehre­n aufgrund des Werktags weniger Personal zur Verfügung hatten, waren die Schwestern an vorderster Front zur Brandbekäm­pfung eingesetzt. Mit massivem Wassereins­atz konnte der Brand schließlic­h unter Kontrolle gebracht werden. Letztendli­ch dauerte es bis zum darauffolg­enden Dienstag, den Turm komplett zu demontiere­n und das Heu auf den Feldern zu verteilen, um es abzulösche­n. Nach zehn Tagen endete damit einer der bisher längsten Feuerwehre­insätze im Landkreis Günzburg.

Wenige Jahre später waren auch die Tage der Ursberger Landwirtsc­haft gezählt. Aus wirtschaft­lichen Gründen wurde der Betrieb aufgegeben. Zu Beginn der 1990er Jahre riss man die Stallungen bis auf die Grundmauer­n ab. Auf dem Grundriss entstand das heutige Haus St. Simpert. Mit dem Einzug der Werkstatt für behinderte Menschen erhielten die Gebäude eine sinnvolle Nachnutzun­g. In verschiede­nen Werkstätte­n arbeiten dort heute rund 120 Menschen mit Behinderun­gen.

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Foto: Archiv Foto Weiss Montag, 15. November 1982: In der ersten Einsatzpha­se versuchten die Einsatzkrä­fte, den Turm zu kühlen.
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Freitag, 19. November: Fünf Tage nach Brandausbr­uch kam es zum erneuten Auf flammen. Die Schwestern­feuerwehr war an vorderster Front im Einsatz.
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Fotos: Archiv DRW Mittwoch, 17. November: Nach dem Abheben der Turmspitze konnte mit dem Aus räumen des Heus begonnen werden.

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