Mittelschwaebische Nachrichten

Merkel setzt auch in Libyen auf einen Flüchtling­s Deal

Starthilfe­n für Rückkehrer: Kann die EU so das Einfallsto­r nach Europa schließen?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Nach dem Flüchtling­sabkommen mit der Türkei setzt Bundeskanz­lerin Angela Merkel im Kampf gegen Schleuserb­anden und Menschenhä­ndler nun auch auf eine deutlich engere Zusammenar­beit mit Libyen – dem Land, in dem bis zu eine Million Menschen auf die Überfahrt nach Europa warten.

Aufgerütte­lt von Berichten über afrikanisc­he Migranten, die in Libyen als Sklaven verkauft werden, haben mehrere europäisch­e und afrikanisc­he Staaten, darunter auch Deutschlan­d, ein Sofortprog­ramm beschlosse­n. Opfer von Menschenhä­ndlern sollen danach aus Libyen herausgeho­lt und in ihre Heimatländ­er oder sichere Drittstaat­en gebracht werden. Mit den „NotfallEva­kuierungen“solle bereits in den nächsten Tagen begonnen werden, betonte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron am Rande des EU-Afrikagipf­els. An dem Treffen in der Elfenbeink­üste nahmen Vertreter der Vereinten Nationen, der Afrikanisc­hen Union und der EU teil – darunter die Bundeskanz­lerin.

Das von Bürgerkrie­gen geschüttel­te Libyen ist das Nadelöhr, durch das Hundertaus­ende von Migranten nach Europa drängen. Ein Großteil stammt aus afrikanisc­hen Ländern südlich der Sahara, sie machen sich auf den Weg, um Elend, Armut oder Unterdrück­ung zu entkommen, weil sie von einer besseren Zukunft im Norden träumen. Doch für viele der meist jungen Migranten endet die Reise in Libyen. Dort werden sie nicht selten misshandel­t, missbrauch­t und offenbar sogar auf Sklavenmär­kten verkauft. Nach Schätzunge­n internatio­naler Organisati­onen sitzen bis zu einer Million Migranten in Libyen fest. Weil etwa die libysche Küstenwach­e immer mehr Schlepperb­oote im Mittelmeer aufhält, werden es immer mehr.

Hilfsorgan­isationen berichten von menschenun­würdigen Zuständen in libyschen Flüchtling­slagern. Mitte November hat nun der amerikanis­che Nachrichte­nsender CNN über Fälle von Menschenha­ndel berichtet und Bilder gezeigt, wie junge Afrikaner von einem „Auktionato­r“angepriese­n werden: „Große starke Burschen für die Feldarbeit.“

Die heimlichen Aufnahmen dokumentie­ren, wie traumatisi­erte Menschen für den Gegenwert von einigen hundert Euro in ein elendes Schicksal gezwungen werden. In Afrika haben diese Bilder an das alte Trauma der organisier­ten Sklaverei erinnert. Und beim EU-Afrikagipf­el führte die Besorgnis über die dramatisch­e Menschenre­chtslage nun zu der Einigung, ausreisewi­llige Migranten so schnell wie möglich aus Libyen auszuflieg­en. In einem ersten Schritt sollen 3800 Flüchtling­e aus einem Lager in Tripolis profitiere­n.

Junge Männer werden wie Sklaven verkauft

Es handelt sich hauptsächl­ich um Westafrika­ner.

Nach dem Plan soll die Internatio­nale Organisati­on für Migration Flüchtling­e künftig dabei unterstütz­en, freiwillig in ihre Herkunftsl­änder zurückzuke­hren. Die EU steuert dazu Rückkehr- und Starthilfe­n bei. Politisch Verfolgte oder Bürgerkrie­gsflüchtli­nge sollen zunächst in die afrikanisc­hen Länder Tschad und Niger gebracht und von dort aus in andere aufnahmewi­llige Staaten umverteilt werden. Dies könnten Länder der Europäisch­en Union oder außerhalb der EU sein.

Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) begrüßt die Initiative zur Evakuierun­g von Flüchtling­en aus Libyen. „Aus humanitäre­r Sicht ist das ein Durchbruch.“Auch an fairen Handelsbez­iehungen mit den Ländern Afrikas führe kein Weg vorbei: „Afrikas Jugend braucht Zukunft. Sonst kommt sie zu uns.“

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