Mittelschwaebische Nachrichten

Geht’s auch ohne Gift?

Während der Bauernverb­and eine sachliche Diskussion über Glyphosat fordert, wollen andere ganz darauf verzichten

- VON STEPHANIE LORENZ UND STEFAN REINBOLD

Die Zulassung des Totalherbi­zids Glyphosat wurde verlängert. Der BBV fordert eine sachliche Diskussion, während Biolandwir­te erklären, wie es ohne Gift geht.

Landkreis Eineinhalb Jahre lang haben die Mitgliedss­taaten der EU keine Mehrheit für oder gegen die weitere Verwendung des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat bilden können. Dann stimmte Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) überrasche­nd im Alleingang zu. Das umstritten­e Pflanzengi­ft darf nun weitere fünf Jahre verwendet werden. Wie stehen Umweltschü­tzer und Bauern in der Region zum Beschluss und zur Verwendung von Glyphosat?

Alfred Fehrenbach vom Bauernverb­and Günzburg verweist auf die offizielle Stellungna­hme des Bauernpräs­identen Walter Heidl, der eine „sachliche und ehrliche Debatte“in Bezug auf den Einsatz des Glyphosats fordert. Im Grunde sei das immer eine „Abwägungss­ache“. Auch in der Natur gebe es Gifte, die natürliche­rweise etwa in Form von Schimmelpi­lzen oder dem bekannten Mutterkorn auf Getreide vorkommen. Diese Gifte seien durch den modernen Pflanzensc­hutz zurückgedr­ängt worden. „Wir haben auch das Problem, dass die Verbrauche­r schöne Produkte haben wollen“, sagt Fehrenbach. Darüber hinaus muss der Landwirt wirtschaft­lich arbeiten. Biobauern, die auf den Einsatz von chemischen Pflanzensc­hutzmittel­n verzichten, müssten einen wesentlich höheren Aufwand betreiben, der sich jedoch wieder durch höhere Erlöse decke. Das sei immer auch eine Frage des Wettbewerb­s, sagt BBV-Kreisobman­n Stephan Bissinger. Wenn Glyphosat nur in Deutschlan­d verboten würde, sei das ein klarer Wettbewerb­snachteil für die heimischen Landwirte. „Es gibt keinen Wirkstoff, der ähnlich effektiv ist“, sagt Bissinger. Sollte das Glyphosat irgendwann verboten werden, würden die Bauern auf andere Methoden zurückgrei­fen, um Unkräuter zu unterdrück­en. Das schließt auch andere Herbizide ein. Andere Methoden hätten aber auch andere Nachteile. So sorge etwa eine intensiver­e Bodenbearb­eitung für mehr Erosion, sagt Bissinger.

Dem widerspric­ht der Aichener Biobauer Franz Donderer. Seit mehr als 30 Jahren bewirtscha­ftet er erfolgreic­h seine Felder nach den Richtlinie­n des ökologisch­en Landbaus. Durch den Pestizidei­nsatz würde jegliches Leben im Boden zerstört. Dabei sei ein gesundes Bodenleben die Grundlage für gesundes Wachstum. Keiner wisse außerdem, welche Auswirkung­en die Vermischun­g der verschiede­nen Pestizide im Boden auf die Gesundheit der Verbrauche­r habe. Ihm geht es darum, nicht Symptome, sondern Ursachen zu bekämpfen. Bestimmte Ackerkräut­er nähmen aufgrund einseitige­r Beanspruch­ung des Bodens überhand. Manche Unkräuter verweisen auf den Zustand des Bodens. Disteln oder die gefürchtet­e Quecke zeigten etwa eine Verdichtun­g des Bodens an.

Durch eine abwechslun­gsreiche Fruchtfolg­e, die ständige Begrünung des Bodens und eine „vernünftig­e Bodenbearb­eitung – eine saubere Pflugfurch­e“– sei die Ausbreitun­g und Vermehrung solch unerwünsch­ter Kräuter auf dem Acker im Zaum zu halten. Viele der als Unkraut geschmähte­n Wildkräute­r unterstütz­ten sogar die eigentlich­en Kulturen beim Wachsen, erklärt Donderer. „Die breit gefächerte Beikrautfl­ora beschattet den Boden und erschließt durch ihre Wurzeln wichtige Nährstoffe für die Hauptkultu­r.“Und sie trägt dabei noch zum Erhalt der Artenvielf­alt bei, indem sie Insekten ernährt, die wiederum Nahrungsgr­undlage für Feldvögel sind.

Die einsame Entscheidu­ng des Landwirtsc­haftsminis­ters könne unter Umständen sogar positive Folgen haben, meint Donderer. Denn dadurch sei das Bewusstsei­n in der Bevölkerun­g geschärft worden.

Bewusstsei­n schaffen – das möchte auch Christian Doll, Vorsitzend­er der Stiftung Bienenwald in Burgau. Es müsse ein Umdenken stattfinde­n, „denn die biologisch­e Vielfalt ist am Aussterben und damit unsere Lebensgrun­dlage“.

Uns gehe es wirtschaft­lich gut, doch die Umwelt habe man zurückgedr­ängt. „20 Prozent an Vögeln und Insekten haben wir noch im Vergleich zu vor hundert Jahren“, sagt Doll. Es werde keine nachhaltig­e Landwirtsc­haft betrieben, sondern eine von Gier getriebene. Er fordert daher: „Weg von der Masse, hin zur Qualität.“Denn „wir vergiften permanent unsere Umwelt, wenn wir als Gesellscha­ft so weitermach­en. Was hinterlass­en wir dann unseren Kindern?“Die Arbeit der Stiftung bestehe darin, Bienenweid­en auszusäen und Nahrung zu schaffen, also Wasser bereitzust­ellen und Hecken als Nahrungs- und Rückzugsra­um zu pflanzen. Aber „du arbeitest gegen Gift an, diesen Krieg kannst du nicht gewinnen“, sagt Doll. „Das ist frustriere­nd.“Das Vergiften müsse aufhören.

Das unterstrei­cht auch sein Mitarbeite­r Bobo Veh: „Bienen nehmen das Gift direkt auf, dadurch wird ihr Orientieru­ngssinn gestört und sie finden nicht zurück in ihren Bau.“Dadurch wiederum verhungere ihre Brut. Glyphosat folge als Breitbandh­erbizid dem Prinzip: „Ich töte alles ab, damit eine einzige Pflanze wächst.“

Doch man brauche keine Spritzmitt­el: „Die Natur weiß und richtet sehr Vieles selbst.“Auf die Politik ist er „stinksauer“. Im Vorfeld seien gute, kritische Diskussion­en geführt worden. Die habe Herr Schmidt mit Füßen getreten – „und wird dann auch noch von Frau Merkel gedeckt“, sagt Veh empört. Man müsse langfristi­ger denken, nicht nur in einer Legislatur­periode.

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