Mittelschwaebische Nachrichten
Geht’s auch ohne Gift?
Während der Bauernverband eine sachliche Diskussion über Glyphosat fordert, wollen andere ganz darauf verzichten
Die Zulassung des Totalherbizids Glyphosat wurde verlängert. Der BBV fordert eine sachliche Diskussion, während Biolandwirte erklären, wie es ohne Gift geht.
Landkreis Eineinhalb Jahre lang haben die Mitgliedsstaaten der EU keine Mehrheit für oder gegen die weitere Verwendung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat bilden können. Dann stimmte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) überraschend im Alleingang zu. Das umstrittene Pflanzengift darf nun weitere fünf Jahre verwendet werden. Wie stehen Umweltschützer und Bauern in der Region zum Beschluss und zur Verwendung von Glyphosat?
Alfred Fehrenbach vom Bauernverband Günzburg verweist auf die offizielle Stellungnahme des Bauernpräsidenten Walter Heidl, der eine „sachliche und ehrliche Debatte“in Bezug auf den Einsatz des Glyphosats fordert. Im Grunde sei das immer eine „Abwägungssache“. Auch in der Natur gebe es Gifte, die natürlicherweise etwa in Form von Schimmelpilzen oder dem bekannten Mutterkorn auf Getreide vorkommen. Diese Gifte seien durch den modernen Pflanzenschutz zurückgedrängt worden. „Wir haben auch das Problem, dass die Verbraucher schöne Produkte haben wollen“, sagt Fehrenbach. Darüber hinaus muss der Landwirt wirtschaftlich arbeiten. Biobauern, die auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln verzichten, müssten einen wesentlich höheren Aufwand betreiben, der sich jedoch wieder durch höhere Erlöse decke. Das sei immer auch eine Frage des Wettbewerbs, sagt BBV-Kreisobmann Stephan Bissinger. Wenn Glyphosat nur in Deutschland verboten würde, sei das ein klarer Wettbewerbsnachteil für die heimischen Landwirte. „Es gibt keinen Wirkstoff, der ähnlich effektiv ist“, sagt Bissinger. Sollte das Glyphosat irgendwann verboten werden, würden die Bauern auf andere Methoden zurückgreifen, um Unkräuter zu unterdrücken. Das schließt auch andere Herbizide ein. Andere Methoden hätten aber auch andere Nachteile. So sorge etwa eine intensivere Bodenbearbeitung für mehr Erosion, sagt Bissinger.
Dem widerspricht der Aichener Biobauer Franz Donderer. Seit mehr als 30 Jahren bewirtschaftet er erfolgreich seine Felder nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Durch den Pestizideinsatz würde jegliches Leben im Boden zerstört. Dabei sei ein gesundes Bodenleben die Grundlage für gesundes Wachstum. Keiner wisse außerdem, welche Auswirkungen die Vermischung der verschiedenen Pestizide im Boden auf die Gesundheit der Verbraucher habe. Ihm geht es darum, nicht Symptome, sondern Ursachen zu bekämpfen. Bestimmte Ackerkräuter nähmen aufgrund einseitiger Beanspruchung des Bodens überhand. Manche Unkräuter verweisen auf den Zustand des Bodens. Disteln oder die gefürchtete Quecke zeigten etwa eine Verdichtung des Bodens an.
Durch eine abwechslungsreiche Fruchtfolge, die ständige Begrünung des Bodens und eine „vernünftige Bodenbearbeitung – eine saubere Pflugfurche“– sei die Ausbreitung und Vermehrung solch unerwünschter Kräuter auf dem Acker im Zaum zu halten. Viele der als Unkraut geschmähten Wildkräuter unterstützten sogar die eigentlichen Kulturen beim Wachsen, erklärt Donderer. „Die breit gefächerte Beikrautflora beschattet den Boden und erschließt durch ihre Wurzeln wichtige Nährstoffe für die Hauptkultur.“Und sie trägt dabei noch zum Erhalt der Artenvielfalt bei, indem sie Insekten ernährt, die wiederum Nahrungsgrundlage für Feldvögel sind.
Die einsame Entscheidung des Landwirtschaftsministers könne unter Umständen sogar positive Folgen haben, meint Donderer. Denn dadurch sei das Bewusstsein in der Bevölkerung geschärft worden.
Bewusstsein schaffen – das möchte auch Christian Doll, Vorsitzender der Stiftung Bienenwald in Burgau. Es müsse ein Umdenken stattfinden, „denn die biologische Vielfalt ist am Aussterben und damit unsere Lebensgrundlage“.
Uns gehe es wirtschaftlich gut, doch die Umwelt habe man zurückgedrängt. „20 Prozent an Vögeln und Insekten haben wir noch im Vergleich zu vor hundert Jahren“, sagt Doll. Es werde keine nachhaltige Landwirtschaft betrieben, sondern eine von Gier getriebene. Er fordert daher: „Weg von der Masse, hin zur Qualität.“Denn „wir vergiften permanent unsere Umwelt, wenn wir als Gesellschaft so weitermachen. Was hinterlassen wir dann unseren Kindern?“Die Arbeit der Stiftung bestehe darin, Bienenweiden auszusäen und Nahrung zu schaffen, also Wasser bereitzustellen und Hecken als Nahrungs- und Rückzugsraum zu pflanzen. Aber „du arbeitest gegen Gift an, diesen Krieg kannst du nicht gewinnen“, sagt Doll. „Das ist frustrierend.“Das Vergiften müsse aufhören.
Das unterstreicht auch sein Mitarbeiter Bobo Veh: „Bienen nehmen das Gift direkt auf, dadurch wird ihr Orientierungssinn gestört und sie finden nicht zurück in ihren Bau.“Dadurch wiederum verhungere ihre Brut. Glyphosat folge als Breitbandherbizid dem Prinzip: „Ich töte alles ab, damit eine einzige Pflanze wächst.“
Doch man brauche keine Spritzmittel: „Die Natur weiß und richtet sehr Vieles selbst.“Auf die Politik ist er „stinksauer“. Im Vorfeld seien gute, kritische Diskussionen geführt worden. Die habe Herr Schmidt mit Füßen getreten – „und wird dann auch noch von Frau Merkel gedeckt“, sagt Veh empört. Man müsse langfristiger denken, nicht nur in einer Legislaturperiode.