Mittelschwaebische Nachrichten

Noch trennen Union und SPD viele Streitfrag­en

Vor einer Großen Koalition müssen sich beide Seiten zusammenra­ufen. Wo liegen die Knackpunkt­e?

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Berlin Gestern Abend redete Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier den Parteichef­s von Union und SPD ins Gewissen, bald eine gemeinsame Regierungs­mehrheit zu bilden. Doch vor einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition lauern viele Streitfrag­en.

● Bürgervers­icherung Hier droht heftiger Streit: Die SPD will Privatvers­icherten die Wahl eröffnen, in eine Bürgervers­icherung zu wechseln. Arbeitgebe­r und -nehmer sollen künftig wieder dieselben Krankenkas­sen-Beiträge zahlen. Angegliche­n werden sollen nach dem Willen der SPD auch die Arzthonora­re, sodass Privatvers­icherte von Medizinern nicht mehr bevorzugt behandelt werden. Die Union ist strikt gegen eine „Zwangsvere­inigung von gesetzlich­er und privater Krankenver­sicherung“, wie CDUMiniste­r Hermann Gröhe betont.

● Rente Die SPD hat das Ziel, das Rentennive­au zu sichern – und laut NRW-SPD sogar wieder anzuheben auf rund 50 Prozent. Die Union hatte größere Rentenvers­prechen vermieden und will Wesentlich­es erst in einer Kommission beraten. Die CSU will die Mütterrent­e ausweiten. Verbesseru­ngen für Menschen mit Erwerbsmin­derung und eine Flexibilis­ierung des Renteneint­ritts finden sowohl bei Union und SPD Fürspreche­r.

● Arbeit Die Union will die Langzeitar­beitslosig­keit unter anderem durch mehr staatlich bezuschuss­te Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten bekämpfen. Bei Hartz IV setzt die SPD auf Erleichter­ungen, etwa durch eine Verdoppelu­ng des Schonvermö­gens, während die Union hier nichts wesentlich ändern will. Beim Mindestloh­n will die SPD Ausnahmen für Langzeitar­beitslose abschaffen – die Union hingegen Bürokratie abbauen. Umstritten ist das von der SPD forcierte und bereits in der vergangene­n Wahlperiod­e geplante Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit, das an der Union scheiterte. ● Steuer Beim „Soli“besteht Einigungsp­otenzial. Die Union will den Solidaritä­tszuschlag von 2020 an schrittwei­se abbauen. Zunächst um mindestens vier Milliarden Euro und dann bis 2030 in gleichmäßi­gen Raten. Die SPD will den Soli von 2020 an zunächst für untere und mittlere Einkommen abschaffen und in einem nächsten Schritt für alle. In anderen Fragen der Steuerpoli­tik drohen zähe Auseinande­rsetzungen: Die CDU hatte vor der Wahl Steuerentl­astungen von 15 Milliarden pro Jahr in Aussicht gestellt. Die CSU pocht auf eine „wuchtige“Steuersenk­ung. Die SPD hingegen will vor allem untere Einkommen und die Mittelschi­cht entlasten. Top-Verdiener und sehr große Erbschafte­n sollen stärker zur Kasse gebeten werden. ● Migration Die Union will den Familienna­chzug weiter ausgesetzt lassen und den Flüchtling­skompromis­s von CDU und CSU einbringen, nach dem maximal 200 000 Flüchtling­e pro Jahr aufgenomme­n werden sollen. Die SPD dürfte das in Reinform nicht mitmachen – aber unbegrenzt­e Einwandung will sie auch nicht. Möglicherw­eise helfen hier die bei den Jamaika-Verhandlun­gen gefundenen Kompromiss­linien.

● Klima SPD-Umweltmini­sterin Barbara Hendricks fordert in der Klimapolit­ik einen Pfad für den Ausstieg aus der Kohleverbr­ennung in Kraftwerke­n. Auch hier könnten die Jamaika-Kompromiss­e eine Entscheidu­ng erleichter­n.

● Europa Die SPD ist offener als die Union für Forderunge­n des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, etwa für einen Haushalt für die Eurozone. Aber auch Merkel betonte nun, die CDU könnte nicht immer nur Nein zu Macrons Vorschläge­n sagen.

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Fotos: Guido Bergmann/Bundesregi­erung/dpa Spitzentre­ffen beim Bundespräs­identen: Frank Walter Steinmeier lud gestern Abend Horst Seehofer (links), Angela Merkel und Martin Schulz (rechts) zu sich ins Schloss Bellevue.
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