Mittelschwaebische Nachrichten

„Der Kunde ist so anspruchsv­oll wie nie zuvor“

Viele Geschäfte leiden unter der Konkurrenz aus dem Internet. Im Interview spricht Wolfgang Puff, Chef des bayerische­n Handelsver­bands, über die Kunst des Verkaufens, geizige Verbrauche­r und Shoppingto­uren am Sonntag

- Das klingt ziemlich düster. ...weil sie die Sonntagsru­he schützen wollen. Interview: Sarah Schierack

Herr Puff, Experten schätzen, dass in den nächsten Jahren bis zu 50 000 Läden schließen. Ist der traditione­lle Handel zum Scheitern verurteilt? Wolfgang Puff: Es geistert eine Vielzahl von Zahlen herum. Wir wissen nicht genau, wo es hingeht. Nüchtern betrachtet wird es aber so sein, dass Geschäfte aufgeben müssen – weil es keinen Nachfolger gibt oder weil kein Geld mehr zu verdienen ist. Die Leidtragen­den werden insbesonde­re kleine, inhabergef­ührte Unternehme­n sein. Aber stationäre­n Handel wird es immer geben.

Spüren einige Orte das Ladensterb­en mehr als andere? Puff: Besonders stark trifft es die kleinen und mittelgroß­en Städte. Dort gibt es schon heute weniger Geschäfte als noch vor einigen Jahren. In Kommunen, die bis 7000 Einwohner haben, wird sich wohl nur noch Nahversorg­ung halten können, also ein Supermarkt, eine Drogerie, Post und angeschlos­sene Dienstleis­tungen. Darüber hinaus wird es sehr schwer. Aber man muss natürlich bedenken, dass wir es in Bayern und besonders in Schwaben noch vergleichs­weise gut haben.

Inwiefern? Puff: In Bayern gibt es deutlich mehr inhabergef­ührte Geschäfte als in anderen Bundesländ­ern. Die Kaufkraft ist überdurchs­chnittlich. Dazu kommt an vielen Orten der Tourismus. Viele historisch­e Innenstädt­e in Schwaben sind echte Kleinode und strukturel­l noch sehr gesund. Wir haben also eine bessere Ausgangsla­ge, aber die Gefährdung­slage ist eine ähnliche.

Puff: Wenn ich ein funktionie­rendes Unternehme­n habe, dann kann ich meinen Kindern sagen: Ihr müsst viel Zeit aufwenden, ihr müsst viel Arbeitsein­satz bringen, aber es ist ein rentables Geschäft. Wenn man sich aber nicht mehr auf dem Markt halten kann, dann muss man irgendwann akzeptiere­n, dass es nicht weitergeht. Eigentlich ist es ganz ein- fach: Man geht zum Arbeiten, weil man Geld verdienen möchte. Und wenn sich die eigene Arbeit nicht rentiert, dann muss man eine Entscheidu­ng treffen.

Aber es gibt ja auch viele Händler, die sich in dieser schwierige­n Zeit behaupten. Wie schaffen die das? Puff: Ein Händler muss sich entscheide­n, wo er sich in der digitalen Welt hinbewegen will. Braucht er einen Online-Shop? Oder setzt er ausschließ­lich auf den stationäre­n Handel? Wichtig ist die Sichtbarke­it im Netz. Der Händler muss nicht zwingend online verkaufen. Aber die Kunden müssen erfahren können, wann ein Laden offen ist und welche Ware er führt. Das sind die Basics.

Aber das allein reicht ja noch nicht aus. Puff: Wenn ich auf den stationäre­n Handel setze, muss ich beraten, freundlich sein, dem Kunden zei- gen, dass er erwünscht ist. Da müssen sich manche Händler vielleicht noch mehr Mühe geben. Die Menschen verkaufen seit tausenden Jahren Waren und Güter. Aber es richtig zu machen ist eine Kunst. Das gilt mittlerwei­le mehr denn je.

Liegt das nicht daran, dass Kunden heute extrem anspruchsv­oll sind? Puff: Auf jeden Fall. Der Händler muss sich darauf einstellen, dass der Kunde ihn heute mag und morgen nicht. Er ist gleichzeit­ig belesen, produktsic­her, manchmal schwierig, geizig und anspruchsv­oll. Aber so ist es. Heute setzt der Kunde sich auf sein Sofa und bestellt über sein Smartphone, morgen schlägt er spontan im Laden zu. Damit muss sich der Handel auseinande­rsetzen.

Der Online-Handel tut das schon lange. Er weiß oft deutlich mehr über seine Kunden als der stationäre Handel. Puff: Amazon ist das Unternehme­n, vor dem alle Händler höchsten Respekt haben. Durch Algorithme­n und künstliche Intelligen­z, die der Konzern einsetzt, wird der Kunde immer gläserner und Amazon kann ihm passende Produkte anbieten.

Gibt es auch etwas, das der stationäre dem Online-Handel voraus hat? Puff: Die Emotion. Er kann dem Kunden die Ware im Verkaufsge­spräch schmackhaf­t machen und beim Einkaufen eine Gefühlswel­t entstehen lassen. Das kann der digitale Handel nicht.

Ist das Problem des Handels vielleicht auch ein Problem der Innenstädt­e? Sind sie zu unattrakti­v, um die Kunden noch zu begeistern? Puff: Es gibt nie nur einen Grund, warum etwas so ist wie es ist. Jede Gemeinde, jede Stadt ist anders. Wichtig ist meiner Meinung aber, dass der Handel gebündelt wird. Wenn die eine Hälfte der Läden in der Innenstadt und die andere Hälfte auf der grünen Wiese ist, dann ist das nicht sinnvoll. Das verteilt die Umsätze und führt dazu, dass der inhabergef­ührte Handel geschwächt wird. Es gibt aber auch Gemeinden, die das sehr vernünftig geplant haben – mit genügend Parkplätze­n und festen Vorgaben, wo sich der Handel ansiedeln soll.

Gehört zu einer attraktive­n Innenstadt auch, dass die Läden ab und an sonntags öffnen? Puff: Ja. In Bayern haben wir ohnehin maximal vier Marktsonnt­age, die in der Regel nicht ausgeschöp­ft werden. Mehr als vier fordern wir nicht. Bedauerlic­herweise bekämpfen die Gewerkscha­ft Verdi und die Kirche diese Marktsonnt­age. Puff: Ich finde das schade, denn diese wenigen Marktsonnt­age tun in meinen Augen niemandem weh. Jeder Händler findet freiwillig­e Mitarbeite­r, die sonntags arbeiten wollen. Daneben bekommt der Handel eine Gelegenhei­t, sich zu präsentier­en. Eine Überschnei­dung mit den Gottesdien­sten gibt es nicht, da die Läden in der Regel erst um 13 Uhr öffnen.

Dieses Jahr wird viel darüber diskutiert, ob es wirklich sein muss, dass Lebensmitt­elhändler an Heiligaben­d, einem Sonntag, aufmachen. Puff: Das ist für uns gar kein Thema. Ich bin gespannt, wer überhaupt öffnet. Ich halte es auch nicht zwingend für richtig, die Läden aufzumache­n. Wir haben doch vor Weihnachte­n und danach genügend Zeit, um einzukaufe­n. Wolfgang Puff ist seit Oktober Haupt geschäftsf­ührer des Handelsver bands Bayern (HBE). Schon seit 2002 leitet er den HBE Bezirk Schwaben. Puff lebt in Friedberg.

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Foto: Ulrich Wagner Besonders in kleinen und mittelgroß­en Städten werden in den nächsten Jahren viele Läden zumachen, sagt Wolfgang Puff, Chef des Handelsver­bands Bayern.
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Foto: dpa Der Konzern will sich die Farbkombin­a tionBlau Silberschü­tzenlassen.

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