Mittelschwaebische Nachrichten
Fallstricke bei ausländischen Pflegern
Wenn Angehörige rund um die Uhr Hilfe brauchen, suchen viele Familien osteuropäische Frauen. Doch wo finden sich seriöse Vermittler und was muss beachtet werden?
Augsburg Die Situation kennen viele: Die Kraft der Eltern schwindet, sie werden krank, brauchen Hilfe, wollen aber in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben. Und oft reicht es nicht, dass ein ambulanter Pflegedienst kommt. Nicht selten ist eine ständige Betreuung nötig. In diesem Fall machen sich viele auf die Suche nach ausländischen Pflegekräften, die im Haus des Pflegebedürftigen wohnen. Doch der Prozess vor kurzem, bei dem ein Vermittler von osteuropäischen Betreuungskräften aus der Region verurteilt wurde, hat deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, einen seriösen Anbieter zu haben. Daher haben wir Tipps zusammengestellt:
● Anbietersuche Um einen seriösen Vermittler ausländischer Pflegekräfte in der Region zu finden, empfiehlt Claus Fussek, der im ambulanten Beratungs- und Pflegedienst „Vereinigung Integrationsförderung“tätig und ein Experte rund um das Thema Pflege ist, die Mundzu-Mund-Propaganda: „Hören Sie sich in der Nachbarschaft und in Ihrem Freundes- und Kollegenkreis um und fragen Sie nach, welche Erfahrungen gemacht wurden.“Fussek warnt eindringlich vor Schwarzarbeit und erklärt, wie wichtig es ist, dass die Betreuerinnen gut Deutsch sprechen. Die Stiftung Warentest hat im Mai mehrere Vermittler getestet. Expertin Katrin Andruschow kam zu dem Schluss, dass Vorsicht vor allem dann geboten ist, wenn Selbstständige vermittelt werden. Denn hier herrsche die Gefahr, dass es sich um Scheinselbstständige handelt, was wiederum für deutsche Kunden hohe Bußgelder und Nachzahlungen bedeuten kann. Eine gute Agentur zeichnet sich ihrer Recherche nach auch dadurch aus, dass sie exakt den Bedarf erforscht, sich ein Bild von den Bedingungen vor Ort macht und zwei bis drei Personalvorschläge anbietet.
● A1 Bescheinung Um Scheinselbstständigkeit auszuschließen, ist es nach Ansicht von Andruschow wichtig, dass man bei der Agentur nach der Beschäftigungsform fragt. „Und lassen Sie sich von jeder Betreuerin – außer bei den in Deutschland Niedergelassenen – von Anfang an die A1-Bescheinigung zeigen oder den Nachweis, dass sie beantragt ist“, betont Andruschow. Am besten mache man sich eine Kopie davon. Denn die A1-Bescheinigung belege, dass die Betreuerin im Heimatland sozialversichert ist. „Kontrolliert der Zoll, ist dieser Beleg wichtig.“
● Verträge Nicht immer wird nach Erkenntnis von Andruschow ein Vertrag mit der Vermittlungsagentur abgeschlossen. Zwingend notwendig ist dagegen der Abschluss eines Dienstleistungsvertrages. Der Stiftung Warentest sind in allen von ihr überprüften Verträgen Mängel aufgefallen. Unbedingt zusichern sollte die ausländische Firma in ihrem Dienstleistungsvertrag, dass alle rechtlichen Grundlagen eingehalten werden. Das sichert den Kunden zusätzlich ab. Wichtig ist auch die Haftung bei Unfällen und Fehlern der Betreuungskraft. ● Kosten Nach Angaben der Stiftung Warentest muss mit Kosten von etwa 1500 bis 3400 Euro im Monat gerechnet werden. Hinzu kommen Ausgaben fürs Essen, da sich die Hilfe meistens voll im Haushalt verpflegt. Und es kommen Fahrtkosten hinzu. „Ein Teil der Kosten ist steuerlich absetzbar, bis zu 4000 Euro im Jahr.“Bei anerkannter Pflegebedürftigkeit könne natürlich das Pflegegeld für die Betreuungskosten hergenommen werden.
● Infrastruktur Damit eine Pflegehilfe einziehen kann, muss nach Angaben der Stiftung ein eigener, möblierter Raum vorhanden sein und am besten ein eigenes Bad. Wichtig sei es, einen Zugang zu Telefon und Internet sicherzustellen, damit die Betreuerin Kontakt zu ihrer Familie in ihrer Heimat pflegen kann.
● Pflegedienst einbinden Ausländische Betreuerinnen sollten nach Ansicht von Andruschow nur allgemeine Pflegetätigkeiten wie Unterstützung beim Waschen und Essen übernehmen. Selbst bei normalem Pflegebedarf reiche die Betreuungskraft oft allein nicht aus und es müsse zusätzlich ein Pflegedienst eingebunden werden. Nur so und mithilfe der Angehörigen sei auch gewährleistet, dass die Betreuerin die ihr zustehenden Pausen und freie Tage einhalten kann.
● Arbeitszeit Gerade die Arbeitszeit nennt Andruschow einen ganz schwierigen Punkt beim Einsatz ausländischer Pflegekräfte. In den geprüften Verträgen wurden teils deutliche Hinweise gefunden, dass Höchstarbeitszeiten umgangen werden. Am besten sei es, wenn die Betreuungskräfte Angestellte einer Firma aus einem anderen EU-Land sind und von ihr nach Deutschland entsandt werden. Dann gelten nämlich deutsche Mindeststandards wie etwa der hiesige Mindestlohn und Arbeitszeitregelungen. Vermittlungsagenturen sollten ihre deutschen Kunden eindeutig zu diesen Punkten informieren.
● Faire Arbeit Andruschow verweist auf die Möglichkeit, dass Pflegebedürftige oder Angehörige selbst Arbeitgeber werden. „Das ist die sauberste Lösung.“Hilfe gibt es nicht nur bei Arbeitsagenturen und Rechtsanwälten, sondern vor allem auch bei der Caritas und der Diakonie. Informationen im Internet unter www.carifair.de und www.vijfaircare.de. Bayerns Gesundheitsministerium weist auf das Projekt „Triple Win“zur Vermittlung von qualifizierten Pflegekräften aus Drittstaaten hin, an dem unter anderen die Arbeitsagentur beteiligt ist. Mehr Informationen im Internet unter www.triple-win-pflegekraefte.de.