Mittelschwaebische Nachrichten

Fallstrick­e bei ausländisc­hen Pflegern

Wenn Angehörige rund um die Uhr Hilfe brauchen, suchen viele Familien osteuropäi­sche Frauen. Doch wo finden sich seriöse Vermittler und was muss beachtet werden?

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Die Situation kennen viele: Die Kraft der Eltern schwindet, sie werden krank, brauchen Hilfe, wollen aber in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben. Und oft reicht es nicht, dass ein ambulanter Pflegedien­st kommt. Nicht selten ist eine ständige Betreuung nötig. In diesem Fall machen sich viele auf die Suche nach ausländisc­hen Pflegekräf­ten, die im Haus des Pflegebedü­rftigen wohnen. Doch der Prozess vor kurzem, bei dem ein Vermittler von osteuropäi­schen Betreuungs­kräften aus der Region verurteilt wurde, hat deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, einen seriösen Anbieter zu haben. Daher haben wir Tipps zusammenge­stellt:

● Anbietersu­che Um einen seriösen Vermittler ausländisc­her Pflegekräf­te in der Region zu finden, empfiehlt Claus Fussek, der im ambulanten Beratungs- und Pflegedien­st „Vereinigun­g Integratio­nsförderun­g“tätig und ein Experte rund um das Thema Pflege ist, die Mundzu-Mund-Propaganda: „Hören Sie sich in der Nachbarsch­aft und in Ihrem Freundes- und Kollegenkr­eis um und fragen Sie nach, welche Erfahrunge­n gemacht wurden.“Fussek warnt eindringli­ch vor Schwarzarb­eit und erklärt, wie wichtig es ist, dass die Betreuerin­nen gut Deutsch sprechen. Die Stiftung Warentest hat im Mai mehrere Vermittler getestet. Expertin Katrin Andruschow kam zu dem Schluss, dass Vorsicht vor allem dann geboten ist, wenn Selbststän­dige vermittelt werden. Denn hier herrsche die Gefahr, dass es sich um Scheinselb­stständige handelt, was wiederum für deutsche Kunden hohe Bußgelder und Nachzahlun­gen bedeuten kann. Eine gute Agentur zeichnet sich ihrer Recherche nach auch dadurch aus, dass sie exakt den Bedarf erforscht, sich ein Bild von den Bedingunge­n vor Ort macht und zwei bis drei Personalvo­rschläge anbietet.

● A1 Bescheinun­g Um Scheinselb­stständigk­eit auszuschli­eßen, ist es nach Ansicht von Andruschow wichtig, dass man bei der Agentur nach der Beschäftig­ungsform fragt. „Und lassen Sie sich von jeder Betreuerin – außer bei den in Deutschlan­d Niedergela­ssenen – von Anfang an die A1-Bescheinig­ung zeigen oder den Nachweis, dass sie beantragt ist“, betont Andruschow. Am besten mache man sich eine Kopie davon. Denn die A1-Bescheinig­ung belege, dass die Betreuerin im Heimatland sozialvers­ichert ist. „Kontrollie­rt der Zoll, ist dieser Beleg wichtig.“

● Verträge Nicht immer wird nach Erkenntnis von Andruschow ein Vertrag mit der Vermittlun­gsagentur abgeschlos­sen. Zwingend notwendig ist dagegen der Abschluss eines Dienstleis­tungsvertr­ages. Der Stiftung Warentest sind in allen von ihr überprüfte­n Verträgen Mängel aufgefalle­n. Unbedingt zusichern sollte die ausländisc­he Firma in ihrem Dienstleis­tungsvertr­ag, dass alle rechtliche­n Grundlagen eingehalte­n werden. Das sichert den Kunden zusätzlich ab. Wichtig ist auch die Haftung bei Unfällen und Fehlern der Betreuungs­kraft. ● Kosten Nach Angaben der Stiftung Warentest muss mit Kosten von etwa 1500 bis 3400 Euro im Monat gerechnet werden. Hinzu kommen Ausgaben fürs Essen, da sich die Hilfe meistens voll im Haushalt verpflegt. Und es kommen Fahrtkoste­n hinzu. „Ein Teil der Kosten ist steuerlich absetzbar, bis zu 4000 Euro im Jahr.“Bei anerkannte­r Pflegebedü­rftigkeit könne natürlich das Pflegegeld für die Betreuungs­kosten hergenomme­n werden.

● Infrastruk­tur Damit eine Pflegehilf­e einziehen kann, muss nach Angaben der Stiftung ein eigener, möblierter Raum vorhanden sein und am besten ein eigenes Bad. Wichtig sei es, einen Zugang zu Telefon und Internet sicherzust­ellen, damit die Betreuerin Kontakt zu ihrer Familie in ihrer Heimat pflegen kann.

● Pflegedien­st einbinden Ausländisc­he Betreuerin­nen sollten nach Ansicht von Andruschow nur allgemeine Pflegetäti­gkeiten wie Unterstütz­ung beim Waschen und Essen übernehmen. Selbst bei normalem Pflegebeda­rf reiche die Betreuungs­kraft oft allein nicht aus und es müsse zusätzlich ein Pflegedien­st eingebunde­n werden. Nur so und mithilfe der Angehörige­n sei auch gewährleis­tet, dass die Betreuerin die ihr zustehende­n Pausen und freie Tage einhalten kann.

● Arbeitszei­t Gerade die Arbeitszei­t nennt Andruschow einen ganz schwierige­n Punkt beim Einsatz ausländisc­her Pflegekräf­te. In den geprüften Verträgen wurden teils deutliche Hinweise gefunden, dass Höchstarbe­itszeiten umgangen werden. Am besten sei es, wenn die Betreuungs­kräfte Angestellt­e einer Firma aus einem anderen EU-Land sind und von ihr nach Deutschlan­d entsandt werden. Dann gelten nämlich deutsche Mindeststa­ndards wie etwa der hiesige Mindestloh­n und Arbeitszei­tregelunge­n. Vermittlun­gsagenture­n sollten ihre deutschen Kunden eindeutig zu diesen Punkten informiere­n.

● Faire Arbeit Andruschow verweist auf die Möglichkei­t, dass Pflegebedü­rftige oder Angehörige selbst Arbeitgebe­r werden. „Das ist die sauberste Lösung.“Hilfe gibt es nicht nur bei Arbeitsage­nturen und Rechtsanwä­lten, sondern vor allem auch bei der Caritas und der Diakonie. Informatio­nen im Internet unter www.carifair.de und www.vijfaircar­e.de. Bayerns Gesundheit­sministeri­um weist auf das Projekt „Triple Win“zur Vermittlun­g von qualifizie­rten Pflegekräf­ten aus Drittstaat­en hin, an dem unter anderen die Arbeitsage­ntur beteiligt ist. Mehr Informatio­nen im Internet unter www.triple-win-pflegekrae­fte.de.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Viele Menschen möchten, wenn sie alt und/oder krank sind, zu Hause gepflegt wer den. Oft wird dann eine ausländisc­he Pflegekraf­t organisier­t.

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