Mittelschwaebische Nachrichten

„Meine Mama hat mich angezündet“

Eltern brachten ihr schwer verletztes Kind nicht zum Arzt. Nun wurden sie verurteilt

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Regensburg Als eine Mitarbeite­rin des Jugendamte­s den Buben entdeckte, lag er mit schweren Brandverle­tzungen kaum mehr ansprechba­r auf dem Sofa, zitterte am ganzen Körper und wimmerte vor sich hin. Etwas mehr als ein Jahr ist das nun her. Die Eltern des Kindes sind vom Landgerich­t Regensburg gestern zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden – weil sie das Kind trotz des lebensbedr­ohlichen Zustandes nicht ärztlich behandeln ließen.

Der Vater erhielt eine Freiheitss­trafe von fünf Jahren, die Mutter von drei Jahren und neun Monaten. Sie müssen außerdem 30000 Euro Schmerzens­geld zahlen. Was wirklich in Waldmünche­n (Landkreis Cham) geschehen sei, habe nur bruchstück­haft geklärt werden können, sagte der Vorsitzend­e Richter Carl Pfeiffer gestern bei der Urteilsver­kündung. Die Angeklagte­n schwiegen zu den Vorwürfen.

Als gesichert gilt, dass die Mutter am 30. September 2016 mit einem in Brand geratenen Benzinkani­ster im Garten hantierte. Dabei erlitt der heute sechsjähri­ge Bub Brandverle­tzungen zweiten und dritten Grades. Weil das Paar schon früher Probleme mit den Behörden hatte, verständig­te es nach Überzeugun­g des Gerichts aus Angst vor dem Jugendamt keinen Arzt – auch nicht, als es dem Kind immer schlechter ging und die Wunden nässten. Die Jugendkamm­er wertete das als schwere Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen durch Unterlasse­n. Die Mutter wurde zudem wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung verurteilt. Weil sie wegen einer psychische­n Erkrankung als eingeschrä­nkt steuerungs­fähig gilt, fiel das Strafmaß bei der 37-Jährigen geringer aus als beim gleichaltr­igen Vater. Angeklagt war das Paar ursprüngli­ch wegen versuchten Mordes durch Unterlasse­n. Die Kammer ging aber davon aus, dass die Eltern den Tod des Jungen nicht billigend in Kauf genommen haben. Der volle Ernst der Lage sei ihnen nicht bewusst gewesen. Der Richter betonte aber: „Der Junge wäre ohne ärztliche Behandlung gestorben – das war keine Frage ob, sondern wann.“

Vier Tage nach dem Brand hatten die Eltern das Kind mit zu einer Tankstelle genommen. Deren Pächterin hatte, weil ihr die Verletzung­en aufgefalle­n waren, das Jugendamt informiert. Als eine Behördenmi­tarbeiteri­n kurz darauf vor dem Haus der Familie stand, zeigte die Mutter einen ihrer anderen Buben. Nur zufällig fand die Mitarbeite­rin später das verletzte Kind. Der Junge musste mehrere Operatione­n überstehen. Als er aus der Narkose aufwachte, sagte er zu den Ärzten: „Meine Mama hat mich angezündet.“Er leidet noch immer an den dramatisch­en Ereignisse­n.

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