Mittelschwaebische Nachrichten

Tumulte im Transit Zentrum

Ärger bei der Taschengel­dausgabe löst in Manchinger Unterkunft Großeinsat­z aus. Die Probleme reichen aber tiefer

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Erst vergangene Woche war Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) in Ingolstadt. Er hatte dort das erweiterte Sicherheit­skonzept für das Bayerische TransitZen­trum Ingolstadt/Manching (BayTMI) vorgestell­t. Weil die Zahl der Straftaten in und um das Abschiebel­ager in den vergangene­n beiden Jahren im Vergleich zu davor deutlich gestiegen ist, müssen dort mehr und mehr Polizisten eingesetzt werden. Am Mittwochvo­rmittag waren es besonders viele. Erneut.

Die Polizei musste mit einem Großaufgeb­ot und 17 Fahrzeugen zur ehemaligen Max-ImmelmannK­aserne ausrücken, weil es dort zu Tumulten gekommen war. Alle zwei Wochen erhalten die Asylsuchen­den Taschengel­d nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz ausgezahlt. Am Mittwoch warteten gegen 11 Uhr laut Polizei etwa 100 der Lagerbewoh­ner auf ihr Geld. Aus noch immer ungeklärte­r Ursache gab es auf einmal Ärger, der eskalierte. Das Personal der Auszahlung­sstelle musste sich in Sicherheit bringen und in Büroräumen verbarrika­dieren. Denn von außen versuchten mehrere Flüchtling­e inzwischen mit herausgeho­benen Absperrgit­tern verschloss­ene Tür einzuramme­n. Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes setzten schließlic­h auch Pfefferspr­ay ein. Der Notruf wurde abgesetzt. Die Polizei kam und konnte eigenen Angaben zufolge die Lage schnell beruhigen. Trotzdem gab es sechs Verletzte: zwei Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes und vier Bewohner der Unterkunft.

Peter Heigl, Chef der Ingolstädt­er Inspektion, erklärt, dass zwar keiner der mutmaßlich­en Rädelsführ­er festgenomm­en wurde, derzeit aber gegen zehn Beschuldig­te ermittelt werde. Überwiegen­d wohl Nigerianer, von denen laut Heigl derzeit etwa 700 an den verschiede­nen Standorten des Abschiebel­agers untergebra­cht sind. Ermittelt wird wegen Landfriede­nsbruch, gefährlich­er Körperverl­etzung und Sachbeschä­digung. Die extra eingericht­ete Ermittlung­sgruppe hat noch dutzende Befragunge­n mit Dolmetsche­rn vor sich.

Inspektion­sleiter Heigl hat seit Anfang September acht Einsätze mit mehr als zehn Streifen im BayTMI gezählt. Heigl ist froh, dass er bereits 20 Beamte mehr bekommen hat und ab Dezember unter anderem auch die Flughafenp­olizei ihn und seine Kollegen unterstütz­t. Er sagt aber auch: „Wir haben durch das BayTMI zusätzlich­e Aufgaben bekommen. Wir haben gut zu tun.“Und er hofft, dass die Staatsregi­erung seiner Inspektion von den zuletzt neu geschaffen­en Polizeiste­llen einen „merklichen Anteil“zuweisen wird.

Gabriele Störkle von der Caritas Pfaffenhof­en sagt, mehr Polizei ist nicht alles. Sie macht Asylsozial­beratung in der Max-Immelmann-Kadie serne seit diese 2015 zur Flüchtling­sunterkunf­t wurde. Sie sagt – da brauche man nicht drumherum reden –, derzeit machten vor allem Nigerianer Probleme. Und fügt hinzu: „Bestimmte Bedingunge­n haben bestimmte Wirkungen.“Die Bedingunge­n beschreibt sie so: „Die Situation da draußen außerhalb der Stadt ist unschön. Das hängt zum einen an der Unterbring­ungsform mit sehr, sehr vielen Menschen. Es ist zudem perspektiv­los. Die Bewohner dürfen nicht arbeiten, keine Deutschkur­se besuchen. Kinder dürfen erst nach einem halben Jahr zur Schule.“Es herrsche dort eine frustriert­e Grundstimm­ung, die manche psychisch krank mache. Und was das Aggression­sverhalten betrifft, sagt sie: „Wenn es jemand von Nigeria über Libyen und Italien hierher geschafft hat, besitzt er – neutral formuliert – ein starkes Durchsetzu­ngsvermöge­n.“Die Leute hätten verinnerli­cht, um alles kämpfen zu müssen. Das helfe nicht, aggressive Situatione­n zu entspannen. In den dezentrale­n Unterbring­ungseinric­htungen gehe es dagegen deutlich entspannte­r zu.

Was die Situation im BayTMI zusätzlich erschwere, ist laut Störkle die Situation der schwangere­n Frauen, von denen nicht wenige aus der Zwangspros­titution kämen. Derzeit leben in der Einrichtun­g nach Angaben der Regierung von Oberbayern zwischen 50 und 80 Schwangere. Dazu kommen etwa 80 Mütter mit knapp 90 Kindern im Alter bis zu zwei Jahren. Künftig werden für 15 Stunden pro Woche Hebammen vor Ort sein. Störkle sagte: „Es ist gut, dass die nun kommen, aber das wird nicht reichen.“

 ?? Foto: dpa ?? Auf dem Gelände der früheren Max Immelmann Kaserne in Manching Oberstimm sind Asylsuchen­de mit „geringer Bleibepers­pektive“untergebra­cht.
Foto: dpa Auf dem Gelände der früheren Max Immelmann Kaserne in Manching Oberstimm sind Asylsuchen­de mit „geringer Bleibepers­pektive“untergebra­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany