Mittelschwaebische Nachrichten
Trost in der Musik gefunden
Hugo Distler erhielt Klavierunterricht im Realgymnasium
Krumbach In der Advents- und Weihnachtszeit kann man immer wieder Kompositionen von Hugo Distler begegnen, die eine besondere Stimmung vermitteln. Sie spiegeln wohl etwas von der Gemütslage, die den Künstler prägte. Das ist auch nicht verwunderlich, denn er gehörte zu den Menschen, die vom Pech verfolgt werden.
Als er 1908 zur Welt kam, hatte sein Vater die Mutter gerade verlassen. Sie brachte deshalb für das Kind wenig Liebe auf. Mit vier Jahren kam Hugo Distler endgültig zu seinen Großeltern. Die Mutter verabschiedete sich mit einem neuen Partner nach Amerika. Hugo durfte das Nürnberger Realgymnasium besuchen und erhielt Klavierunterricht. Nach dem Tod ihres Mannes kehrte die Mutter aus Amerika wieder zurück. Hugo hat inzwischen einen kleinen Bruder erhalten, mit dem er sich gut verstand. Die Mutter war gegenüber Hugo von seltener Kälte. Mit 15 schickte sie ihn aus dem Haus zu den Großeltern. Sie suchten ihn zu fördern, auch wenn ihre Mittel durch die Inflation sehr beschränkt waren. Als die Großeltern den Klavierunterricht nicht mehr bezahlen konnten und Hugo sich vergeblich um ein Stipendium bemühte, war sein Klavierlehrer bereit, ihn kostenlos weiter zu unterrichten.
Nach dem Abitur ging er zum Musikstudium nach Leipzig. Wieder war es die Geldnot, die ihn zum Abbruch des erfolgversprechenden Studiums zwang. In Lübeck erhielt Distler eine Stelle als Kirchenmusiker. Das gehört zu den glücklichen Fügungen in seinem vom Pech verfolgten Leben. Der zuständige Pfarrer beschäftigte sich mit einer Liturgiereform der evangelischen Kirche und dies tat auch Hugo Distler. In dem Zusammenwirken von Pfarrer Axel Werner Kühn und dem Komponisten entstanden zahlreiche Werke so etwa „Eine kleine Adventsmusik“und 52 kleine geistliche Chormusiken. In diese für sein künstlerisches Schaffen so fruchtbare Zeit fällt seine „Deutsche Choralmesse“und die „Choralpassion“.
Wie Johann Sebastian Bach schuf Distler Sonntag für Sonntag Werklein um Werklein, wie es das Kirchenjahr verlangte. Eifrig unterstützten ihn seine Schüler und halfen ihm bei der Abschreibearbeit der Chorstimmen. Die „Werklein“wie Distler sie bescheiden nannte, veröffentlichte er später unter dem Titel „Der Jahreskreis“. Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 wurde es für einen Kirchenmusiker immer schwieriger. Distler konnte zwar noch ein kirchenmusikalisches Institut am neugegründeten Lübecker Staatskonservatorium durchsetzen, aber die Einschränkungen, die er dabei erfahren musste, belasteten ihn mehr und mehr. Auf Anraten seiner geistlichen Vorgesetzten trat er der Partei bei. In einigen Veröffentlichungen äußerte er sich auch linientreu.
Schließlich wechselte er nach Stuttgart, wo er drei glückliche Jahre verbrachte. Es lag nahe, MörikeGedichte zu vertonen. Er begab sich mit seinen Kompositionen auf neutralen Boden. Der Ruf nach Berlin als Leiter des Staats- und Domchors, war zu verlockend. Ihn konnte er nicht ausschlagen. Was allerdings auf ihn wartete, konnte er im Vorfeld nicht ahnen. Der ständige Kampf, dass die Domsingknaben zu den Proben kommen können und nicht durch die Hitlerjugend abgehalten werden. Eine erdrückende Bürokratie, die ihm gar nicht mehr den notwendigen Freiraum für Kompositionen einräumte. Dazu kam noch das Damoklesschwert des Einberufungsbefehls. Fünfmal hatte er ihn abwenden können. Nun war wieder einer angekommen. Am 1. November 1942 gestaltete er noch den Gottesdienst, dann zog er sich in seine Dienstwohnung zurück, öffnete den Gashahn und starb mit 34 Jahren.