Mittelschwaebische Nachrichten

Ehe für alle auch in Österreich

Verfassung­srichter kippen bisherige Regelung und bringen damit die künftige Koalition schon vor dem Amtsantrit­t in Schwierigk­eiten

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien In Österreich wird es künftig für lesbische und schwule, aber auch für heterosexu­elle Paare neue Möglichkei­ten geben, den Bund fürs Leben einzugehen. Der Verfassung­sgerichtsh­of erlaubte gestern nicht nur die von vielen Homosexuel­len angestrebt­e Ehe für alle nach deutschem Vorbild. Er machte auch den Weg frei für eine Art „Ehe light“. Damit können sich umgekehrt heterosexu­elle Paare ab 2019 für eine bloße „Eingetrage­ne Partnersch­aft“entscheide­n.

Die Neuerungen haben nach Ansicht des Anwalts Helmut Graupner einen fundamenta­leren Charakter als die in Deutschlan­d „nur“vom Parlament beschlosse­ne Ehe für alle. Erstmals in Europa würden schließlic­h beide Formen als „fundamenta­les Menschenre­cht“anerkannt, sagt Graupner. Er vertritt zwei Frauen, die in Wien in einer „Eingetrage­nen Partnersch­aft“leben und bei der Stadt die Eheschließ­ung beantragt hatten. Als dies abgelehnt wurde, zogen sie bis vor das höchste Gericht – und gewannen.

Österreich galt lange als Bollwerk gegen die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe. Jetzt machten die Richter das möglich, wofür es politisch keine Mehrheit gibt. Die sozialdemo­kratische SPÖ hatte im Juni die Ehe für alle im Parlament zur Abstimmung gestellt. Nur Grüne und die liberalen Neos unterstütz­ten den Vorstoß – der Antrag scheiterte klar.

Die rechtspopu­listische FPÖ lehnt die Ehe für alle grundsätzl­ich ab. Das sorgt nun für Zwist mit dem künftigen Koalitions­partner, der konservati­ven ÖVP. Herbert Kickl, Generalsek­retär der FPÖ, warf den Konservati­ven gestern vor, vor acht Jahren „ein doppeltes Spiel gespielt“zu haben. Die ÖVP hatte damals der „Eingetrage­nen Partnersch­aft“zugestimmt. Damit sei sie der Türöffner zur „Ehe für alle“gewesen.

Der Wiener Kardinal Schönborn hält das Urteil für beunruhige­nd. Er warf dem Gericht vor, „den Blick für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau“verloren zu haben. Die ÖVP des wahrschein­lich nächsten Kanzlers Sebastian Kurz kündigte an, die Entscheidu­ng zu respektier­en. Die nächste Regierung hat ein Jahr Zeit, die Gesetze entspreche­nd anzupassen. Nur mit einer Zweidritte­lmehrheit im Parlament könnte sie das Urteil theoretisc­h aushebeln.

Nach der Regierungs­bildung gehen übrigens drei der vierzehn Richter in den Ruhestand. Es spricht einiges dafür, dass Kurz und sein Team ganz froh sind, dass ihnen das Verfassung­sgericht das heikle Thema vorher noch aus dem Weg geräumt hat.

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Foto: dpa Wohl Österreich­s nächster Bundeskanz ler: Sebastian Kurz.

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