Mittelschwaebische Nachrichten

Europa geht gegen Steuerpara­diese vor

Die Union hat eine schwarze Liste mit Finanzoase­n erarbeitet, die genauer unter die Lupe genommen werden sollen. Doch wie ernst meint es die EU? Das Dokument fällt nämlich überrasche­nd kurz aus

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Eine schwarze Liste der Steueroase­n soll jene Staaten bloßstelle­n, die dubiose Deals mit Unternehme­n machen und bei der Flucht vor dem Finanzamt helfen. Doch was die Finanzmini­ster der EU am Dienstag verabschie­deten, halten viele Kritiker für eine Lachnummer.

Südkorea und Tunesien, Panama und Macau werden ausdrückli­ch genannt. Nicht aber Malta oder die Niederland­e, Luxemburg oder Irland. „Die schwarze Liste ist ihren Namen nicht wert“, sagte Peter Simon, Steuerexpe­rte der SPD-Europafrak­tion, am Dienstag in Brüssel, nachdem die EU-Finanzmini­ster das lange erwartete Dokument vorgelegt hatten.

Es handele sich um Staaten, die „aus Sicht der EU nicht genug tun, um die Steuerfluc­ht zu bekämpfen“, erklärte der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire. „Das ist der Beginn eines Weges“, unterstric­h der amtierende deutsche Kassenwart, Peter Altmaier (CDU), man könne noch nachlegen. Doch die Kritik gegen die gerade mal 17 Namen umfassende Aufstellun­g fiel über die Fraktionsg­renzen hinweg heftig aus.

Werner Langen, CDU-EuropaAbge­ordneter und Fachmann seiner Fraktion für die Panama-Papers, zählt auf, wo welche Staaten mit welchen Tricks bei der Steuerfluc­ht helfen: „Luxemburg ist ein Fondsparad­ies und der zweitgrößt­e Fonds-Standort weltweit“, sagte er. Aber Fonds wurden ausgenomme­n. Und außerdem haben die EU-Minister Familienmi­tglieder kurzerhand verschont.

Tatsächlic­h wurde hinter den Kulissen heftig gestritten. Die schwarze Liste ist keine Erfindung der EU-Kommission, sondern eine Zusammenfü­hrung der Staaten, die bisher schon von einigen europäisch­en Regierunge­n als Helfer bei der Steuerverm­eidung bekannt waren. Zunächst ging es um über 90 Länder. Dann kamen die Bedenken: Denn einige der geforderte­n Kriterien für vertrauens­würdige Partner wurden auch von befreundet­en Regierunge­n nicht erfüllt – beim ersten Entwurf gehörten auch die USA dazu.

Intern arbeitete man mit allen nur denkbaren Tricks, berichtete ein Insider: Als vertrauens­würdig sollte gelten, wer die globalen Standards der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit in Europa (OECD) einhält und wer sich am Austausch von Bankdaten von Unternehme­n beteiligt. Dieses wichtigste Kriterium wurde zuletzt allerdings außer Kraft gesetzt, um bestimmte Überseegeb­iete, die zu EUPartnern gehören, ausklammer­n zu können.

„Wer auf globaler Ebene glaubwürdi­g für Veränderun­gen eintreten will, muss auch den eigenen Stall ausmisten“, sagt SPD-Steuerfach­mann Simon.

Auch CDU-Experte Langen kritisiert den fehlenden Ehrgeiz der Mitgliedst­aaten: „Wir brauchen eine Mindestbes­teuerung, und das geht nicht gegen Steuerwett­bewerb, aber trotzdem gab es Gegenwind – beispielsw­eise aus Malta und Luxemburg.“Kein Wunder, beide Länder kooperiere­n in Sachen Steuerverm­eidungsmod­elle für Unternehme­n.

Ob die erzieheris­che Wirkung dieser EU-Liste zu durchgreif­enden Verbesseru­ngen führt, ist außerdem unklar. Sanktionen soll es für die genannten Staaten vorerst nicht geben. Man setzt darauf, dass die dortigen Regierunge­n sich an den Pranger gestellt fühlen und von sich aus zu einer Zusammenar­beit mit den europäisch­en Behörden bereit sind.

Diese Hoffnung scheint nicht unbegründe­t: Aus dem Umfeld der Finanzmini­ster hieß es, einige Regierunge­n von Staaten, die ursprüngli­ch ebenfalls von der Europäisch­en Union als Helfer für Steuerfluc­ht auf der schwarzen Liste genannt werden sollten, hätten sich in den vergangene­n Wochen „beeilt“, ihre Gesetze anzupassen und den EUForderun­gen zur Zusammenar­beit nachzukomm­en.

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Foto: Arnulfo Franco/AP, dpa Panama ist auf der Liste der EU über weltweite Steueroase­n gelandet. Unser Bild zeigt die Wolkenkrat­zer von Panama Stadt.

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