Mittelschwaebische Nachrichten
Sie wollen mit ihrer Musik hoch hinaus
Die Electronic Rock-Band „End of Skies“des Hasbergers Christian Geislinger ist das Ergebnis harter Arbeit und umsichtiger Planung. Für den heute 25-jährigen Sänger ist die Gruppe aber auch mitverantwortlich dafür, sein Leben nach einem Schicksalsschlag ne
Hasberg Der Moment, der Christian Geislingers Leben nachhaltig verändern sollte, roch nach Schweiß. Durch den Dunst von Bier und Kippenrauch dröhnte dreckiger Indierock von der Bühne, den drei Typen mit Pilzkopffrisur in den Heustadel der Familie Geislinger in Hasberg bliesen. Zusammen mit seinen Kumpels verausgabte sich der damals erst 15-jährige Geislinger völlig zur Musik. Die Bude war brechend voll – etwa Hundert Leute feierten dort den 18. Geburtstag seines Bruders. Irgendwann durfte der 15-Jährige an diesem Abend selbst auf der Bühne zur Gitarre greifen. Schon immer hatte er den Traum, auf der Bühne „komplett die Sau rauszulassen“. Doch von diesem Zeitpunkt an, ließ ihn die Musik nicht mehr los. Er löschte einen Großteil seiner Spiele vom PC und nahm Gitarrenunterricht.
Wie das im Leben jedoch häufig geschieht, kommt nach dem Höhenflug zunächst einmal die Ernüchterung. Geislinger hatte damals gerade eine Ausbildung zum Außenhandelskaufmann begonnen. „Davon bin ich nicht mehr so richtig losgekommen“, sagt er. Obwohl ihn der Job nicht erfüllte, trottete er dennoch jeden Tag zur Arbeit. Mit dem Geld kommen schnell auch Verbindlichkeiten, laufende Kosten und man gewöhnt sich an die Ausgaben. Doch er wurde davon nicht glücklich. „Streckenweise war jeder Tag ein Horrortag“, erinnert sich Geislinger. Vor knapp fünf Jahren war er dann am Tiefpunkt angelangt. Eine schwere Sehnenscheidenentzündung an beiden Händen stellte ihm in Aussicht, möglicherweise nie wieder Gitarre spielen zu können. „Das hat mich ganz schön auf den Boden gehauen“, doch dann habe er viel nachgedacht und für sich beschlossen, diesen Schicksalsschlag Chance zu begreifen. Freunde hatten ihn schon früher gefragt, warum er denn nicht auf Gesang umsattle. Wenig später stieß Geislinger im Internet auf den Schlagzeuger Matthias Raible, der einen Sänger suchte, um eine Band zu gründen. „Ich habe mich darauf gemeldet und es hat sofort gepasst“, sagt Geislinger. Der gelernte Luft- und Raumfahrttechniker „Matze“sei sehr organisiert, das habe auch ihm eine Richtung gegeben. Endlich rang er sich dazu durch, den ungeliebten Job hinzuschmeißen und sich an der Berufsfachschule für Musik in Nürnberg zu bewerben. 2015 bestand er die Aufnahmeprüfung im Fach Gesang. Finanziell ist das na- türlich ein Rückschritt. Er ist dankbar für die Unterstützung seiner Eltern und bezieht Bafög. Doch er habe auch seine Ansprüche zurückgeschraubt. „Wenn man mal an dem Punkt angekommen ist, an dem man weiß, was man will, fällt einem alles leichter“, sagt er.
Besonders viel Energie verwendet er neben der Schule in das gemeinsame Projekt mit Raible. Komplett wurde die Band durch Gitarrist Florian Bastert. Längere Zeit hatten Geislinger und Raible nach dem richtigen Mann gesucht. Eigentlich hatten sie an eine Viererbesetzung gedacht, doch als „Flo“spontan zur Probe kam, „haben wir schnell gemerkt, dass es auch so passt“, erinals nert sich Geislinger, „ich würde uns jetzt als sehr gutes Team definieren. Jeder hat seine Stärken, man kann keinen weglassen.“
Von Anfang an hätten die drei ihr Projekt sehr überlegt angegangen, um anders zu sein als alle anderen. „Die meisten Bands gehen in den Proberaum und jammen mit den Skills die sie haben zusammen. Wir wollten uns aber alles vorher gut überlegen.“Auch der Name „End of Skies“sei Ergebnis eines langen Planungsprozesses gewesen. Es sollte ein Namen sein, den es noch nicht gibt und der nichts anderes impliziert, bei der Google-Suche etwa nicht untergeht. Und er sollte die Musik widerspiegeln. „Uns gefällt das Überirdische, der Gedanke, dass es mehr als einen Himmel gibt“, sagt Geislinger. Das Sphärische kommt auch in dem von Geislinger als „Electronic Rock“beschriebenen Musikstil zur Geltung. Dabei verschmilzt der Sound der E-Gitarre mit der elektronischen Musik des Synthesizers, die aber auch einen ganz eigenen Part spielt. Für die drei, die eigentlich eher einen Rockmusikalischen Hintergrund haben, ein bewusster Schritt auf neues Land. „Matze hat sich in die elektronische Musik richtig reingefuchst“, sagt Geislinger. Das Spannende daran sei, dass „neuer Sound zu neuen Ideen inspiriert“. Im Gegensatz zu anderen Bands wollten „End of Skies“nicht aus dem Probenraum mit ein paar Songs im Gepäck durch Bars und Kneipen tingeln, sondern zuerst mit aller Akribie ein Studioalbum aufnehmen. Erst als alles perfekt war, trauten sich die drei Musiker auf die Bühne. Mit dem Album sollte auch das ganze Drumherum fertig sein. Internetauftritt, Bühnenperformance mit auf die Musik abgestimmten LEDAnzügen. Sogar Bandshirts ließen sie anfertigen. Die Arbeit an dem Album war hart, erinnert sich Geislinger. So gut wie jedes Wochenende verbrachten sie im Bandraum im Keller der Geislingers in Hasberg. Ganze drei Jahre lang feilten sie an ihrem Debütalbum „Ignition“, bis sie damit zufrieden waren. Treibende Kraft war dabei nicht zuletzt Schlagzeuger Matze, aus dessen Feder fast alle Songs stammen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die harte Arbeit hört man der Musik nicht an. Für den ersten Auftritt von „End of Skies“kehrt Geislinger wieder an den Ursprung zurück. Alle Freunde und Bekannte wurden in den alten Heustadel nach Hasberg eingeladen. „Ich war total aufgeregt“, gesteht Geislinger, „es haben ja alle mitgekriegt, dass wir uns die ganze Zeit im Keller verkrochen haben. Das war ein Riesenmoment.“
Am heutigen Donnerstag veröffentlichen „End of Skies“ihr neuestes Video. Um Punkt 13 Uhr wird es auf dem Musikkanal Youtube im Internet erscheinen. Für den Dreh haben sich die drei Musiker einen besonderen Ort ausgesucht: hoch oben auf dem Dach des Hotelturms in Augsburg.
Die Jungs wollen hoch hinaus, ist das Video auch als Ansage zu verstehen? „Unser großes Ziel wäre natürlich schon, von der Musik zu leben“, sagt Geislinger. Er sieht die Sache aber durchaus realistisch. „Man verdient mit Musik gar nicht mehr viel Geld. Heute glaubt jeder, es muss alles ganz schnell gehen“, sagt Geislinger. Mitnichten: Das Musikgeschäft sei ein schnelllebiges Geschäft, in dem Musik auch „schnell alt wird“. Insofern gibt sich Geislinger ganz bescheiden. „Es wäre schön, wenn wir wenigstens unser nächstes Video aus den Einnahmen finanzieren könnten.“
„Wenn man mal an dem Punkt angekommen ist, an dem man weiß, was man will, fällt einem alles leichter.“Christian Geislinger