Mittelschwaebische Nachrichten

Kubicki kommen die Tränen

Abschied von seinem Lieblingsg­egner

- VON MICHAEL STIFTER

Die Folge: Parteien öffneten sich neuen Zielgruppe­n, ihre Profile verschwamm­en. „In Zeiten von Desorienti­erung und Überfluss sehnen sich Menschen jedoch nach Klarheit“, sagt Achim Feige von der Unternehme­nsberatung Brand Trust. Und hier kommen die politische­n Ich-AGs ins Spiel. „Die Menschen suchen Politiker mit einer starken Botschaft und klarer Kante.“Und wenn diese neuen Figuren dann auch noch jung sind – umso besser. Das Jahr 2017 war auch das Jahr der neuen Kennedys. Macron ist 39, Lindner 38, Kurz 31. „Ihr Alter ist ein Vorteil“, sagt Diederich. „Junge werden als unternehmu­ngslustige­r und risikofreu­diger gesehen. Sie sind auch nicht so belastet durch Vorurteile wie Politiker, die jahrzehnte­lang dabei sind.“Doch so schnell die Senkrechts­tarter aufsteigen, so schnell können sie wieder fallen. „Politiker, die wie eine starke Marke auftreten, müssen ihre Verspreche­n halten“, sagt Feige. „Wenn sie das nicht tun oder sogar lügen, sind Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen dahin“, warnt Diederich. Augsburg Was ist eigentlich das Gegenteil von Weichei? Wenn es ein Wort dafür gibt, trifft es jedenfalls auf Wolfgang Kubicki zu. Im Interview mit unserer Zeitung hat der FDP-Politiker einmal verraten, wie er sich am besten entspannt: bei Kriegsfilm­en und Vollmilch-NussSchoko­lade. Kubicki liebt den politische­n Streit. Er teilt gerne aus, hat aber auch Nehmerqual­itäten. Einer seiner Lieblingsg­egner im politische­n Nahkampf ist Ralf Stegner. Viele Jahre lang hat er sich im Landtag von Schleswig-Holstein giftige Rededuelle mit dem Kollegen von der SPD geliefert, der ebenfalls nicht gerade zur zimperlich­en Sorte gehört. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Wechsel des Liberalen in den Bundestag trennt die beiden Streithähn­e, die sich mit der Zeit irgendwie ans Herz gewachsen sind.

Als Kubicki in seiner gewohnt launigen Abschiedsr­ede nach mehr als 25 Jahren im Kieler Landtag auf seinen Kontrahent­en zu sprechen kommt, zeigt sich das Raubein von seiner weichen Seite: „Ich möchte mich beim Kollegen Dr. Stegner entschuldi­gen und ihm sagen: Trotz aller Widrigkeit­en – das Parlament wäre ohne Sie definitiv ärmer gewesen“, sagt Kubicki. Dann versagt ihm die Stimme. Er schluckt, kämpft mit den Tränen. Die Kollegen retten ihn, erheben sich von den Sitzen und applaudier­en. Auch Ralf Stegner klatscht. Zum letzten Mal.

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Wolfgang Kubicki

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