Mittelschwaebische Nachrichten
Kubicki kommen die Tränen
Abschied von seinem Lieblingsgegner
Die Folge: Parteien öffneten sich neuen Zielgruppen, ihre Profile verschwammen. „In Zeiten von Desorientierung und Überfluss sehnen sich Menschen jedoch nach Klarheit“, sagt Achim Feige von der Unternehmensberatung Brand Trust. Und hier kommen die politischen Ich-AGs ins Spiel. „Die Menschen suchen Politiker mit einer starken Botschaft und klarer Kante.“Und wenn diese neuen Figuren dann auch noch jung sind – umso besser. Das Jahr 2017 war auch das Jahr der neuen Kennedys. Macron ist 39, Lindner 38, Kurz 31. „Ihr Alter ist ein Vorteil“, sagt Diederich. „Junge werden als unternehmungslustiger und risikofreudiger gesehen. Sie sind auch nicht so belastet durch Vorurteile wie Politiker, die jahrzehntelang dabei sind.“Doch so schnell die Senkrechtstarter aufsteigen, so schnell können sie wieder fallen. „Politiker, die wie eine starke Marke auftreten, müssen ihre Versprechen halten“, sagt Feige. „Wenn sie das nicht tun oder sogar lügen, sind Glaubwürdigkeit und Vertrauen dahin“, warnt Diederich. Augsburg Was ist eigentlich das Gegenteil von Weichei? Wenn es ein Wort dafür gibt, trifft es jedenfalls auf Wolfgang Kubicki zu. Im Interview mit unserer Zeitung hat der FDP-Politiker einmal verraten, wie er sich am besten entspannt: bei Kriegsfilmen und Vollmilch-NussSchokolade. Kubicki liebt den politischen Streit. Er teilt gerne aus, hat aber auch Nehmerqualitäten. Einer seiner Lieblingsgegner im politischen Nahkampf ist Ralf Stegner. Viele Jahre lang hat er sich im Landtag von Schleswig-Holstein giftige Rededuelle mit dem Kollegen von der SPD geliefert, der ebenfalls nicht gerade zur zimperlichen Sorte gehört. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Wechsel des Liberalen in den Bundestag trennt die beiden Streithähne, die sich mit der Zeit irgendwie ans Herz gewachsen sind.
Als Kubicki in seiner gewohnt launigen Abschiedsrede nach mehr als 25 Jahren im Kieler Landtag auf seinen Kontrahenten zu sprechen kommt, zeigt sich das Raubein von seiner weichen Seite: „Ich möchte mich beim Kollegen Dr. Stegner entschuldigen und ihm sagen: Trotz aller Widrigkeiten – das Parlament wäre ohne Sie definitiv ärmer gewesen“, sagt Kubicki. Dann versagt ihm die Stimme. Er schluckt, kämpft mit den Tränen. Die Kollegen retten ihn, erheben sich von den Sitzen und applaudieren. Auch Ralf Stegner klatscht. Zum letzten Mal.