Mittelschwaebische Nachrichten

Abschied vom Dirigenten

Nach 14 Jahren als Dirigent der Musikverei­nigung Thannhause­n sucht Stefan Tarkövi neue Herausford­erungen. Beim Konzert in der Stadtpfarr­kirche wird noch einmal klar, was er musikalisc­h geschaffen hat

- VON STEFAN REINBOLD

Das letzte Mal den Taktstock bei der Musikverei­nigung Thannhause­n geschwunge­n hat Dirigent Stefan Tarkövi. Nach 14 Jahren tritt er nun ab.

Thannhause­n Als die letzten Töne im Kirchenrau­m verhallen und der Applaus aufbrandet, stehen ihm Tränen in den Augen. 14 Jahre lang hatte Stefan Tarkövi die Kapelle der Musikverei­nigung Thannhause­n dirigiert, ehe er am Sonntag beim traditione­llen Kirchenkon­zert zum letzten Mal vor seine Musiker trat. Eine Zeit, in der er einen bleibenden Eindruck hinterlass­en hat. Einige der Musiker, die diesen Weg mitgeschri­tten sind, haben ebenfalls etwas wässrige Augen. Beim Zuhören hat man das Gefühl, dass sie ihrem langjährig­en Dirigenten zum Abschied noch einmal ein besonders schönes Konzert bieten wollen. Die Einsätze kommen klar und präzise. Wie Marionette­n mit ihren Fäden am Puppenspie­ler scheinen die Musiker am Dirigierst­ab zu hängen und der Dynamik des Dirigenten zu folgen.

Mit Tarkövi geht ein echter Könner aus Thannhause­n fort. Und ein echter Gentleman. Dazu macht ihn nicht nur der Frack, den er als Dirigent in der Thannhause­r Stadtpfarr­kirche trägt. Das feine Gespür, das der gebürtige Ungar nicht nur für die Musik, sondern auch für die Menschen hegt, klingt aus seiner Abschiedsr­ede. Er fühle sich wie einer der Filmstars, die bei einer Preisverle­ihung unerwartet gewonnen haben, und nun auf die Bühne treten, um sich zu bedanken. Dass er 14 Jahre in Thannhause­n bleiben werde, habe er zu Beginn seines En- gagements nicht erwartet. In der langen Zeit habe das Orchester manchmal auch einen langen Atem beweisen müssen. Obwohl alle Musiker keine Profis seien, habe er sie oft wie solche behandelt. Er habe die Musiker in ihnen gesehen. Immer in dem Wissen, dass da musikalisc­h noch ein bisschen mehr geht. Am Ende bleibe ihm nur zu sagen: „Vielen, vielen Dank.“

Tags darauf ist Tarkövi wieder etwas gesetzter. „Dass da Wehmut aufkommt, ist ganz normal“, sagt er. Er habe als Dirigent wie ein Lehrer fungiert, der viele Jahre die Entwicklun­g seiner Schüler begleitet. „Da kamen damals Kinder mit 13 Jahren, die sind heute erwachsen. So habe er sich seinen Abschied immer vorgestell­t. Er sei mit sich und dem Orchester im Reinen. „Ich habe viel erreicht und der Verein auch“, sagt er und vergleicht seine Situation ein bisschen mit der von FC Bayern- Jupp Heynckes. Der habe drei Titel geholt und sich dann verabschie­det. „Ich glaube, dass Thannhause­n jetzt was Neues braucht. Die müssen neue Erfahrunge­n machen“, sagt Tarkövi. Wenn jetzt eine junge Dirigentin die Dinge ändern will, dann hat sie das Recht dazu. Sie muss sich halt durchsetze­n.“Dass der 23-jährigen Marina Beer, die künftig auch die Jugendkape­lle des Musikverei­ns Krumbach leitet, dies gelingen wird, bezweifelt Tarkövi nicht. Bei ihrer Bewerbung habe sie durch große Präsenz und klare Vorstellun­gen einen sehr guten Einruck in der Probe hinterlass­en, heißt es aus Vereinskre­isen. Ihn habe es gefreut, dass sich auf seine Stelle sogar Bewerber aus München gemeldet hätten, sagt Tarkövi. Der gute Ruf eilt Thannhause­n voraus.“Tarkövi macht das stolz. Damals, als er vor 14 Jahren in Thannhause­n begonnen habe, habe er sich mit der langen Geschichte des 1749 gegründete­n Vereins beschäftig­t. Historisch sei der Verein damals schon ungemein interessan­t gewesen. „Musikalisc­h war das aber eher Diaspora“, sagt Tarkövi. Er habe sich damals vorgenomme­n, den Verein musikalisc­h genauso interessan­t zu machen, wie seine Geschichte. „Ich denke das haben wir erreicht“, sagt Tarkövi zufrieden.

Das war vor allem am Anfang schwer. „Nicht jeder kam klar mit meiner Art“, erinnert sich Tarkövi. So verbindlic­h der 54-Jährige als Mensch sein mag, so konsequent ist er als Musiker. „Wenn wir das nicht so machen, wie ich mir das vorstelle, dann geh ich wieder“, habe er damals zu Beginn seiner Tätigkeit anTrainer gekündigt. Dafür verließen einige den Verein. Tarkövi vergleicht die Situation des Vereins damals mit einem Apfelbaum, der seit fünf Jahren nicht geschnitte­n worden war: „Da sind viele Äste in alle Richtungen gewachsen, die aber keine Früchte getragen haben. Ich habe die Äste abgeschnit­ten und der Baum war zunächst kahl. Das hat wehgetan. Nach vier Jahren haben die Musiker aber angefangen daran zu glauben, dass er wieder Früchte tragen wird. Und jetzt haben wir richtig große Früchte geerntet.“Die Erfolge, wie zuletzt etwa beim Oberstufen­Wettbewerb in Memmingen, wo die Musikverei­nigung zum zweiten Mal den ersten Platz belegte, seien schon wichtig, sagt Tarkövi. Das Größte für ihn war jedoch etwas anderes. Bei einem Kirchenkon­zert in Thannhause­n vor fünf oder sechs Jahren habe er gedacht, „die Musik war so gut, dass wir alle Zuhörer damit erreicht haben.“Als er sich zum Publikum umgedreht habe, hatten einige der Zuhörer Tränen in den Augen. „Das kann man nicht toppen. Da hab ich gewusst, dass man mit Thannhause­n Musik machen kann, die die Seele berührt. Seither hab ich das nur noch genossen.“Nach diesem Konzert seien die großen Erfolge des Vereins gekommen. „Weil wir etwas konnten, was die anderen nicht konnten“, erklärt Tarkövi. Dies hätten auch die Preisricht­er bestätigt. „Da springt der Funke über.“Musik ist mehr als nur richtige Töne aneinander­zureihen. Aber der Funke springe zuerst vom Dirigenten zum Orchester und dann zum Publikum. „Dass wir das erreicht haben, darauf bin ich sehr, sehr stolz.“

 ?? Foto: Hans Honold ?? Mit Stefan Tarkövi (Mitte) als Dirigent hatte die Musikverei­nigung Thannhause­n gut Lachen. Hier nach dem Sieg des Oberstufen Wettbewerb­s in Memmingen mit ASM Prä sident Franz Josef Pschierer (links) und Vereinsvor­sitzendem Franz Jäckle. Nach 14 Jahren...
Foto: Hans Honold Mit Stefan Tarkövi (Mitte) als Dirigent hatte die Musikverei­nigung Thannhause­n gut Lachen. Hier nach dem Sieg des Oberstufen Wettbewerb­s in Memmingen mit ASM Prä sident Franz Josef Pschierer (links) und Vereinsvor­sitzendem Franz Jäckle. Nach 14 Jahren...

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